SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Es wird so spät hell in diesen Tagen. Mir fehlt das Licht. Ich bin froh über jeden sonnigen Wintertag. Wie ein Kontrastprogramm zur dunklen Winterzeit mutet das Leitmotiv des kirchlichen Festkalenders in den Wochen nach dem 6. Januar an: Epiphaniaszeit ist Licht-Zeit. Im Mittelpunkt steht der Gedanke: Mit der Geburt Christi scheint das Licht Gottes in die Finsternis der Welt hinein.

Der Prophet Jesaja und auch das Matthäusevangelium schreiben über dieses Licht: „Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die saßen im Land und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“ (Mt.4,16)

Das Licht scheint denen, die im Schatten des Todes sitzen: Wer den Tod eines Menschen, der einem nahestand, erlebt hat, kennt diesen Ort. Dieser Ort kann auch die Bettkante eines Krankenbettes sein. Manchmal kennt man nur Bilder von diesem Ort und sieht, was Terroranschläge anrichten. Solche Orte werfen lange Schatten in das Leben der Menschen, die sich davon anrühren lassen, auch wenn sie selbst gar nicht dort gewesen sind. Die Schatten heißen Einsamkeit. Sie heißen: Hilflosigkeit. Zynismus. Bitterkeit. Wut.

Im Matthäusevangelium wird gesagt: Denen ist ein Licht aufgegangen! Dorthin, an diese Orte, in diese Schatten hinein bahnt sich das Licht seinen Weg. So wie am Morgen das Tageslicht immer mehr Kraft entfaltet und die Dunkelheit vertreibt. Es wird heller: Man sieht nicht nur Umrisse. Bedrohliches verliert seine unklaren Konturen. Hindernisse, aber eben auch Wege lassen sich erkennen. Tastende Schritte werden sicherer.

Auch schon ein kleiner Lichtstrahl hat eine große Kraft. Für mich sind Menschen, die sich nicht entmutigen lassen, die unerschütterlich gütig und friedliebend sind, die an die Liebe glauben, wie solche Lichtstrahlen im Dunkeln. Sie sagen Sätze wie: „Das hat er sicher nicht so gemeint.“, wenn jemand andere mit harten und ungerechten Worten verletzt. Oder: „Vielleicht hat sie so großen Kummer, dass sie gar nichts anderes mehr sieht“, wenn sich eine gar nicht in die Situation anderer hinein fühlen kann. Sie finden Lösungen, wo andere das Problem groß machen. Sie haben einen Blick für das Gute und für das, was auch möglich wäre.

Solche Menschen sind wie Lichtstrahlen, die hinein leuchten in düstere Skepsis, Resignation und Bitterkeit über Menschen und die Welt. Wenn mir das Licht fehlt und Düsteres alles überschattet, dann stelle ich mich zu ihnen und lasse mir von ihren Lichtstrahlen durch das Dunkle helfen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23515
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