SWR4 Abendgedanken

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16MRZ2021
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„1000 Teile?“ Meine Tochter schüttelt die Schachtel und sagt zu mir: „Da sitzt du aber eine Weile dran.“ Ich hab wirklich einige Abende lang gepuzzelt und dabei gedacht, dass das Leben auch was von einem Puzzle hat.

Mein Leben besteht aus vielen einzelnen Teilen. Jeden Tag kommen neue dazu und ich muss schauen, wo sie hinpassen.

Bei manchen Teilen weiß ich gleich, wie ich sie einordnen muss. Wenn ich Rat bei einer Freundin suche und mich darauf verlassen kann, dass sie ein offenes Ohr hat. Oder wenn ich in meine Heimatstadt komme und mich gleich wieder heimisch fühle.

Manchmal ist es schwieriger: Da sind Teile, die zuerst passend scheinen, aber doch woanders hingehören. Wenn ich den neuen Kollegen erst unsympathisch finde, dann aber merke, dass er eigentlich ganz nett ist. Und bei manchen Teilen hab ich überhaupt keinen Plan, was das sein soll: Wenn nach einem heftigen Streit mit Freunden erstmal Funkstille ist. Dann bin ich ratlos, lege die Erfahrung erstmal innerlich zur Seite und hoffe, dass ich später schlau daraus werde.

Wenn ich vor meinem 1000er-Puzzle sitze, wird es am Schluss nochmal spannend. Wenn das Ende in Sicht ist, sorge ich mich, dass Teile fehlen und das Bild unvollständig bleibt. Aber wenn dann das letzte Puzzleteil seinen Platz gefunden hat, durchströmt mich ein großartiges Gefühl.

Ich hoffe, dass es mir am Ende meines Lebens auch so geht. Dass Gott da mit mir mitpuzzelt. Denn sonst würde vieles unvollendet bleiben: Worte, die ich nicht gesagt habe, Streit, bei dem keine Versöhnung möglich war. Ich hoffe und glaube, dass mir Gott diese Vollendung schenkt, wenn ich einmal sterbe. Dass er ergänzt, was unter den Tisch gefallen ist und mir immer gefehlt hat. Und dass ich am Schluss auf dieses Millionen-Teile-Puzzle aus meinen Erfahrungen und Begegnungen schaue und sagen kann: Ja, das ist mein Leben. Jetzt ist es fertig, alles hat seinen Platz gefunden.

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