SWR Kultur Wort zum Tag

SWR Kultur Wort zum Tag

 - dass "Rückgrat haben " verändert

12.Oktober 1943. Ein Telegramm von München nach Berlin.Darin  steht:  „Angelegenheit heute ohne Zwischenfall erledigt.“ Empfänger: der Volksgerichtshof. Mit diesem lapidaren Satz wird die Hinrichtung eines jungen Mannes gemeldet. Das Protokoll vermerkt, dass die „Prozedur vom Verlassen der Zelle an gerechnet 1 Minute 11 Sekunden“ dauerte. Der junge Mann war Willi Graf aus Saarbrücken. Er hatte in der Haft sechs Monate auf seinen Tod gewartet. Als Mitglied der „Weißen Rose“ war der Student in den Augen der Nazis ein Verschwörer und Sicherheitsrisiko. Für mich ist er ein Held und seit meiner Schulzeit ein Vorbild. Eines zu dem ich aufschaue und gleichzeitig immer wieder merke wie viel mich von ihm trennt. Ich weiß wirklich nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, wie er und seine Freunde dem Regime so die Stirn zu bieten. Oder ob ich nicht wie die meisten mich einfach ruhig verhalten hätte: bloß nicht auffallen, geschweige denn sich verdächtig zu machen, bloß nicht verdächtig werden. Ich kannte die Schwestern von Willi Graf gut – Mathilde und Anneliese. In unseren Gesprächen haben sie mich immer wieder darauf hingewiesen, dass sie selber nicht die Kraft dazu gehabt hätten. Er hatte sie. „Sei erschütterbar und widersteh“, schreibt der Dichter Peter Rühmkorff in einem seiner Gedichte. Am Beispiel von Willi Graf und den Freunden in der Weißen Rose kann man ablesen was das heißen kann. Sie konnten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen als ihnen klar wurde in welchem Unrechtssystem sie lebten. Sie wollten nicht weghören, wenn Nachrichten von schrecklichen Verbrechen des Regimes die Runde machten. Mit ihren Flugblättern wollten sie ihre Mitstudenten aufrütteln und an ihr Gewissen appellieren. Ihnen war es unmöglich nur an sich selbst zu denken, im „Mann-kann-ja-doch-nichts-Machen Modus“ Scheuklappen aufzusetzen und einfach weiter zu studieren. Willi Graf zog seine Kraft dazu aus einem starken Glauben, der ihm Halt gab. “Seid stark und voller Gottvertrauen“, schrieb er seiner Familie aus der Todeszelle. Und in seinem letzten Brief an seine Schwester Anneliese schreibt er: „Für uns ist der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang wahren Lebens, und ich sterbe im Vertrauen auf Gottes Willen und Fürsorge… Dieser Glaube ist mir Halt und Stärke.“

Woran glaubst Du? So fragt in diesen Tagen die Themenwoche der ARD. Ich glaube daran, dass ein Lebenszeugnis von Menschen wie Willi Graf auffordern kann, selbst hellwach zu sein für das was geschieht. Ich glaube daran, dass Rückgrat und Gewissen Menschen verändern können. Ich glaube daran, dass Gott dadurch wirkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24373
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