SWR2 Wort zum Tag

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Was ist christlich? Die Frage, was die Mitte des christlichen Glaubens sei, wurde Anfang des Jahres von einer großen Zeitung 95 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgelegt. Sie sollten mit wenigen Worten ihre persönliche Sicht wiedergeben. Es überrascht nicht, dass es nicht eine einzige, sondern unterschiedliche und sehr persönliche Antworten gab.  

Ich muss daran denken, dass diese Frage bereits zu biblischen Zeiten kontrovers diskutiert wurde. Schon Jesus wurde von den Jüngern des Johannes gefragt: Bist du der angekündigte Messias? Und wenn ja, woran erkennt man das? Jesus antwortet nicht mit Ja oder Nein. Er verlangt auch keinen blinden Gehorsam. Er weist auf Wirkungen hin, die von ihm ausgehen:

„Blinde sehen und Lahme gehen“, sagt er, „Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt...“. Das ist seine Antwort!

Was christlich ist – oder konkreter gesprochen – wer Christus für mich ist, dass lässt sich eben nicht abstrakt sagen. Und schon gar nicht in einer theologischen Formel ausdrücken.

Für den Blinden ist Jesus ein anderer als für den Lahmen. Für den, der durch das tiefe Tal einer Lebenskrise geht, ein anderer als für den, der gerade mit einem geliebten Menschen das Leben feiert. Für den, der mit dem Tod konfrontiert wird, ein anderer als für jemanden, der gerade das Glück eines neu geborenen Lebens erlebt.

Der Glaube kann mir dabei helfen, meine Freude ebenso auszudrücken wie meine Klage. Er kann mich begleiten auf den Höhenzügen des Lebens wie in den dunklen Tälern, die ich durchschreite.

Was christlich ist, wer Christus ist, erfahre ich in ganz konkreten Situationen. Und das lässt sich kaum in Katechismussätzen festhalten. Denn letztlich ist es eine Kraft, ein Geist, eine Energie, die meine Lebensflamme am Brennen hält. Und immer wieder anfacht.

Ja, wir werden alle eines Tages sterben, hat der Kabarettist Eckart von Hirschhausen auf die Frage nach dem Christlichen geantwortet. Aber an allen anderen Tagen eben nicht!

Ich denke, er hat damit auf die schöpferischen Kräfte angespielt, die im christlichen Glauben wirksam sind. Die es mir ermöglichen, mutig aufzustehen an jedem Morgen. Mich dem Leben entgegen zu recken. Meine Sinne aufzuspannen für das, was der neue Tag bringt. Und eine Hoffnung zu teilen, die weit über diesen Tag hinausreicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24460
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