Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Angenommen, es gibt Gott wirklich – wie soll ich ihn mir vorstellen?“ Hat mich ein junger Mann gefragt. „Jeder sagt etwas anderes. Nicht nur die verschiedenen Religionen. Schon allein die Christen haben verschiedene Definitionen“, hat er gesagt. „Die einen reden vom Allmächtigen –und ich frage mich, warum er dann alles so laufen lässt, wie es geschieht. Andere sagen Vorsehung oder Schicksal – da fühle ich mich ganz hilflos, wenn doch sowieso alles vorherbestimmt ist. Und manche sagen „Gott ist die Liebe“ – aber die Liebe, die müssen wir Menschen doch eigentlich selber machen. Und wenn wir das nicht hinkriegen, danach sieht es ja gerade aus in der Welt – wo ist dann Gott?“ Der junge Mann hat sich Gedanken gemacht. Er wollte es wirklich wissen. Wie soll ich mir Gott vorstellen?

Die Bibel selbst erzählt das so: Mose zum Beispiel, der wollte Gott sehen. Gott hat ihm das sogar gestattet. Aber: Mose durfte nur hinter Gott hersehen, als er vorbei ging (Ex 33, 21-23). Mir sagt das: Niemand kann Gott direkt sehen. Deshalb kann man ihn auch nicht definieren oder bildlich darstellen. Erst wenn etwas geschehen ist, können Menschen begreifen: Da hat Gott gehandelt und mich getröstet, mich beschützt und bewahrt, mich herausgefordert oder mir geholfen, das Leben auszuhalten.

Man kann ihn nicht denken ohne die Geschichten, in denen er sich ereignet. Gott macht sich bemerkbar. Ich denke an die Psalmen, die Gebete der Bibel. Sie handeln von ganz verschiedenen Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben: Sie haben Leid erlebt und gefragt: Warum hast du mich verlassen Gott. Sie haben erlebt, wie sich ein schlimmes Schicksal zum Guten gewendet hat und Gott gelobt. Manche haben auf ihr Leben geschaut und sich gefragt: Wo ist nun Gott? Und andere waren dankbar für das Glück, das sie erlebt haben und für die Freunde, die sie begleitet haben.

Ich denke an Jesus Christus. Da ist Gott Mensch geworden, damit Menschen Erfahrungen mit ihm machen können. Da sind Menschen Gott begegnet. Wieder ganz verschieden. Jesus hat die Geschäftemacher aus dem Tempel Gottes vertrieben. Er hat den Kindern die Nähe Gottes versprochen. Menschen, die alle anderen für einen hoffnungslosen Fall gehalten haben, hat Jesus gesagt: „Fang neu an“. Er hat Menschen lebendig gemacht. Und er selber ist hingerichtet worden und hat sich nicht gewehrt. So verschieden hat Gott sich in Jesus gezeigt. Wie also soll ich mir Gott vorstellen? Ich würde sagen: Gott begegnet Menschen im Leben ganz unterschiedlich. Davon kann man erzählen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21570
weiterlesen...