Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Im Internet habe ich ein Foto von Robert B aus Solingen gesehen. Ein freundlicher Junge, er sieht aus wie 17 oder 18, schüchtern und beinahe treuherzig lächelt er in die Kamera. Aber in den Händen hält er eine Maschinenpistole. Vor drei Wochen soll Robert B. im Nordirak bei einem Selbstmordattentat mindestens 28 Menschen mit sich in den Tod gerissen haben.
Als ich sein Foto im Internet gesehen habe, musste ich an meine Söhne denken. Und ich habe mich gefragt: Was bringt so einen netten Jungen dazu, sich selbst und andere in die Luft zu sprengen?
Und dann habe ich gelesen, was ein Vietnam-Veteran in Amerika über seine Zeit im Krieg erzählt hat. Mir scheint das jedenfalls ein Teil der Antwort. Der ehemalige Soldat hat seiner Therapeutin erzählt: „Das Schlimmste, was ich über mich selbst sagen kann, ist: Solange ich dabei war, habe ich mich sehr lebendig gefühlt. Ich fand es wunderbar, so wie man einen Adrenalinstoß liebt, seine Freund oder enge Kumpel. … Und vielleicht das Schlimmste für mich ist jetzt, dass ich im Frieden lebe, ohne jede Möglichkeit, einen derartigen Rausch zu erleben. Ich hasse alles, was mit diesem Rausch zusammenhing, aber den Rausch selbst, den habe ich geliebt.“[1]
Der Mann ist in Behandlung, weil er mit dieser Vergangenheit nicht fertig werden kann. Und er sagt: „Den Rausch des Krieges, den habe ich geliebt“.
Männer wie er, die würden vielleicht sagen: Der Krieg gibt einem ein Ziel, für das man sich mit aller Entschlossenheit einsetzen kann. Das beflügelt einen. Man kann sogar edel sein im Krieg, sich für seine Kameraden oder für die vermeintlich gute Sache einsetzen. Man kann ein Held werden. Ich kann mir vorstellen, dass junge Männer wie Robert B. solche Träume haben. Womöglich ist ihnen ihr ordentliches aber irgendwie unbedeutendes Leben zu langweilig. Immer wieder nur ein neues Handy, ein angesagter Club, der doch nicht anders ist als der letzte, oder abgefahrene Computerspiele – auf die Dauer ist ihnen manchen das anscheinend nicht genug.
Kann das sein? Die Sehnsucht nach Rausch und Abenteuer als Motiv, um in den Krieg zu ziehen?
Ich frage mich: Was können wir ihnen bieten, diesen jungen Männern? Könnten wir ihnen zeigen, wofür es lohnt, zu kämpfen und wie? Ohne Waffen, aber mit aller Kraft? Als Handwerker und Aufbauhelfer, als Krankenpfleger, als Arzt oder als Lehrer? Wie können wir ihnen zeigen, dass die selig sind, die Frieden stiften und für Gerechtigkeit sorgen? Und dass man ein Held wird, wenn man sich für andere einsetzt.


[1] Karen Armstrong, Im Namen Gottes. Religion und Gewalt, München 2014, 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18597
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