SWR1 3vor8

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... soll auch nicht essen. 
(2 Thess 3,10b)

 „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen!“ Ein bekannter Satz. Er stammt aus der Bibel, genauer gesagt vom Apostel Paulus. In den katholischen Gottesdiensten wird er heute vorgelesen. Häufig wird dieser Satz gebraucht oder besser gesagt missbraucht, um gegen Sozialhilfeempfänger zu polemisieren. Nach dem Motto: Schon Paulus war dafür, dass nur die zu essen bekommen, die auch arbeiten.

Diese Behauptung ist in doppelter Weise falsch. Erstens bei Paulus steht nicht: „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.“ Sondern Paulus sagt: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Viele Sozialhilfeempfänger wollen schon arbeiten, können aber nicht, weil sie keinen Job finden oder weil sie krank sind. Oder weil sie gar nicht arbeiten dürfen, Asylsuchende zum Beispiel haben zunächst oft gar keine Arbeitserlaubnis.

Zweitens muss man sich die Frage stellen, für wen oder besser gesagt gegen wen hat Paulus denn diesen Satz geschrieben? In welchem Zusammenhang steht er? Paulus schreibt diesen Satz in seinem zweiten Brief an die Gemeinde in Thessaloniki. Die Situation dort war geprägt von der so genannten Naherwartung. Sprich: man rechnete jeden Tag mit der Wiederkehr Christi. Es herrschte eine Endzeitstimmung. Und da mitten hinein treten einige auf und verkünden: Jesus ist schon wiedergekommen, er ist da, die neue Welt ist angebrochen. Und dies nehmen einige zum Anlass, nicht mehr arbeiten zu wollen. Denn die neue Welt ist für sie so was wie ein Schlaraffenland und da braucht man nicht mehr zu arbeiten. Und da hält Paulus dagegen mit seinem Satz: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Religiösen Schwärmern gilt der Satz des Paulus nicht den Armen der Gemeinde. Die Unterstützung der Armen, die aus welchem Grund auch immer nicht von ihrer Hände Arbeit leben können, ist für Paulus selbstverständlich. Das gehört zu jeder christlichen Gemeinde. Mehr als irgendwelche religiöse Schwärmerei. Und so beschließt er seinen zweiten Brief an die Thessalonicher auch mit der Mahnung: „Ihr aber Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu tun.“ 

Deshalb: Wer mit dem Satz des Paulus „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen“, gegen Arme, gegen Menschen ohne eigenes Einkommen polemisiert, der missbraucht die Bibel für eigene Interessen.

                                                                      

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