SWR4 Feiertagsgedanken

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Der Weihnachtsbaum für den Nachbarn

Weihnachten ist schon fast wieder vorbei. Wieder einmal. Schade eigentlich. Die Vorbereitungen in meiner Familie haben sich gelohnt. Es war ein schönes Fest, nicht ohne Anstrengung. Aber so ist Weihnachten eben. Jetzt werden die Geschenke langsam weggeräumt und im Radio kommen statt der Weihnachtsmusik wieder andere Lieder. Heute, am zweiten Weihnachtsfeiertag, da klingt Weihnachten langsam aus.

Einzig standfest für die nächsten zwei Wochen bleibt der Weihnachtsbaum. Der kommt erst aus der Stube hinaus, wenn die Feuerwehr in holt. Bis dahin erinnern die Christbaumkugeln noch an Heiligabend. Und die Nadeln auf dem Fußboden erinnern daran, dass nächstes Jahr der Baum länger haltbar sein sollte.  

Haben Sie einen Weihnachtsbaum? Also ich habe keinen. Ich habe nur ein paar Tannenzweige an meinem Adventskranz. Vermutlich ist das so, weil ich noch keine Kinder habe. Der Weihnachtsbaum ist eigentlich etwas für Kinder. An ihm haben früher nämlich die Geschenke gebaumelt. Alles, was man Kindern damals Gutes tun konnte: Kekse waren am Baum, Äpfel und – ganz wichtig – Dauerwurst!

Ja wirklich, Wurst am Weihnachtsbaum. Ein Winzer aus einem Dorf in Rheinhessen hat mir davon erzählt. Früher, in den ‚schlechten Zeiten‘ war das. Und der Weihnachtsbaum hat auch nicht in der Wohnstube gestanden, sondern in der Wirtschaft im Dorf. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sind die Männer in die Wirtschaft gegangen und haben die Kinder mitgenommen. Die Kinder haben dann ein Lied gesungen oder ein Gedicht aufgesagt. Dafür durften sie sich etwas vom Baum pflücken. Da ist eine Wurst bestimmt sehr beliebt gewesen.

Der Wirt hat damals den Baum behängt. Er konnte sich übers Jahr den Schmuck für den Baum ansparen. Für die Erwachsenen im Ort war die Wurst am Baum natürlich kein Kinderspiel. Man hat sich ja früher im Dorf gut gekannt. Die Leute haben gewusst, bei wem kein Fleisch auf den Tisch kommt an Heiligabend. Und so ist der Weihnachtsbaum damals ein ganz praktisches Stück Nächstenliebe gewesen.

Ich finde das großartig. Das ist so handfest! Was für eine gute Idee: Seinen Baum so zu schmücken, dass andere davon etwas haben. Das ist ein ganz zentraler christlicher Gedanke: Die Wohlhabenden geben den Armen etwas ab. Das war im Dorf ganz konkret. Der Wirt hat den Familien am Weihnachtsbaum etwas zurückgegeben. Jeder sollte ein freudvolles Weihnachten feiern können.

Dabei hat der Weihnachtsbaum in den Kirchen einen schweren Start gehabt. Es hat den Geistlichen am Anfang überhaupt nicht gefallen, dass die Menschen für ihre Kinder einen Baum geschmückt haben. Im Grunde hatten sie Angst davor, dass der Baum in der Stube oder im Dorf Weihnachten ruiniert.

Wie der Weihnachtsbaum in die Kirche kam

Nicht alle waren mit dem Brauch einverstanden, einen Baum aufzustellen. Gerade in der Kirche
Und das kam so: In Straßburg, am Münster, war Johann Dannhauer als Pfarrer tätig. Er war ein kluger Mann und der Tannenbaum war ihm natürlich bekannt. Im Münster gab es schon seit Jahren einen Weihnachtsbaum. Das hat Pfarrer Dannhauer auch akzeptiert. Plötzlich aber haben auch reiche Familien einen Weihnachtsbaum in ihre Häuser gestellt. Das hat Pfarrer Dannhauer nicht gefallen.

Er hat befürchtet, dass die Menschen vor lauter Baum Jesus vergessen. Und so hat er auf die privaten Weihnachtsbäume geschimpft. Er hat sie eine Lappalie genannt. Ein Kinderspiel, von dem die Kinder ihre Geschenke schütteln können. Alles in allem, hat er gesagt, ist der Weihnachtsbaum ein schlimmer Brauch. Die Familien verwenden zu viel Zeit auf das Schmücken des Baumes. Das Wichtigste geht dabei verloren: Der Baum raubt den Menschen die Zeit, an Jesus zu denken.

Zum Glück, möchte ich sagen, hat sich Pfarrer Dannhauer nicht durchgesetzt. Die Familien, die sich für ihre Kinder einen Baum gekauft haben, sind sensibler gewesen als der Geistliche. Denn sie haben, finde ich, eines gemerkt: Im Zentrum von Weihnachten steht ein Kind, das alle Hilfe braucht, um groß zu werden und die Welt zu verändern. Der Weihnachtsbaum, das haben die Bürger in Straßburg früh gemerkt, hat in diesem Sinne sehr wohl mit Jesus zu tun.

So hat sich der Brauch, einen Baum zu schmücken letztlich durchgesetzt. Erst in den Wohnungen der ganz Reichen, dann in der Wirtschaft im Dorf, wo man die Kinder beschenkt hat, und schließlich ist er  in unsere Wohnzimmer gekommen. In der Bibel heißt es an einer Stelle: Lasst uns fröhlich sein an Gott. Schmückt das Fest mit Zweigen. Gottes Güte gilt ewiglich (Ps 118, 24.27.29). Ich finde: Der Weihnachtsbaum fasst das gut zusammen: Fröhlichkeit, Schmuck und liebevoll beschenkt zu werden.

Jetzt, wo Weihnachten ausklingt, bleibt bei vielen Familien der Weihnachtsbaum noch zwei Wochen stehen. Das ist schön so. Er erinnert an den fröhlichen Heiligen Abend. An die Geschenke. Und wenn Sie an die Würste denken, von denen ich erzählt habe: Dann erinnert er Sie jetzt vielleicht auch noch einmal daran, wie viele nicht das Nötigste zum Leben haben. Eine Wurst am Baum nützt da wenig. Aber vielleicht fällt Ihnen ja sonst noch etwas ein, wie Sie helfen können. Ganz konkret bei Ihnen im Ort vielleicht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch gesegnete und herzhafte Weihnachtsstunden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25638
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