SWR1 Begegnungen

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Jonas Bedford-Strohm, Foto: Fabian Stoffers

Peter Annweiler trifft Jonas Bedford-Strohm

Sohn und Vater

Der 26jährige ist das, was ich unter einem „smarten“ jungen Mann verstehe: Der Theologe und Medienethiker ist klug, sympathisch und kontaktfreudig. Immer wieder wird er zuerst  als „der Sohn von“ wahrgenommen. Ja:  Er ist Sohn des EKD-Ratsvorsitzenden und bayrischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm. Und weil er das ist, hat er viel um seinen eigenen Weg gerungen.

Es war schon immer ein spannungsreiches Verhältnis. Weil - natürlich will man sein eigenes Ding machen, gerade als ältester Sohn ist das sehr wichtig. Aber natürlich schaut man auch auf die Dinge, die der Vater macht - und er hat - glaube ich - viele gute Arbeit geleistet und es beeindruckt natürlich einen Sohn auch.  Aber gleichzeitig bin ich halt doch meine eigene Person und musste meinen eigenen Weg da finden.

Das war für ihn nicht immer einfach: Der eigenen Theologen-Dynastie verbunden zu sein und gleichzeitig Teil einer anderen Generation zu sein. Einer Generation, die so gar nicht mehr selbstverständlich mit Kirche und ihrem Wortschatz zu tun hat.

Ich denke, dass man nicht mehr diese Grundbegriffe so voraussetzen kann wie früher - also es hat natürlich einen Generationsabbruch gegeben. Ich hab mich damit identifiziert mit dieser Generationenfrage, dass da in der Kirche lauter Begriffe rumgeschmissen werden, mit denen ich noch nicht so viel anfangen kann.

Jonas Bedford-Strohm hat diese Generationenfrage innerfamiliär geklärt, aber mit großer Außenwirkung.

Ich habe mal eines Nachts alles aufgeschrieben, was mich so verwirrt und gestört und verwundert hat an der christlichen Kirche und hab dann meinem Vater  das mal geschrieben und hab dann gefragt: Hey,  vielleicht wollen wir mal ein Buch draus machen  Und ich hatte das Glück, dass mein Vater drauf angesprungen ist und ich glaube ohne dieses Buch wäre ich nicht zum Theologiestudium gekommen.

 „Wer’s glaubt wird selig“ heißt das Buch mit dem Untertitel: „Glaubensgespräche zwischen Vater und Sohn“. Die sind zwischen Männern ohnehin ziemlich selten - und zwischen Vätern und Söhnen sind sie erst Recht kostbar. Auch für Jonas Bedford-Strohm sind seine Erkenntnisse daraus ungeheuer wertvoll.

Für mich war  Gott  groß: war ein König oder  ein CEO - wie man heute vielleicht sagt - oder einer, der die Ansagen macht - und dieses Gottesbild ist gebrochen worden durch die Gespräche mit meinem  Vater. Ehrlich gesagt kann ich jetzt mich Gott viel eher nähern in vielleicht den Themen Verletzlichkeit. Ich kann plötzlich erkennen: Jesus am Kreuz hat Verletzlichkeit erlebt und hat’s  ausgehalten und durchgestanden. Und es gab die nächste  Befreiung, es gab die Auferstehung,  den Neubeginn.

Weil in ihnen so viel Befreiendes und Erneuerndes aufzuspüren ist - deshalb lohnt es sich, die Themen und Bilder des christlichen Glaubens auch den Jüngeren verständlich zu machen. Jonas Bedford-Strohm will das außerhalb des Pfarrberufs tun. Dabei bewahrt er das Zentrale und setzt Akzente für seine Generation. Wie es kommt, dass er sich dabei als „wandelndes ökumenisches Projekt“ versteht - das erzähle ich gleich nach dem nächsten Titel.

Wandelndes ökumenisches Projekt

Jonas Bedford-Strohm ist sechsundzwanzig. Er ist in der digitalen Welt aufgewachsen und bewegt sich als Medienethiker ganz selbstverständlich darin. Was den Münchner Sohn des EKD-Ratspräsidenten von anderen jungen Menschen unterscheidet: Er ist auch ganz selbstverständlich in der Kirchenwelt zu Hause. Er hat Theologie studiert und bezeichnet sich selbst als ein „wandelndes ökumenisches Projekt“ 

Ich hab’s ein bisschen humorvoll versucht über mich selbst zu sagen, weil ich tatsächlich ein ziemliches Sammelsurium an kirchlicher Sozialisation bin. Fünfhundert Jahre zurück in meinem Stammbaum sind lauter Pfarrer, das heißt, ich hab’ ne  sehr deutsche, kirchliche, protestantische Sozialisation - aber gleichzeitig gibt es auch ein paar Elemente, die nicht ganz so traditionell sind.  Meine Mutter ist Amerikanerin,  das heißt als Kleinkind in New York im Kindergarten waren wir in der Gemeinde in Harlem, ne ganz andere kirchliche Kultur, die mir sehr aus dem Herzen spricht, sehr verkörpert, sehr offen, sehr präsent, sehr aktiv. So ein bisschen davon möchte ich  auch in Deutschland mit rein bringen.

Ganz bunt ist deshalb auch das heutige „Profil“ von Jonas Bedford-Strohm: Er gehört zur evangelischen Landeskirche.  Mit seiner Frau ist er auch in einer methodistischen Freikirche aktiv - und für seine Forschungsarbeit darüber, wie die digitale Kultur die Kirche verändert, ist er bei der katholischen Kirche an der Hochschule für Philosophie angestellt.

Das kirchliche Grundanliegen, nämlich zu schauen, wie die christliche Orientierung sich in unseren Zeiten verhalten kann, dieses Grundanliegen ist nicht besonders konfessionell zur Zeit.

Die Generation der 20-30jährigen bewegt sich auch religiös in neuen Freiheitsräumen. Doch die haben auch unbeabsichtigte Folgen.

Der Drill  bei diesem ganzen Thema ist gewichen einer freiheitlichen Idee dabei. Das führt natürlich manchmal dazu, dass man die Leute dann auch manchmal ohne Begriffe lässt und wenn man kontrovers sein will, viele religiöse Analphabeten rumlaufen (lacht)

Vielleicht ist das die Schattenseite der neuen Freiheit: Für viele scheinen Religion und Kirche überflüssig. Sie haben die Antenne und die Sprache dafür verloren.

Doch die Empfänglichkeit für die christliche Botschaft hängt nicht allein an Begriffen, sondern an - womöglich unspektakulär erscheinenden - Begegnungen: Seelsorge nennt man das klassisch - und die ist nicht an theologische Experten gebunden.

Deswegen finde ich das Entscheidende, dass wir hinhören, wie Menschen leben, wo sie an Grenzen geraten, wo die echten Probleme sind. Jeder Mensch hat sein „Kreuz“ zu tragen - man kann es oft von außen gar nicht sehen, was für ein Gepäck jemand mitschleppt  - und da sensibel für zu sein, interessiert zu sein, wirklich ECHT neugierig zu sein, an dem Menschen  - ich hab noch nie erlebt, dass ein echt neugieriges Gespräch abgelehnt wurde.

Die Zukunft des Christentums in unserem Land hängt nicht an der Lehre, sondern an der Neugier. Gerade, wenn die, die „drinnen“ sind  - in der Kirche - neugierig auf die bleiben, die „draußen“ sind, dann gelingt es auch umgekehrt: Die da „Draußen“ werden neugierig auf die Glut von Christen. Jonas Bedford-Strohm fördert solche Perspektivwechsel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27761
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