Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Zugegeben: Man hört mir an, dass ich ein „Reingeschmeckter“ bin. Manchmal fragt mich jemand nach spätestens fünf Minuten: „Sie sind nicht von hier, oder?“ Ich lächle und sage: „Doch, ich lebe schon seit dreißig Jahren in Baden-Württemberg. Nach meinem Studium in Tübingen bin hier „hängen“ geblieben.“ Dann stellt der andere als nächstes fest: „Aber man hört es Ihnen nicht an!“. Auch das stimmt. Denn ich fände es merkwürdig, wenn ich als gebürtiger Nordhesse mit einer aus Bremen stammenden Mutter, der in Ostwestfalen aufgewachsen ist, plötzlich zu „schwäbeln“ anfinge. Dennoch lebe ich bereits lange genug in Schwaben, dass manches Verhalten auf mich abgefärbt hat. So bezeichnen mich manche schon als echten „Bruddler“, im Norden würde man „Nörgler“ sagen. Läuft etwas nicht so, wie ich es mir vorstelle, beginne ich zu „bruddeln“. Und manchmal halte ich es recht genau mit dem schwäbischen Motto, das ich jetzt hochdeutsch formuliere: „Habe ich nichts zu meckern, ist das schon ein großes Lob!“ Dabei tut einem ständiges „Bruddeln“ gar nicht gut. Das merke ich wohl. Andererseits: Manchmal ist ein wenig bruddeln gesünder, als allen Ärger in sich reinzufressen. Wer jedoch nur „bruddelt“, motzt oder kritisiert, wird von seinen Mitmenschen nicht sonderlich geliebt.
Auch deshalb versuche ich, meinen kritischen Blick zu verändern. „Loben statt motzen“ wäre hin und wieder eine interessante Alternative, denke ich mir. Dazu jedoch muss ich zunächst Positives entdecken und aussprechen. Ich könnte also erst einmal „danke“ für etwas sagen, was ich empfangen habe, bevor ich Kritik äußere. Denn das Danken tut sowohl dem dankenden Menschen als auch dem Bedankten gut und entspannt manch angespannte Lage. „Dankbarkeit“ wirkt positiv und dient dem Frieden zwischen den Menschen. Ich falle dann nicht sofort mit meiner Kritik ins Haus, sondern überlege erst einmal, wofür ich danken kann. Dankbarkeit jedoch braucht zuerst mein Denken, mein Nach-Denken, denn „denken“ und „danken“ haben denselben Wortstamm. Deshalb nehme ich mir vor: Sollte ich mal wieder kurz vorm „Bruddeln“ sein, will ich erst einmal schauen und nachdenken, wofür ich „dankbar“ bin. Das tut mir gut und meinen Mitmenschen auch, denn es stiftet Frieden. Und das ist genau das, wozu ein biblischer Text ermutigt: „Glücklich sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5,9).
https://www.kirche-im-swr.de/?m=29754