SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1 – Holger fragt sich: War das alles ein glücklicher Zufall? 

Selbstvertrauen oder Gottvertrauen? Letztlich hängt das wohl am eigenen Standpunkt, ob ich denke: Da hatte Gott seine Finger im Spiel. Oder ob ich mit Gott eher nicht rechne und sage: Zufall! Oder auch Glück gehabt. Oder Pech gehabt. Wie verschieden man das sehen kann, das habe ich vor ein paar Tagen erlebt. Bei einem Besuch bei Holger und Ingrid. Sie sind jetzt Mitte 60. Wir haben gemeinsam im Garten gesessen. Es war ein warmer Tag, es gab Kekse und von der Veranda aus haben wir über die Weinberge geschaut. 

Das Paar hat zusammen einen Betrieb geführt. Sie haben sich etwas aufgebaut.  Aber jetzt, eben mit Mitte 60, haben die beiden sich zusammengesetzt und sich gesagt: „Wir wollen die Früchte unserer Arbeit genießen.“ 

Und Ingrid hat mir erzählt: „Wissen Sie mein Mann hat einen Herzinfarkt gehabt. Das war ein Warnschuss! Wir mussten einfach aufhören. Es war ein Segen, dass alles gut gegangen ist.“ Nach einem kurzen stillen Moment brummte Holger: „Nein, das war Glück.“ Gemeint hat er wohl: Das hätte auch anders ausgehen können. Was für ein Glück, dass der Notarzt schnell da war. 

Aber Ingrid hat ihm widersprochen. Sie hat das anders gesehen: „Nein, das war schon so gewollt!“, Warnschuss hatte sie ja gesagt. Da hat uns einer warnen wollen. Da wollte uns einer zeigen: Passt auf! Ihr seid nicht mehr die Jüngsten. Seid vorsichtig. Tretet kürzer!  Lasst die viele Arbeit. Genießt lieber euer Leben! So habe ich Ingrid jedenfalls verstanden. Und ihr Mann wohl auch: „Ei ja.“, hat er noch geantwortet. Dann haben mich beide angeschaut. So als wollten sie sagen: Herr Pfarrer, sagen Sie doch mal was dazu. 

Was sollte ich nun aber sagen?  Ich kann Holger ja verstehen: Er hat sich so viel aufgebaut, er war Jahrzehnte lang sein eigener Chef. Er hat die Fakten in seinem Betrieb gekannt. Er ist der gewesen, der bei Problemen eine Lösung gefunden hat. Wahrscheinlich hat er gewusst: Wenn ich mich nicht darum kümmere – dann macht es keiner. Da hat ihn die Meinung von Ingrid bestimmt nicht überzeugen können. Dass ein anderer sich um ihn und sein Wohl kümmert – für Menschen wie Holger ist das anscheinend ein komischer Gedanke. 

Noch bevor ich allerdings etwas sagen konnte, hat Holger gesagt: „Naja, irgendetwas wird es schon geben! Damit alles seinen Sinn hat.“ Holger hat damit eine höhere Macht gemeint. Und ich habe verstanden: ‚nur‘ Biologie und Medizin sind ihm dann doch zu wenig gewesen um sein Leben zu verstehen. Ein Gott, der den Dingen Sinn gibt, ist schon da, hat Holger gesagt. 

Ich denke, Holger steht auf einer Grenze. Auf der Grenze zwischen Selbstvertrauen und Gottvertrauen.

Musik. 

Teil 2 – Holger merkt: Was Sinn hat, muss ein Wunder sein. 

Selbstvertrauen oder Gottvertrauen – das ist die Frage. Holger, hat nach seinem Herzinfarkt gemerkt: Ich kann nicht alles allein regeln, obwohl es mir bisher so vorkam.  In den SWR 4 Sonntagsgedanken habe ich gerade davon erzählt.  Holger hat gemerkt: man braucht nicht nur Selbstvertrauen – man braucht auch Gottvertrauen. 

Für Holger war sein Herzinfarkt doppelt schlimm. Nicht nur wegen seiner Gesundheit. Sondern auch, weil er gemerkt hat: Ich habe nicht alles im Griff. Das war für ihn eine Grenzerfahrung. Und deshalb steht er jetzt auf der Grenze zwischen Selbstvertrauen und Gottvertrauen. Was soll nun gelten? 

In der Bibel gibt es eine Geschichte darüber. Ein Mann hat ein krankes Kind. Er kann ganz genau die Fakten über die Krankheit aufzählen. Das Kind fällt zu Boden. Es hat starke Speichelbildung. Es knirscht mit den Zähnen. Es wird starr. Aus dieser Beschreibung wird ziemlich klar, dass das Kind in der Geschichte Epilepsie hat. Das Tragische ist: All sein Wissen hilft dem Mann leider gar nicht. Er hat es nicht in der Hand, wann wieder so ein Anfall kommt. 

Er bringt sein Kind zu Jesus und spricht ihn an: „Wenn Du kannst, hilf ihm!“ Jesus ist verärgert darüber, dass der Mann sagt „Wenn Du kannst.“ Der Mann soll ihm etwas zutrauen – ohne Vorbehalt. Der Mann antwortet: „Ich vertraue ja. Hilf mir, noch mehr zu vertrauen.“ Und Jesus tut das. Er heilt sein Kind. 

Ich finde: Holger und der Mann aus der Bibel sind sich ähnlich. Beide sind selbstständig. Beide können ihre Situation gut beschreiben. Aber sie stehen auch beide auf der Grenze. Beide merken: Wir haben nicht alles in der Hand. Da braucht es Gottvertrauen. Der Mann in der Bibel geht zu Jesus. Er hofft, dass er dort Hilfe bekommt. 

Und Holger? Ich habe ihn kurz nach meinem Besuch in der Stadt getroffen. Da hat er gesagt: „Ich bin froh, dass die Chance bekommen habe, mich jetzt um andere Dinge zu kümmern als um die Arbeit.“ Haben Sie es gemerkt? Er hat auch eine Chance bekommen, hat Holger gesagt

Die hat er sich nicht selbst erarbeitet. Gott hat für mich gesorgt. Er hat mich behütet. Für Holger ist das eine neue Erfahrung.  Und die tut ihm gut. Er muss nicht mehr alle Probleme alleine lösen. Holger hat jetzt Zeit, sein Leben zu genießen. Dafür ist er dankbar. Und: Der Warnschuss hatte seinen Sinn. 

Auf der Grenze zwischen Selbstvertrauen und Gottvertrauen hat Holger entschieden: Gottvertrauen! So kann man gelassener leben. 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25125
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