SWR Kultur Wort zum Tag

SWR Kultur Wort zum Tag

- dass Liebe verändert

Es war an einem heißen Sommertag. Ich besuchte eine ältere Frau, deren Mann gerade zuhause gestorben war. 57 Jahre hatten sie zusammen verbracht. In drei Jahren hätten sie Diamantene Hochzeit gefeiert. Nun war er nach längerer Krankheit verstorben. Ich kam in dem Moment an, als die Männer vom Beerdigungsinstitut gerade fertig waren den Toten neu anzukleiden. Man hatte ihm gerade noch eine seiner Lieblingskrawatten umgebunden. Im Zimmer war es halbdunkel, die Rollladen im Zimmer waren wegen der Hitze heruntergelassen. Als die Witwe dann ins Sterbezimmer geführt wurde und ihren Mann dort aufgebahrt liegen sah, im festlichen Anzug mit Krawatte, hat sie spontan gesagt: „Bitte zieht ihm die Jacke aus. Es ist doch viel zu warm.“          Man kann natürlich die vermeintliche Naivität der Frau belächeln, mich hat diese kleine Szene allerdings sehr berührt. Diese liebevolle Sorge, die über den Tod hinausgeht. Ein kleiner Hinweis, wie nahe sich die beiden waren und das auch über den Tod hinaus bleiben. Das Band kann nicht reißen zwischen dieser Welt und der anderen, von der wir so wenig wissen und so viel erhoffen. Das Band, das man Liebe nennt. In einem Gedicht von Erich Fried heißt es: „Es ist Unsinn sagt die Vernunft. Es ist was es ist sagt die Liebe…“ Die Liebe geht ihren eigenen Weg. Sie lässt sich nichts vorschreiben, sprengt enge Rahmen, weitet den Blick, wenn man sich auf sie einlässt. Und sie gehört zum Glauben wie die Sonne zum Himmel. Ohne die Liebe wäre aller Glauben statisch, wäre die Gefahr groß, dass der Glaube nur noch daraus besteht, etwas zu vollziehen, sich möglichst richtig zu verhalten, sich dogmatisch festzulegen. Glaube ohne zu lieben wird fanatisch, kalt, herzlos. Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Korinther: „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.“ Und ich finde, davon gibt es schon genug. Was wir brauchen ist das Gegenteil. Menschen, die nicht als erstes Ziel haben sich in den Vordergrund zu stellen. Menschen, die andere nicht in Schubladen ablegen sondern den Einzelnen sehen und sich für ihn interessieren. Menschen für die es nicht die Flüchtlinge gibt, sondern viele einzelne Persönlichkeiten mit allem was sie ausmacht, was sie von anderen unterscheidet, was sie ganz allein unverwechselbar charakterisiert.                                                                                 

Woran glaubst Du? So fragt in diesen Tagen die Themenwoche der ARD. Ich glaube daran, dass die Liebe Härten aufweichen kann und empfindsamer macht für alles, was um mich geschieht. Ich glaube daran, dass sie Menschen verändern kann. Ich glaube daran, dass Gott durch sie wirkt.                           

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24372
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