SWR2 Wort zum Tag

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Fastenzeit ist Übungszeit. Eine alte Tradition in vielen Religionen, die nicht nur dazu dient, dass die Pfunde purzeln. Entschlacken des Körpers ist gut,- da hilft zum Beispiel schon das öfter zu Fuß gehen -,aber mindestens genau so wichtig ist das Entschlacken der Seele. Die kann auch Fett ansetzen. Da können sich auch manche Ringe bilden, so dass ich mich selbst gar nicht wiederfinde und mehr und mehr in meinem Panzer verschwinde. Eine verfettete Seele verliert ihre Sensibiltät, ist nicht mehr offen für das, was um sie herum geschieht, dreht sich nur um sich selbst. Die Fastenzeit ist die Chance die Seele neu zu trainieren, sie zu befreien von allem, was vom Leben im christlichen Sinne abhält. Denn die Fastenzeit ist kein Selbstzweck, sie ist der Weg zu dem zentralsten Fest der Christen: Ostern, das Fest der Auferstehung, das Fest des Lebens. Und damit ist nicht nur das ewige Leben gemeint sondern auch das Leben hier und jetzt. „Ich will das sie das Leben haben und es in Fülle haben“, sagt Jesus im Evangelium. Ostern feiert auch die Befreiung aus eigenen Zwängen. Der Weg dahin, die Fastenzeit, stellt Fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Bin ich noch Herr meiner selbst? Habe ich mich an Dinge so gewöhnt, das ich sie nicht mehr im Griff habe sondern sie mich? Um das besser rauszubekommen, muss ich mir - banal aber wahr - selbst Zeit geben. „Das ganze Unglück der Menschen stammt aus einer einzigen Wurzel: sie können nicht ruhig in einem Zimmer sein“,schreibt der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal in seinen „Gedanken“ (Le coeur est ses Raisons. Pensées).Und das ist ja auch nicht leicht mit sich allein konfrontiert zu sein. Aber ich kann’s probieren, weil es heilsam ist. Behutsam probieren ohne daraus auch noch einmal einen Erfolgsstress zu machen. Ohne auf die Uhr zu gucken, wie lange ich es schaffe. In der Fastenzeit mussich eben gar nichts. Keine großen Worte machen, keine Riesenvorsätze aufstellen, die ich doch brechen muss, weil ich mich kenne. Aber ich kann mir Zeiten einplanen, in denen ich nichts weiter tue, als mit mir allein in einem Zimmer zu sitzen, mich nicht abzulenken sondern sondern Station mache auf meinem Weg. Oder, was ich selbst gerne mache, einen stillen Spaziergang in die Wochenplanung einzubauen, auf dem ich mich schlicht befrage, was mir wichtig ist. „Quid hoc ad aeternitaem“, fragte sich der heilige Aloisius. Frei übersetzt: Was wiegt vor dem Ewigen, was ist wirklich wichtig? Ich habe mir diesen Spruch bei meiner Priesterweihe als Motto gegeben. In diesen Wochen stelle ich mir diese Frage besonders und hoffe, dass sie mich bestärkt meine Seele von unnötigem Balast zu entschlacken. Damit  ich den Spalt erkenne, ohne Scheu, zwischen mir und dem der ich sein soll, der ich sein kann, der ich sein will. Vor Gott, der meine Seele stärkt.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23810
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