SWR2 Wort zum Tag

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17JAN2020
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Religion, Christentum, Kirche – all das gründet auf Glauben und auf Glaubensbekenntnissen. In Gottesdiensten und Predigten geht es immer wieder um „den Glauben“. Glaubensbekenntnisse werden zitiert und neu formuliert.

Doch wenn ich die Bibel, wenn ich die Propheten des Alten Testaments beispielsweise, wenn ich Jesus recht verstehe – dann geht es beim Glauben mindestens ebenso um die Kraft des Zweifels. Ich meine damit eine Art „gesunde Skepsis“ – Bestehendes und scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen. Dazu können Religion und Glaube durchaus etwas beitragen: in einer Art „Zweifelsbekenntnis“. Doch wie könnte das aussehen, so ein Bekenntnis zum Zweifel aus der Kraft des Glaubens?

Die inzwischen fast schon wieder verklungene Botschaft des Weihnachtsfestes sagt, dass Gott Mensch wurde. Dass er menschliches Dasein auf sich nahm, teilnahm an unserer Menschlichkeit mit all ihrer Größe, Stärke, aber auch Niedrigkeit und Tragik. Wenn dies aber wahr ist, dass Gott menschliches Leben teilt, weil er nicht irgendwo über uns Menschen schweben will, sondern mitten in unserem Leben ankommen – dann ist es auch wahr, dass Menschen nicht Gott spielen müssen. Mit der Menschlichkeit Gottes hat die Vergötterung, die Selbstvergötzung des Menschen ihr definitives Ende gefunden.

Deshalb ging und geht eine starke Kraft des Zweifels aus von der Macht des Glaubens. Die frühen Christen haben Jesus als den alleinigen Herren akzeptiert und den Herren dieser Welt in ihren totalitären Machtansprüchen den Abschied gegeben. In der Zeit des Nationalsozialismus sind manche Christen für ihren Widerstand gegen einen Führerkult gestorben. Und auch demokratisch gewählte Amtsinhaber sind nur Menschen mit begrenzten Einsichten. Mögen sie sich noch so machthungrig und allmächtig gebärden.

Es ist die Kraft des Zweifels, solche Selbsteinschätzungen zurechtzustutzen auf normal menschliches Maß. Blendende Selbstdarstellungen in Politik und Wirtschaft werden hinterfragt, Argumente gehört statt einem blinden Vertrauen auf menschengemachte Autorität – weil es diese Kraft des Zweifels gibt, die auch aus dem Glauben stammt, aus dem Glauben an denjenigen, der wahrhaft alle Macht in seinen Händen hält – Gott sei Dank!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30193
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