Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Oskar ist erst zehn, aber er weiß, dass er sterben wird. Weder Chemotherapie noch eine Knochenmarktransplantation können sein Leben retten. Seine Eltern haben Angst, mit Oskar über das Sterben zu reden. Gut, dass es Oma Rosa gibt. Oma Rosa ist eine von den Damen, die als Besuchsdienst ins Krankenhaus kommen. Eine taffe Frau, die gerne auch einmal ungewöhnliche Wege geht. Sie hat den Mut, mit Oskar über all seine Fragen nachzudenken.

„Oskar und die Dame in Rosa“ so heißt deshalb das Buch von Eric-Emmanuel Schmitt, in dem Oskar in  Briefen an Gott über seine Krankheit, seinen Schmerz, aber auch über seine Freude und die Liebe erzählt. In einem der Briefe beschreibt er, wie er Gott besucht hat. Oma Rosa hat ihn auf die Idee gebracht und gemeinsam sind sie in die Kapelle des Krankenhauses gegangen. In dem Brief schreibt er:

„Ich habe natürlich einen Riesenschreck bekommen, als ich dich dort hängen sah, (…) fast nackt, ganz mager an Deinem Kreuz, überall Wunden, die Stirn voller Blut durch die Dornen und der Kopf, der dir nicht mal mehr gerade auf den Schultern saß. Das hat mich an mich selbst erinnert. Ich war empört. Wäre ich der liebe Gott, wie Du, ich hätte mir das nicht gefallen lassen.“ (S. 63 - 64)

Ein Gott, der alles mit sich machen lässt. Der sogar den Tod am Kreuz aushält. Das ist nicht nur für den zehnjährigen Oskar schwer zu verstehen. Schon am Beginn des Christentums war das für viele unvorstellbar. Und bis heute tun sich Menschen schwer mit solch einem Gott. Dass Gottes Sohn am Kreuz leidet, das geht nicht. Das ist ganz und gar ungöttlich. So ein Gott kann den Leidenden nicht helfen. Doch Oma Rosa stellt die entscheidende Frage: „Wem fühlst Du dich näher? Einem Gott, der nichts fühlt, oder einem Gott, der Schmerzen hat?“ „Einem, der Schmerzen hat, natürlich“, antwortet Oskar.

Ich glaube, in diesem Moment hat Oskar verstanden, wie nah ihm gerade dieser Gott mit seinen Schmerzen sein will. Denn Gott ist nicht nur bei den Gesunden, den Glücklichen oder Erfolgreichen. Er stellt sich den Schmerzen und dem Tod. Er hält es auch bei denen aus, die leiden und nicht mehr weiter wissen. Auch wenn Gottes Nähe in schweren Situationen nicht immer spürbar ist, Gott läuft nicht vor dem Leid davon.

Für Oskar ist das wichtig. Seine Eltern sind davon gelaufen. Gut, dass es Oma Rosa gibt. Durch sie kann Oskar etwas von Gottes Treue und Zuwendung erfahren. Und er spürt, wie gut es ist, nicht alles allein durchstehen zu müssen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19489
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