SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Fronleichnam – das ist schon ein seltsamer Name für einen kirchlichen Feiertag. Aber der Name kann einen auf eine falsche Spur führen. Denn mit einem fröhlichen Totenkult hat dieser Feiertag ganz und gar nichts zu tun. Im Gegenteil. Es wird ein richtig lebendiges Fest gefeiert. „Vrone lichnam“, von diesem alten Wort aus dem Mittelalter stammt das Wort Fronleichnam. Und übersetzt heißt es „Leib des Herrn“.

Ich lebe seit vielen Jahren in einer katholisch geprägten Gegend. Fronleichnam ist hier ein wichtiger Festtag, der irgendwie alle Sinne anspricht. In mühevoller Arbeit werden einen Tag vor Fronleichnam aus Blüten und anderen kleinen Dingen kunstvolle Blütenteppiche gestaltet. Sie sind oft der Stolz des ganzen Ortes. Die Straßen werden geschmückt mit Birkenbäumchen. Das alles passt im schönen Monat Mai ganz wunderbar zur Natur. Die zeigt sich jetzt ja auch von ihrer schönsten Seite.

Am Fronleichnamstag selber findet dann eine Prozession statt. Die führt aus der Kirche durch den Ort und durch die üppige Natur. Der Musikverein und der Kirchenchor voraus, dann die Fahnenträger und schließlich der katholische Pfarrer. Er trägt die Monstranz. So heißt das oft kostbar geschmückte Gerät zum Zeigen. Ein Fenster ist darin, in dem das Abendmahlsbrot gezeigt wird. Für Christen ist das ein Zeichen für Jesus Christus. In manchen Gemeinden sind die Evangelischen eingeladen, auch mitzumachen beim Zug durch die Gemeinde und über die Fluren. Die Pfarrerin oder der Pfarrer trägt dabei die Bibel während der Prozession. Und oft macht dann der evangelische Posaunenchor Musik zur Prozession.

Christen tragen ihren Herrn Jesus Christus durch die Gemeinde. Und das Buch, in dem man von ihm lesen kann. Er soll mitten drin sein im Leben. Weil wir ihn da doch brauchen. Da wo wir leben, da wo wir wohnen, da wo wir vielleicht einmal sterben werden. Da brauchen wie das Brot, das satt macht. Da brauchen wie ein gutes Wort, das aufrichtet und tröstet.

Je älter ich werde, umso wichtiger finde ich das: An Fronleichnam geht der Glaube auf die Straße. Er bleibt nicht hinter Kirchenmauern oder in Gemeindehäusern. Er zeigt sich in der Öffentlichkeit. Trägt Christus dahin, wo das Leben spielt. In den Alltag. Weil Jesus Christus doch gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr Hunger haben.“

Christen zeigen, wovon man satt werden kann, an Leib und Seele. Ich glaube, das kann gut tun in unserem Land. Warum, das will ich nach der Musik erzählen.

 

II.

Der christliche Glaube gehört in den Alltag. Das wird an Fronleichnam besonders sichtbar. Davon habe ich vorhin in den SWR4-Feiertagsgedanken gesprochen. Die Kirche geht demonstrieren. Da wird durch den Ort und über die Felder getragen, was Christen glauben. Was ihnen Halt und Kraft gibt zum Leben.

Gott meint es gut mit seinen Menschen. Er gibt, was sie zum Leben brauchen: Nahrung für Leib und Seele. Brot, Glauben, Gottvertrauen, Orientierung durch sein Wort in der Bibel. Das glauben Christen und das zeigen sie öffentlich. Nicht nur an Fronleichnam. Sondern hoffentlich an vielen Stellen.

Ich finde das wichtig, denn: Kein Mensch lebt ohne Angst. Ich auch nicht. Gerade heute, wo so vieles aus den Fugen gerät  in unserer Welt. Aber ich spüre, dass das Vertrauen auf Gott mich doch die Ängste aushalten lässt, die mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Die Angst vor dem Altwerden, vor dem Sterben, davor, dass es mich einmal nicht mehr geben wird. Die Angst vor den Veränderungen, die womöglich auf mich zukommen. Immer wieder spüre ich: Das Vertrauen auf Gott, das trägt mich. Warum sollten wir Christen das für uns behalten? Das kann doch auch anderen gut tun!

Ein zweiter Gedanke: Als Christ ist es mir nicht gleichgültig, was in dieser vielfältigen Gesellschaft geschieht, in der wir leben. Das fängt im Kleinen an. In der Nachbarschaft, wo man sich hilft, wenn es notwendig ist. Wo man nacheinander schaut und sich umeinander kümmert, wenn der andere einen braucht. Ich meine, deshalb muss ich als Christ auch den Mund aufmachen. Und zum Beispiel sagen: Wenn nur noch das Nicht-genug-bekommen das Zusammenleben bestimmt – dann läuft etwas falsch in dieser Welt. Deshalb ist es wichtig, den Glauben öffentlich zu zeigen und öffentlich davon zu reden, finde ich.

Aber manche fragen, darf das überhaupt sein? Ist Glaube, ist Religion nicht vielmehr eine Privatsache? Privat und sonntags in der Kirche kann jeder glauben, was er will. Aber im öffentlichen Miteinander bringt der Glaube nur Streit.

Natürlich ist klar: Wenn der Glaube sich äußert, geht das nicht ohne Toleranz. Niemand soll bevormundet werden. Aber Christen können ihre Meinung sagen zu dem, wie wir miteinander leben. Genau wie die, die etwas anderes glauben. Christen beziehen Stellung. Damit wir ins Gespräch kommen. Um gemeinsam herauszufinden, was das Beste für das Zusammenleben in unserer vielfältigen Gesellschaft ist.

Ich finde das gut, dass die Kirche einmal im Jahr auf die Straße geht. Und so demonstriert für den barmherzigen Gott, von dem wir Menschenfreundlichkeit lernen können.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Feiertag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22060
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