SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Take 1
Manchmal muss man im Leben Bewährungsproben bestehen.
Jemand fängt neu am Arbeitsplatz an. Die nächsten Monate sind Probezeit für ihn. Wenn er sich gut einbringt und fleißig ist, kann er bleiben. Probezeit bestanden. Er hat sich bewährt.
Früher feierten die meisten Paare Verlobung. Sie betrachteten die Zeit bis zur Eheschließung als Bewährungsprobe für ihre Gefühle. War es wirklich Liebe, dann wurde Hochzeit gefeiert. Die Probezeit miteinander hatte sich bewährt.

Manchmal gibt es Bewährungsproben im Leben, die kommen unerwartet und schwer auf einen Menschen zu. Da muss sich dann bewähren, was man bisher geglaubt hat und wofür man eingestanden ist. Da zeigt sich dann, ob hinter dem Kraftmeier nicht doch ein feiger Mensch steckt. Oder aber, ob aus dem Angsthasen ein tapferer Kämpfer wird.
Bewährungsproben suchen wir uns nicht immer freiwillig.
Als Jesus vom Geist in die Wüste getrieben wird, ging er vermutlich mit bangem Herzen.
Denn er ahnte, was ihn erwarten würde. Beißender Hunger, quälender Durst, bedrohliche Einsamkeit. Der einzige, der ihm in der Wüste begegnet, ist der Teufel. Clever kommt er daher. Er weiß, wo er jeden zu packen kriegt. Einem Hungrigen bietet man Brot an. Einem Machtlosen die Macht. Und wohl jeder ist versucht zuzugreifen.

Der Teufel
weiß das. Doch Jesus greift nicht zu. Er macht aus Steinen nicht Brot, obgleich ihm der Magen elend knurrt. Er springt nicht in den Abgrund, auf den ihn der Teufel führt,
um die Engel Gottes herauszufordern. Und er widersteht der Versuchung, die ganze Welt zu beherrschen, die ihm der Teufel zu Füßen legen will.
So wie Jesus damals würde ich auch gerne meine Bewährungsproben bestehen, die mir das Leben so stellt. Mich so souverän und tapfer den Versuchungen stellen, die mir den lieben langen Tag begegnen. Mich mit ihnen auseinandersetzen, ihnen nicht feige aus dem Weg gehen.
Ich würde gerne mehr Zivilcourage haben, wenn es nötig ist. Mir auch mal den Mund verbrennen und mich unbeliebt machen, dafür aber meine Meinung klar vertreten.
Ich wünsche mir mehr Mut, auch mal „Nein“ zu sagen – auch wenn mich dann ein paar Leute nicht mehr leiden mögen. Ich möchte nicht aufgeben, auch wenn alles nach kapitulieren aussieht. Ich möchte trotzig weiter glauben, auch dann, wenn fast keine Hoffnung mehr besteht.
Das sind die Bewährungsproben, denen ich in meinem Leben begegne. Nicht allen auf einmal – Gott sei Dank!, Aber immer wieder mal. Und dann, wenn es wieder so weit ist,
und ich tapfer und mutig sein muss, denke ich an Jesus. Er ist Vorbild für mich. Er hat sich bewährt.


Take 2
Bewährungsproben gibt es immer wieder im Leben. Eine besondere Bewährungsprobe
könnte auch die Passionszeit sein, die am Aschermittwoch begonnen hat. 7 Wochen dauert sie bis zum Osterfest. Der heutige erste Passionssonntag hat in der kirchlichen Tradition einen Namen.
Er heißt Invocavit. Übersetzt bedeutet das: Er ruft mich an. Aus einem Psalm, der für diesen Sonntag ausgewählt wurde, sind diese Anfangsworte entnommen:
Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören, spricht der Herr; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.“
Da ist ein Mensch in Not geraten. Not macht Angst. Not zieht nach unten. Not engt den Blick ein. Not legt sich wie ein Panzer ums Herz. Aber dieser Mensch hat in der Not eine besondere Erfahrung gemacht. Hilfe kam. Gerade noch zur rechten Zeit. Hat ihn herausgerissen aus dem ganzen Jammer und der Panik, die die Not verursacht hat. Und hat ihn wieder zurückgeführt ins Leben, anerkannt und entschädigt.
Das kann nur Gott gewesen sein. So sieht es jedenfalls dieser Mensch, der das Psalmgebet spricht. Nur Gott kann das bewirkt haben.
Notzeiten sind Bewährungszeiten. Es stellt sich heraus, was wahr ist in meinem Leben. Wie tragfähig mein Glauben ist und wie glaubwürdig mein Reden. Ob ich wirklich vertrauen kann
oder ob alles nur leeres Gerede war. Manchmal offenbaren Bewährungszeiten auch bittere Wahrheiten. Über mich und über andere.
In der Passionszeit werde ich immer wieder an das Leiden Jesu, an seine Not erinnert. Und daran, wie ich selbst mit Leiden und Not umgehe. Laufe ich lieber weg, wenn ich irgendwo Leid erkenne? Werde ich zur Drückebergerin, wenn ich mit Not konfrontiert werde?
Will ich lieber in Ruhe gelassen werden, als schon wieder helfen zu müssen? Das sind Fragen, die mir zur Bewährung werden in der Passionszeit. Denn ich habe bemerkt: Je näher mir das Leid und die Not kommen,
desto schwieriger wird es. Je weniger Fluchtmöglichkeiten ich habe, desto kritischer wird es mit dem tapferen Standhalten. So ist das bei mir. Ich wünsche mir mehr Tapferkeit und
weniger Feigheit und stelle doch immer wieder ernüchtert fest:
Allein schaffe ich das nicht. Da rufe ich mir nochmals den Psalm für den heutigen Sonntag in Erinnerung. Er weist mich auf Gott. Wenn ich zu Gott bete, dann hört er mich.
In meiner Not und meinem Leid bin ich nicht allein. Er ist bei mir.
Ich möchte mir für die vor mir liegende Passionszeit etwas vornehmen: Wo mir Not und Leid begegnen, möchte ich mich nicht wegducken. Ich möchte hinschauen, helfen, wo es nötig ist, ertragen, so weit es in meinen Kräften steht.
Eigene und fremde Not. Ich möchte mutiger sein und tapfer. Und mit Gottes Unterstützung meine Bewährungsproben bestehen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3094
weiterlesen...