Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Für Eltern muss es das Schlimmste sein, das man sich vorstellen kann. Wenn ein Kind stirbt. Wenn ihnen das Allerliebste genommen wird, das sie haben. Ihr eigen Fleisch und Blut. Wenn einem die Frau oder der Mann stirbt, dann gehen sie von der Seite, heißt es, die Kinder aber gehen vom Herz. Weil es auch so unnatürlich ist. Die Älteren, die Eltern sollten doch vor den Kindern gehen. Die Kinder sind doch die Fühler in die Zukunft und diese Fühler werden ihnen mit dem Tod eines Kindes ausgerissen. Eltern, die das nicht erleben mussten, können nur ahnen, welch unvorstellbarer Schmerz das ist und welche seelische Belastung. So groß, dass nicht selten auch noch die Ehe daran zerbricht. So groß, dass der Glaube verloren gehen kann. Denn was, um Gottes Willen soll denn der Sinn davon sein, dass ein Kind leiden und sterben muss. Welche Ordnung, welcher göttlicher Wille soll hinter dieser schrecklicher Erfahrung stehen? Da kann man, wenn man denn bei einem solchen Schicksalsschlag noch an ihn glauben mag, Gott nur klagen, anklagen, fragen oder innerlich schreien. Darüber, dass er den Eltern erst einen kleinen Menschen schenkt und ihn dann wieder wegnimmt. Das kann man nicht verstehen und will man nicht verstehen. Aber das ist zu allem Schmerz noch eine weitere Last, keinen Sinn darin zu sehen und Trost lebt doch auch von Sinn. Das muss auch der Dichter Herrmann Hesse gewusst haben und sich getraut haben dem Leben eines kleinen Kindes das sterben musste einen Hauch von Sinn zu geben. Mit einem Gedicht, das ich all denen mitgeben möchte, die ein Kind gehen lassen mussten:

Jetzt bist du schon gegangen Kind und hast vom Leben nichts erfahren,
indes in unseren welken Jahren wir Alten noch gefangen sind.
Ein Atemzug, ein Augenspiel, der Erde Licht und Luft zu schmecken war dir genug und schon zuviel.  Du schliefest ein, nicht mehr zu wecken.
Vielleicht in diesem Hauch und Blick, sind alle Spiele, alle Mienen des ganzen Lebens dir erschienen. Erschrocken zogst du dich zurück.
Vielleicht, wenn unsere Augen, Kind, einmal erlöschen, wird uns scheinen, sie hätten von der Erde, Kind nicht mehr gesehen als die deinen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18617
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