SWR2 Wort zum Tag

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Erwartung, erwarten ist auf den ersten Blick etwas ganz und gar Einseitiges. Ich erwarte einen Gast. Ich bereite alles für sein oder ihr Kommen. Ich warte auf jemanden, mit dem ich verabredet bin. Er verspätet sich. Ich verliere die Geduld. Ich bin unsicher, ob ich das Warten lieber aufgebe.

Erwartung und Enttäuschung liegen nahe beieinander. Ich erwarte beispielsweise von einer Reise, einem bestimmten Ereignis etwas für mich: Freude, Bereicherung, eine gute Stimmung. Was dann aber eintrifft, lässt mich vielleicht unbefriedigt.

Eine Erwartung ist also stark persönlich geprägt: von der eigenen Geschichte, von den Ansprüchen, die jemand an sein Leben hat, und auch von den Ängsten. Von der Bereitschaft, eher das Negative zu sehen, oder das Gute zu erhoffen.

So hat auch die Erwartung der Christen in diesen Wochen vor Weihnachten eine sehr persönliche Färbung. Das Entscheidende aber, das die christliche Erwartung zu einer Hoffnung macht, liegt anderswo. Meine Hoffnung ist, dass ich erwartet werde, dass Gott mir mit seinem Warten entgegenkommt.

Das schönste Gleichnis dafür ist in den Evangelien das vom Sohn, der aufbricht und weggeht, um sein Erbe in die Hand zu nehmen. Der Vater gibt ihm seinen Anteil und lässt ihn ziehen. Der Sohn erspart sich nichts in seinem Leben. Als er am Ende ist, kehrt er zum Vater zurück. Von dem, worin er zuvor sein Glück gesucht hat, ist nichts mehr geblieben. Nur noch das Haus des Vaters ist seine Hoffnung. Und  nun geschieht das Unerwartete: Der Vater kommt dem Sohn entgegen. Vielleicht sieht er die Ausweglosigkeit des Sohnes. Aber größer ist seine Freude, ihn wiederzusehen und in die Arme schließen zu können. In dieser Freude geht er ihm entgegen. Seine Geste zeigt, wie sehr er den Sohn erwartet hat, die ganze Zeit, in der dieser fern von ihm war.

So – sagt das Gleichnis - werden Menschen erwartet. Die christliche Hoffnung gilt einem Gott, der jeden Menschen erwartet und ihm in ungeduldiger Freude entgegenkommt. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21089
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