SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Ich bin ja nun auch nicht selber dabei gewesen.
Hab das leere Grab von Jesus nicht mit eigenen Augen gesehen.
Hab nicht gesehen, wo Jesus gelegen hat.
Hab nicht die Engel gesehen im Grab, von denen die Bibel erzählt.
Und ich möchte es trotzdem glauben können, dass es genauso gewesen ist.
Ja, ich möchte glauben können, dass Jesus auferstanden ist und dass Gott das heute noch möglich macht – neues Leben. Dass er auch mich herausholt aus Tod und Traurigkeit.
Deswegen gefällt mir die biblische Geschichte von Thomas so gut.
Der ungläubige Thomas, so wird er ja ganz oft genannt.
Dabei ist er doch eigentlich gar nicht so ungläubig gewesen, finde ich.
Im Gegenteil.
Thomas war von Jesus überzeugt, hat ihm vertraut, ist ihm nachgefolgt, war sein Jünger, genauso wie die anderen auch.
Nur im entscheidenden Augenblick, da ist er irgendwie nicht mit dabei gewesen.
Als Jesus nochmal zu seinen Freunden gekommen ist und ihnen gezeigt hat, dass sie keine Angst haben müssen.
Irgendwie hat Thomas das wohl verpasst.
So ist das ja manchmal.
Es kann passierten, dass man das einfach verpasst, was einem Mut machen könnte.
Das Leben fängt neu an, man könnte einen neuen Anfang machen.
Aber irgendwie kriegt man es nicht mit. Das kommt vor.
Vielleicht war es an den Feiertagen so hektisch, dass man grad froh ist, dass der Besuch wieder abgereist ist und die Schule wieder anfängt.
Ich kann Thomas gut verstehen.
Als die anderen ihm freudestrahlend erzählt haben, dass sie Jesus wirklich gesehen haben, da ist erstmal skeptisch geblieben und wollte die Hände und Füße von Jesus anfassen, wo sie ihm die Nägel durchgeschlagen haben.
Mir kommt das so vor, als hätte er fragen wollen: Und, was ist damit? Was ist mit diesem Unrecht, dass da geschehen ist. Ist das wirklich vorbei? Und was ist mit dem Leid, was ist mit den Schmerzen, die Jesus erdulden musste. Ist da jetzt wirklich überwunden?
Das sind Fragen, die stelle ich mir auch manchmal. Grad dieser Tage, wenn ich daran denke, was in der Ukraine los ist, in Nigeria. Da kann man ja wirklich zum ungläubigen Thomas werden. Richtig traurig kann man dabei werden.
Wenn ich es doch sehen könnte: Dass das endlich mal aufhört, dass es endlich mal friedlich zugeht. Und dass es was bringt, wenn man sich dafür einsetzt, und wenn man geduldig nach friedlichen Lösungen sucht. Dafür hat Gott doch Jesus auferweckt, damit Leid und Unrecht endlich ein Ende haben.
Und auch einer wie Thomas Mut und Zuversicht bekommt.

Andere laufen freudestrahlend und voller guter Dinge durchs Leben und du selbst hast den Eindruck, an dir zieht das Leben vorüber. Das tut weh. Davon habe ich gerade hier in den SWR4 Sonntagsgedanken erzählt.
So ist es Thomas gegangen, erzählt die Bibel. Thomas hat nicht glauben können, dass Jesus lebt und das Leben neu beginnen kann..
Aber immerhin: Er hat sich nicht von den anderen zurückgezogen, sich nicht in sein stilles Kämmerlein verzogen. Thomas  will nicht begraben bleiben in seinem Pessimismus. Und die anderen ertragen ihn mit seinen Zweifeln. Das hat ihm anscheinend gut getan.
Ich glaube, das könnte ein erster Schritt sein, um wieder Freude am Leben zu bekommen und Zuversicht.
Komm, lass uns was zusammen machen. Einen Kaffee trinken oder am Sonntagmittag mal schön zusammen essen gehen. Grad Frauen erzählen mir manchmal, wie sie sich zusammentun, was unternehmen, sich nicht damit abfinden, dass sie keinen Partner mehr haben, der sie begleitet, sich auch mal was gönnen, was sie sich früher niemals zugestanden haben.
Zusammen bleiben und den Kontakt halten.
Nicht nur für einen wie den Thomas ist das eine echte Herausforderung, denke ich mir, sondern eben auch für die anderen, mit denen er zusammen ist. Wie geht man damit um, wenns einem im Kreis nicht so gut geht? Wie ermuntert man den, wie kann man den trösten?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die anderen Jünger Thomas immer wieder davon erzählt haben, wie das für sie war, als Jesus zu ihnen gekommen ist. Wie das für sie war, wie sie durch ihn ihren Frieden wirklich auch gefunden haben, den er ihnen gewünscht hat. Und wenn Thomas dann trotzdem traurig geblieben ist, dann haben sie das bestimmt auch zusammen ausgehalten.
Und dann?
Dann hat Thomas es tatsächlich erlebt. Auf einmal ist Jesus mitten unter ihnen. Und dann hört Thomas, wie Jesus sagt: „Friede sei mit euch!“. Und dann geht Jesus zu ihm hin und zeigt ihm seine Hände und seine Füße mit den Nagelspuren drin.
Und dann?
„Mein Gott!“ kann Thomas da nur noch stammeln.
Ich finde es wunderbar, wie die Bibel das erzählt.
Also würde da auf einmal ein Knoten platzen.
Mein Gott, ja, es ist vorbei, keine Ahnung wie, aber ich bin durch, ich habs überwunden.
Ich finde es wunderbar, wie Gott einen Weg gefunden hat.
Für  Thomas. Und hoffentlich auch für mich.
Ob 8 Tage nach Ostern oder 80 oder wann auch immer: Irgendwann wird der Knoten platzen, irgendwann wird sich eine Tür auftun, irgendwann wird das Leben wieder voran gehen.
Ich glaube, wer sich das das immer wieder vor Augen hält, der kann zuversichtlich leben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten Nach-Ostersonntag – einen guten Start wieder nach den Ferien und kommen Sie behütet durch die neue Woche!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17458
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