Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Frauen sollten eigens genannt, nicht nur mitgemeint werden.
„Ich bin Ingenieur “, sagt die junge Frau. „ Ingenieur?“ , frage ich. „Sie sind doch IngenieurIN!“
„Ach, wissen Sie“, sagt sie, „Wir jungen Frauen sind doch sowieso emanzipiert. Das mit der weiblichen Endung an den Berufen, das haben wir doch nicht mehr nötig.“
Ich war sprachlos im ersten Moment. Das muss ich gestehen.
Da steht eine junge Frau und sagt mir, dass es für sie überhaupt keine Rolle mehr spielt, wofür wir Frauen aus der Generation ihrer Mutter noch gekämpft haben:
Dass wir als Frauen auch sprachlich sichtbar sind: Nicht als weiblicher Lehrer, sondern als Lehrerin. Nicht als weiblicher Kaufmann, sondern als Kauffrau. Wir wollten nicht nur mitgemeint sein. Wir wollten auch mitgenannt werden. Denn es ist uns völlig klar gewesen,- so wie wir sprechen, so denken wir und so schaffen wir auch Fakten in der Welt.

Es hat sich ja auch wirklich viel geändert mit den Jahren. Frauen kommen in vielen Bereichen heute auch sprachlich ausdrücklich vor. Die Banken z.B. lassen uns Frauen nicht mehr als Kontoinhaber, sondern als Kontoinhaberin unterschreiben. Frauen können heute selbstverständlich Männerberufe ausüben als Dachdeckerin, als Kauffrau oder eben als Ingenieurin. Und wir haben eine Bundeskanzlerin und keinen weiblichen Bundeskanzler.
Ich frage mich, ob das wirklich ein Zeichen von gewachsener Gleichberechtigung ist, wenn die jungen Frauen sich wieder in männlichen Berufsbezeichnungen mitgemeint fühlen?
Das habe ich auch der jungen Ingenieurin gesagt. Und dass die ausdrückliche Nennung von Männern und Frauen für mich ein christlicher Wert ist, hinter den ich selbst nicht mehr zurück möchte. Gott war mit einem geschlechtsneutralen Menschen nicht zufrieden. Das ist das Erste, was in der Bibel über den Menschen steht. Die Schöpfung war für Gott erst dann vollkommen, als aus dem neutralen Menschen zwei geschlechtliche Wesen wurden. Frau und Mann.  Aufeinander bezogen, aber eben doch verschieden.  Beide mit eigenem Namen.
Es ist das gute Recht der jungen Frauen von heute, sich von ihrer Müttergeneration abzunabeln, so wie das jede neue Generation macht.
Aber ich glaube, wir Frauen aus der Müttergeneration sollten den jungen Frauen mehr davon erzählen, wie die Sprache ein Bild von der Wirklichkeit schafft. Als die Frauen nicht genannt wurden, kamen sie in vielen Lebensbereichen gar nicht vor. Und wenn die Frauen nicht mehr ausdrücklich genannt werden, verschwinden sie wieder aus dem Bild, das wir uns von der Wirklichkeit machen. Und das wäre schade.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19253
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