Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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15AUG2020
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Die Marienfrömmigkeit der katholischen Kirche mutet ihren Gläubigen einiges zu: Maria sei selbst schon ohne Erbsünde empfangen worden und habe ihren Sohn Jesus jungfräulich zur Welt gebracht. Damit nicht genug: Nach ihrem Tod habe Gott sie mit Leib und Seele zu sich in den Himmel aufgenommen. Seltsam, was da die Kirche am 15. August alljährlich feiert. 

In der Bibel steht davon kein Sterbenswörtchen. Verwunderlich ist nur, dass sich der Glaube an die „Aufnahme Mariens in den Himmel“ schon im 6. Jahrhundert als erstes Marienfest herausgebildet und bis heute gehalten hat. 

Aber ist das nicht nur eine fromme Mär? Maria – mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen? - Es scheint, als hätten sich damals die frühen Kirchen allmählich vom griechischen Denken mit seiner Leibfeindlichkeit losgelöst. Plato zum Beispiel betrachtete den Leib nur als den „Kerker der Seele“. Dabei ist es doch gerade die Verbindung von Leib und Seele, Körper und Geist, die uns als Menschen ausmacht.  

Das Fest der „Aufnahme Mariens in den Himmel“ ist eigentlich eine Ostergeschichte. Wie Jesus in seiner Auferstehung, so leben auch wir einmal ganz in Gott – mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren, mit Runzeln und Falten. Mag unser Leib nach dem Tod zerfallen oder verglühen – wir sind als Ganze von Gott gewollt und geliebt. 

Ist das nicht tröstlich für jene Menschen, die sich mühselig mit Krankheiten plagen oder sich gehandicapt und eingeschränkt durchs Leben quälen? Bei Gott sind sie gesund und vollkommen. Hoffen dürfen auch jene, die man in Folterkellern geschlagen, misshandelt und ermordet hat. Gewiss – ihnen muss schon hier auf Erden Gerechtigkeit widerfahren. Vor Gott aber sind sie ganz sicher befreit von all ihrem Leid. Sogar ihr geschändeter Körper ist – von Leid und Tod auferstanden – wieder heil und schön. 

Mariens Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel erinnert mich an ein Wort des Apostels Paulus: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“(1. Korintherbrief 9,19). - Dann geht auch dementsprechend mit ihm um, füge ich hinzu. Achtsam und respektvoll, mit Ehrfurcht und Liebe, so dass der Heilige Geist gerne zur Untermiete darin wohnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31476
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