SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

24MAI2021
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Es waren nicht mal fünfzig Prozent. Weniger als die Hälfte aller Befragten konnte in einer Umfrage vor ein paar Jahren sagen, was an Pfingsten eigentlich gefeiert wird. Gewundert hat mich das nicht, denn Pfingsten ist ein schwieriges Fest. Eines, in dem nicht Gefühligkeit im Mittelpunkt steht. Da gibt es keine rührende Geschichte wie an Weihnachten. Mit einem Baby, einer Krippe im Stall und mit Hirten auf dem Feld. Und auch um die ganz existentiellen Fragen nach Tod und Leben, so wie an Ostern, geht es hier nicht. Pfingsten ist anders. Bis hinein in die weltliche Deko. Es gibt kein pfingstliches Pendant zu Schokoweihnachtsmännern oder bunten Ostereiern. Pfingsten ist schwer zu fassen. So wie der Heilige Geist eben, um den sich an diesem Fest alles dreht.

Pfingsten, das ist aber auch eine Zeitangabe. Das Wort Pfingsten kommt vom griechischen pentecoste, das heißt fünfzig. Am fünfzigsten Tag nach Ostern, so erzählt es die Bibel, da sollen die Anhänger Jesu eben diesen Heiligen Geist erfahren haben. In Jerusalem, wo sie sich versammelt hatten, feierten die Menschen gerade ein wichtiges jüdisches Fest. Zahlreiche Gäste aus fremden Ländern waren aus diesem Anlass in der Stadt. In den Straßen tönte ein buntes Gewirr von unterschiedlichen Sprachen. Die Anhänger Jesu allerdings, die saßen zurückgezogen in einem Haus. Voller Sorge, dass man auch sie noch schnappen und anklagen könnte. So wie Jesus, ein paar Wochen zuvor. So jedenfalls erzählt es die Bibel. Doch dann wird es geradezu fantastisch. Eine Art Sturm habe es gegeben und den Anhängern Jesu seien plötzlich Lichter erschienen. Wie leuchtende Feuerzungen sollen sie ausgesehen haben, und auf jeden von ihnen heruntergekommen sein. Und dann hätten plötzlich alle in unverständlichen Sprachen durcheinandergeredet. Die Bibel erzählt das alles nur in wenigen knappen Sätzen.

Was auch immer damals geschehen sein mag. Die frühen Anhänger Jesu müssen schwer beeindruckt gewesen sein. Denn etwas, so viel scheint sicher, hat sie veranlasst ihre Angst zu überwinden, das Haus zu verlassen und der Welt nun von ihrem Glauben zu erzählen. An jenen Jesus aus Nazareth, der nicht tot ist, sondern lebt. Die biblischen Geschichten deuten es als den Heiligen Geist. Man kann ihn nicht sehen, nicht riechen, nicht anfassen und gerade das macht es so schwierig mit Pfingsten. Und doch spüren Menschen ihn, bis heute. In schweren Stunden, in beglückenden Begegnungen mit anderen, in Gedanken und Empfindungen. Es lohnt sich also, da nochmal hinzuschauen.

 

MUSIK

 

 „Komm Tröster, der die Herzen lenkt, du Beistand, den der Vater schenkt“, so heißt es in einem uralten Hymnus über den Heiligen Geist. Es sind Versuche, diesen Geist Gottes zu beschreiben. Ihn, der sich nicht fassen lässt, irgendwie zu begreifen. Als Tröster, wenn mir das Herz schwer wird. Als Beistand in düsteren Zeiten. Jesus selbst hat ihn damals seinen Freunden versprochen. Wenn ich von euch fortgehe, so soll er ihnen versichert haben, dann schicke ich euch meinen Geist. Der wird euch begleiten und bei euch sein. Und zwar immer und überall, auch dann noch, wenn ich schon längst bei Gott bin. Doch wie soll ich mir das vorstellen? Ist der Heilige Geist etwas, das plötzlich und völlig unerwartet von außen über mich kommt? Mich quasi überfällt und in Beschlag nimmt? So vielleicht, wie es die Freunde Jesu am Pfingsttag erlebt haben als sie anfingen in unverständlichen Worten zu reden? Ich bin skeptisch.

Eine Ahnung, was gemeint sein könnte, habe ich vor zwei Jahren bekommen. Da ist mein Vater unerwartet gestorben. Als Familie haben wir in diesen Tagen damals viel beieinandergesessen. Wir haben uns an ihn erinnert. Haben manche Tränen geweint und auch gelacht. Und immer wieder haben wir gesagt: Wenn er jetzt da wäre, dann hätte er sicher dies und das dazu gesagt. Physisch war mein Vater nicht mehr da – und doch war er uns damals ganz nah. Aber eben nicht als Geist, der irgendwie herumspukt und uns von außen in Beschlag nimmt. An sowas glaube ich nicht. Aber tief in uns drinnen haben wir seine Nähe gespürt, in unsern Gedanken und unseren Herzen. Eine Nähe, die mich auch heute noch mit ihm verbindet. Die mich tröstet, wenn ich ihn vermisse. Mich stärkt, wenn ich mir seinen Rat gewünscht hätte. Mich leise schmunzeln lässt, wenn ich an der Art, wie ich rede oder mich bewege, auch ein wenig von ihm wiederentdecke.

Ich bin mir sicher, dass es den engsten Freunden Jesu damals zunächst kaum anders erging. Doch dieser Jesus, das wird ihnen dann immer klarer, war mehr als ein Freund, ein Lehrer, ein Weggefährte. „Gab es da nicht diese besonders innige Verbindung zwischen ihm und Gott? Haben wir Gottes Gegenwart, Gottes Geist, nicht selbst gespürt, wenn wir mit ihm unterwegs waren? Und spüren wir ihn nicht auch jetzt wieder, obwohl er, Jesus, nicht mehr da ist? So wie er gesagt hat: Ich schicke euch meinen Geist, wenn ich gehe?“ Die Jünger und Jüngerinnen spüren wohl, dass es dieser Geist Jesu ist, der ihnen nun neuen Mut macht. Sie schließlich aufbrechen und allen davon erzählen lässt.

In einem Vers des uralten Hymnus heißt es: „Entflamme Sinne und Gemüt, dass Liebe unser Herz durchglüht, und unser schwaches Fleisch und Blut in deiner Kraft das Gute tut.“ Wo Menschen wieder aufgerichtet und getröstet werden und wo Liebe geschieht, ich glaube, da kann man ihn tatsächlich spüren, auch heute. Gottes guten Geist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33216
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