SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Nächstenliebe gibt es eigentlich nur als Wort der Tat. Sie beschreibt kein schönes Gefühl, sondern ein Tun. Ich bin bereit, für einen anderen Menschen da zu sein. Ihn zu lieben, der diese Liebe möglicherweise nicht oder nicht immer erwidert. Wenn ich das sage, dann ist zuvor eine Entscheidung gefallen. Schön, wenn mir gedankt, wenn ich zurück geliebt werde. Oft aber ist das Lieben auch ein Durchhalten gegen viele Widerstände.
Ich erlebe das zum Beispiel bei Kindern. Sie können durchaus mit Undank, ja Ablehnung auf elterliche Liebe reagieren.
Oder bei jener älteren Dame, von der Dostojewski in einem Roman (Die Brüder Karamasov) erzählt. Sie fragt dort einen Mönch, woher er wisse, dass Gott existiert. Er antwortet: Dieses Wissen kann man nicht durch Argumente erwerben, sondern nur durch die „Tätige Liebe“. Daraufhin gesteht ihm die Dame, dass sie gelegentlich davon träumt, ihr Leben dem Dienst an anderen zu weihen, vielleicht in einem Orden, in einem Leben in Armut. Aber dann, so sagt sie, komme ihr der Gedanke, wie undankbar die Menschen sind. Und Undankbarkeit könne sie nicht ertragen. Da verblasst ihr Traum von einem Leben tätiger Liebe. Der Geistliche erwidert daraufhin: „Die tatsächlich geübte Liebe ist hart und grausam im Vergleich zu einer Liebe, von der man nur träumt.“
Wahre Liebe kann ein hartes Geschäft sein. Das hilft mir, wenn ich mit Frustration zu kämpfen habe. Ich bin sicher nicht der einzige, der sein Kind gewissermaßen schon mal gerne auf den Mond geschossen hätte. Da es aber mein Kind ist, darf das momentane Gefühl keine Rolle spielen. Und das gilt von allen, die einem anvertraut sind.
Die Bibel erzählt, dass auch Gott solche Enttäuschungen kennt. Sie erzählt aber vor allem: Er tut es nicht. Er hält die Liebe durch. Gott gibt das Kostbarste, was er hat: Jesus, den Sohn. Er wird Mensch und verzehrt sich im Sinne des Wortes. Er muss damit leben, dass nur wenige ihm danken. Aber keine Enttäuschung, kein verletztes Gefühl kann die Entscheidung ändern, die Gott getroffen hat. Du bist mein Kind. Ich habe dich von Anfang an geliebt. Ich gebe Dich nicht auf.
So liebt Gott. Die Entscheidung steht, und sie heißt: Du sollst leben. Das gibt Kraft, die harte Liebe durchzuhalten.

Wahre Liebe kann schwierig sein. Das hilft mir, wenn ich mit Frustration zu kämpfen habe. Auch Gott liebt unbeirrbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17889
weiterlesen...