Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie viele Gegenstände mag ein heutiger Durchschnittsbürger in Deutschland wohl besitzen? Was würden Sie schätzen? Ich hatte auch keine Ahnung und war ziemlich verblüfft, als ich hörte: Es sind sage und schreibe so um die 10.000! Ich weiß nicht, wer sich die Mühe gemacht hat, das zu zählen. Ich hab’s in meinem Haushalt mal versucht und sehr bald aufgegeben. Aber seither kann ich mir vorstellen, dass die gigantische Zahl gar nicht so ganz weit daneben liegt.

Seit ich das weiß, fällt mir diese Zahl immer wieder ein. Zum Beispiel, wenn ich das schicke grüne Kleid im Schaufenster sehe. Und zum Kleid sind dann gleich die passenden Sandalen ausgestellt, und zu den Sandalen wäre die Tasche toll, und zur Tasche das Tuch in den neuen Farben und zum Tuch der Lippenstift, der diese Frische ins Gesicht zaubert. Aber nein, ich bin entschlossen zu widerstehen und gehe stattdessen in die Buchhandlung. Und sehe auf Anhieb fünf Titel, die mich ansprechen und die ich am liebsten sofort kaufen würde.

Es geht nicht um ein moralisches Problem von richtig oder falsch, jedenfalls nicht zuerst. Es geht darum, dass sich die Besitzverhältnisse unter der Hand umdrehen: Die Dinge, die ich zu besitzen meine, haben längst angefangen, mich zu besitzen. Zu wenig zu haben, macht unfrei, weil man dann von der Sorge besetzt ist, zu überleben oder eben irgendwie über die Runden zu kommen. Und zu viel zu haben, macht paradoxerweise auch unfrei, weil man dann zu sehr damit beschäftigt ist, den Besitz unterzubringen, zu pflegen, zu erhalten. 

Seit einiger Zeit formiert sich eine Gegenbewegung gegen das Viel-Haben oder Zu-viel-Haben. Es sind vor allem jüngere Leute. Minimalisten nennen sie sich, weil sie versuchen, mit möglichst wenigen Gegenständen zu leben. Sie verstehen das nicht als Verzicht, ganz im Gegenteil. Sie sagen: Es tut gut, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und statt der zehntausend Dinge, die unsereiner im Durchschnitt hat, reduzieren sie ihren Besitz auf etwa 100 Gegenstände.  

Seit ich davon gehört habe, überlege ich manchmal: Was würde für mich zu diesen hundert Gegenständen gehören, die ich behalten würde? Es ist nur ein Gedankenspiel, aber es zeigt mir, was mir wirklich wichtig ist. Probieren Sie es doch auch mal, jetzt in der Fastenzeit oder irgendwann sonst. Sie werden einiges über sich erfahren!

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19388
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