SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

In einer seiner Geschichten vom Herrn Keuner legt Bertolt Brecht seiner Titelfigur ein nachdenkenswertes religiöses Bekenntnis in den Mund.
Herr Keuner wird gefragt, ob es einen Gott gibt, und antwortet: „Ich rate dir, darüber nachzudenken, ob sich dein Verhalten ändern würde – je nach dem wie die Antwort auf diese Frage ausfällt. Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallen lassen. Würde es sich aber ändern, dann kann ich dir insofern behilflich sein, als ich dir sage: du hast dich schon entschieden. Du brauchst einen Gott.“
Das ist mehr als ein pragmatischer Gottesbeweis. Genau genommen bekommt der Fragende von Herrn Keuner überhaupt keine Auskunft. Seine Frage, ob es Gott gibt, wird weder mit Ja noch mit Nein beantwortet. Und Herr Keuner erläutert, warum das auch gar nicht anders sein kann. An Gott zu glauben ist gleichbedeutend damit, ob Gott das Leben derer, die an ihn glauben, bestimmt. Oder – um es mit den Worten Brechts zu sagen – ob sich mein Verhalten ändert, wenn ich an ihn glaube, oder nicht.
Über Gott kann man nicht sprechen wie über irgendwelche Dinge in der Welt. Gott ist kein Gegenstand, der in unserer Welt vorkommt – sich vielleicht irgendwo im Universum versteckt hält. Darum ist auch die Frage sinnlos, ob es ihn gibt, wenn man sie so versteht, wie man zum Beispiel danach fragt, ob es UFOs oder das Ungeheuer von Loch Ness gibt.
Wenn ich sage, dass ich an Gott glaube – wenn ich sage, dass ich glaube, dass es ihn gibt, dann meine ich damit mehr:
Ich glaube, dass ich Gott mein Leben verdanke.
Ich glaube, dass er mir Kraft und Mut zum Leben gibt.
Ich glaube, dass ich ihm gegenüber für die Gestaltung meines Lebens verantwortlich bin. Dass mein Reden, Denken und Tun seinen Sinn von Gott her hat. Entscheidend ist für mich, dass mein Leben vor ihm besteht.
Glaube ist deshalb keine Sache der Theorie. Es ist keine Frage danach, ob ich Gott eher für denkbar oder undenkbar halte. Es ist keine Frage der Wahrscheinlichkeit oder gar die Frage irgendwelcher Beweise. Glaube ist – etwas romantisch ausgedrückt – eine „Herzensangelegenheit“. Und deshalb füllt sich das Wort „Glaube an Gott“ für mich erst richtig, wenn ich es mit Vertrauen übersetze. Solches Grundvertrauen ist aber eine Lebenshaltung, die das Verhalten durchaus ändert.
Brechts Geschichte gefällt mir deshalb so gut, weil sie treffend beschreibt, dass Glaube etwas Praktisches ist. Er hat etwas mit Lebensführung, ja mit einer Einstellung zum Leben zu tun – man könnte auch sagen: mit einer Entscheidung, die mein Verhalten ändert. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2323
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