SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1

Einen Besuch von Gott bekommen? Heute zum Sonntagnachmittagskaffee?
Das wäre überwältigend.
Dann könnte ich endlich meine Fragen loswerden, die ich an Gott habe. Kritische, unangenehme Fragen wären das. Weshalb musste diese fürchterliche Flut in der Sahelzone die Ernte der sowieso schon bitterarmen Menschen zerstören? Darauf hätte ich gerne eine Antwort.
Vielleicht könnte mir Gott auch erklären, weshalb die Christen
immer noch in vielen verschiedenen Kirchen zusammenkommen und einfach nicht zueinander finden. Ich wäre gespannt auf seine Antwort.
Doch Gott wird mich nicht besuchen. Das denke ich zumindest. Abraham, der alte Mann aus der Bibel, hat wohl auch nicht damit gerechnet. Und doch geschah es. Fast unerkannt kommt ihn Gott besuchen. Und erzählt ihm: Du und deine Frau Sara, ihr werdet einen Sohn bekommen. Auch wenn Sara schon längst die Wechseljahre hinter sich hat. Kein Wunder, dass Sara lacht, als ihr Abraham das erzählt. Doch Abraham glaubt felsenfest daran:
Gott hat mich besucht, um mir endlich die Geburt des langersehnten Stammhalters anzukündigen.
Klar, das ist eine archaische Geschichte aus den ältesten Teilen der Hebräischen Bibel. Doch ich finde sie faszinierend. Gott besucht einen Menschen, um ihm Gutes zu tun.
Gott sucht geradezu einen Menschen. Er geht dafür weite Wege. Durch die Wüste z.B. wie
in der Geschichte von Abraham. Aber manchmal auch durch ein Labyrinth von Vorurteilen, Enttäuschungen und schlechten Erfahrungen, die ein Mensch im Lauf seines Lebens so machen kann. Gott scheut keinen Weg, nicht das größte Meer und nicht den höchsten Berg, um bei einem Menschen einen Besuch
zu machen.
Manche Menschen denken ja andersherum: Sie suchen Gott, sie wollen gerne mal einen Besuch bei ihm machen, in seinem Gotteshaus, der Kirche.
Aber gefunden haben sie ihn nicht immer. Zumindest nicht so, wie sie’s gebraucht hätten. Wie’s ihnen gut getan hätte. Mal war die Predigt viel zu hochgestochen. Dann wieder die Musik zu laut und die Liturgie so fremd. Und da
bleibt dann manchmal ein großes Unerfülltsein zurück. Weil sie das Gefühl haben, sich vergeblich auf die Suche gemacht zu haben. Sie haben nicht gefunden. Nicht den Trost, den sie erhofften. Nicht die Wegweisung, die sie brauchten. Nicht die Hilfe, die sie ersehnten.
Eine unerfüllte Suche ist schwer zu ertragen. Manchmal resignieren wir dann. Hören auf zu suchen. Weil wir nicht das gefunden haben, was wir brauchen. Aber haben wir uns von Gott auch finden lassen wollen?

Teil2

Gott möchte einen Besuch machen. Gast sein bei einem Menschen. Und deshalb sucht er.
Er sucht geradezu rastlos und verzweifelt, weil er sich bei diesem einen Menschen vorstellen möchte. Er lässt alles andere stehen und liegen, was sonst wichtig war. Nur um diesen einen Menschen zu finden.
Ist es ungehörig oder naiv, so menschlich von Gott zu sprechen?
Jesus hatte da keine Bedenken. Er vergleicht einmal Gott mit einer Frau. Einer armen Frau. Zehn Silbergroschen sind ihr ganzer Besitz, heute vielleicht zehn Euro. Mehr hat sie nicht. Sie braucht das Geld als Notgroschen.
Eines Tages stellt sie bestürzt fest: Eine Münze fehlt.
Sie stellt das ganze Haus auf den Kopf, fegt bis in jede kleine Ritze, sucht den winzigsten Winkel ab. Alles andere ist jetzt unwichtig. Bloß die Münze finden.
Und tatsächlich – sie findet den Silbergroschen.
Die Münze findet sich wieder. Nun ist was los in ihrem Haus. Nachbarinnen und Freundinnen werden zum Feiern eingeladen. Sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht. Ihre Freundin hat ihren Notgroschen wieder gefunden. Gott sei Dank. Ihre Freude ist überschwänglich.
Genauso überschwänglich ist die Freude Gottes, wenn er einen Menschen gefunden hat. Und ein Mensch sich von ihm hat finden lassen.
Mir gefällt es, wie Jesus von Gott so menschlich erzählt. Beeindruckend, wie Gott alle Hebel in Bewegung setzt, um einen Menschen, um mich zu finden.
Irgendwie habe ich immer gedacht: Ich muss mich in Bewegung setzen. Ich muss Gott suchen, mich anstrengen bei meiner Suche, nichts unversucht lassen, aktiv werden, alle Möglichkeiten ausschöpfen. Nur um Gott zu finden. Bloß mache ich öfter die Erfahrung. So finde ich Gott gerade nicht. Bei aller angestrengten Suche finde ich ihn nicht. Er hat sich offensichtlich geschickt versteckt. Unauffindbar für mein Bemühen.

Vielleicht sollte ich ja andersherum denken: Gott sucht mich, und ich bleibe einfach da, wo ich bin. Und ich bleibe die, die ich bin.
Dann werde ich von Gott gefunden. Und erlebe die Erfüllung, nach der ich mich sehne. Gott sucht mich und möchte mich in meinem Leben besuchen. Und möchte, dass ich mich einfach von ihm finden lasse. Das einzige, was zu tun ist, um dieses besondere Gefundenwerden zu erfahren ist: vertrauen.
Das ist wohl viel schwieriger als meine gesammelten Aktivitäten. Und doch ist es die Haltung, die Jesus empfiehlt. Werden wie die Kinder, sein wie die Vögel unter dem Himmel, sich entfalten wie die Blumen auf dem Felde. Alles das erwächst aus einer Haltung des Vertrauens. Ich möchte mir ein Herz fassen und wieder neu Vertrauen wagen. Gegen alle enttäuschenden Erfahrungen
und Erlebnisse möchte ich mein Vertrauen setzen: Gott ist unterwegs zu mir und sucht mich.
Er möchte mich besuchen und mir Gutes tun. Er möchte für mich da sein. Damit
der Sonntag heute und die neue Woche und überhaupt mein ganzes Leben kostbar, einmalig und erfüllt werden. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2313
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