SWR2 Wort zum Tag

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20OKT2021
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Wie ist das – eine Beerdigung ganz ohne Angehörige? Wenn sich keine Familienangehörigen melden, oder ausfindig gemacht werden können. Oder Verwandte ausdrücklich erklären: „Von uns kommt niemand.“ Ich komme gelegentlich in so eine Situation. Dann stehe ich allein mit einem Friedhofsangestellten am Grab. Oder zu dritt – wenn noch ein von der Gemeinde bestimmter Bestatter dazu kommt?

Wenn andere davon erfahren haben, werde ich als Pfarrer oft bemitleidet: „Das ist ja schrecklich für Sie!“ Ist es aber nicht. Nein, es sind oft sehr intensive Abschiede, die mir selber Trost geben. Allein, zu zweit oder zu dritt am Grab - wir haben dann – so gut es geht – das Leben des Verstorbenen bruchstückhaft vergegenwärtigt – ein Vaterunser gesprochen. Und einen Segen. In der Hoffnung, dass Gott dem Tod nicht das letzte Wort lässt.

Manchmal kommen unerwartet Trauernde. Weil sie es irgendwie - ohne jede öffentliche Ankündigung - mündlich mitbekommen haben. Und das passiert häufiger als man denkt.

Mich beeindruckt, wenn der Freund aus Jugendtagen oder die ehemalige Nachbarin dann am Grab offen und ehrlich davon erzählen, wie sehr sie das Leben der Verstorbenen berührt hat – wo es Spuren in ihrem Leben hinterlassen hat – wo es ein Licht für sie war – wo es schwer war – wo noch Schmerzen da sind und was sie jetzt bitter vermissen.

Das können ganz alltägliche Dinge sein:
wie sie zusammen gesungen haben, wie sie sich beim Motorradreparieren geholfen haben – oder wie sehr die Unterstützung beim Einkaufen geholfen hat.

In all dem Miterlebten leuchtet ein Segen auf, den Gott in dieses Leben gelegt hat. SEIN Segen in den noch so verschlungenen und geknickten Lebensläufen.
Ein Wort aus der Bibel tröstet mich dann besonders. Es steht im Buch Jesaja und heißt: „Das geknickte Rohr wird Gott nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird Gott nicht auslöschen. (Jesaja 42,2)

Genau dafür haben die Weggefährten, die Freundinnen und Freunde, die zum Grab kommen, einen Draht. Sie achten das verletzte und geknickte Leben. Auf diese Weise werden sie zu echten Brüdern und Schwestern. Wo Familien zerbrochen sind, kann für den Moment des Abschieds so etwas wie eine neue Lebensgemeinschaft entstehen - eine neue Familienbande aufleuchten.

Wenn ich das miterlebe – stärkt das mein Gottvertrauen. Wo Menschen da sind, getragen von dem Vertrauen, - „wir alle sind in Gottes Händen geborgen“, - ist keiner allein und vergessen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34107
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