SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

- oder anders als man denkt 

„Manchmal kommt es anders als man denkt“. Ein alter, etwas abgeleierter Spruch, aber er stimmt. Ein Beispiel. Da mühe ich mich intensiv um eine gute Sonntagspredigt. Lese, konzipiere, schreibe, verbessere. So lange bis ich zufrieden bin. Später dann in der Kirche: kein Versprecher, die Betonung ist richtig, die Pausen richtig gesetzt. Ich meine das gesagt zu haben, was mir wichtig erscheint. Alles läuft genauso, wie ich es am Schreibtisch ausgetüftelt habe. Also: alles glatt gelaufen. Ich könnte zufrieden sein. Aber dann: nichts passiert, gar nichts. Niemand aus der Gemeinde reagiert. Kein Sterbenswörtchen, keine Rückmeldung, nichts.

Dann das andere. Es gibt Tage, da es fällt mir schwer, zu predigen. Ich kämpfe mit dem Text, bin unzufrieden mit dem was ich zustande bringe und bin fest davon überzeugt: mit dieser Predigt gelingt dir gar nichts. Trotzdem halte ich sie und möchte mich danach am liebsten verkriechen. Aber genau dann kann es passieren, dass ich ein positives Echo bekomme, dass sich jemand für einen Satz bedankt, der ihn berührt habe und an den ich mich selbst nicht erinnern kann.

Das ist für mich oft unbegreiflich, aber deshalb nicht weniger wahr. Ich habe nicht alles in der Hand. Es passiert mehr zwischen Himmel und Erde als ich mir vorstellen kann. Unter dem Strich heißt das für mich: Kreis nicht zu sehr um dich selbst und mach dich nicht zu sehr abhängig von deinen eigenen Erwartungen. Nimm dich wichtig, aber nicht zu wichtig. Es hängt nicht alles von dir ab.  Du hast Verantwortung für deinen Teil, für die Aufgabe, die dir gestellt ist. Nutze alles, was du hast - deine Fähigkeiten, Talente und Ideen. Aber vergiss nie, dass da noch jemand auf seine Weise mitwirkt, von dem du das alles, hast. Gott selbst.

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen zu fromm, aber ich glaube wirklich daran. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als ich mir vorstellen kann. Ich plane etwas, setze alle Energie daran, das Ergebnis zu erreichen, das mir vorschwebt. Aber es kommt anders. Nicht schlechter. Anders. Und manchmal wird es sogar besser. Mir hilft das beim wöchentlichen Ringen um eine gute Predigt und macht mich etwas gelassener. Denn das hab’ ich immer wieder erlebt, nicht nur beim predigen: Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24583
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