SWR2 Wort zum Tag

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„Die Erde ist schön" - so beginnt ein Gedicht von Rudolf Otto Wiemer. Ich habe bei diesem Satz Ferienbilder vor Augen: das Meer, das im Sonnenlicht glitzert und am Abend die Farbe der untergehenden Sonne annimmt; Wege im Gebirge mit dem Blick auf Gletscher und schneebedeckte Gipfel mit ihren bizarren Formen; Wanderungen im Schwarzwald mit dem wunderbaren Wechsel von dunklen Wäldern und grünen Matten. Die Erde ist schön - das ist wahr. Und es müssen nicht einmal nur Ferienbilder sein, die den Satz bestätigen. Auch zu Hause kann man die Schönheit der Schöpfung immer wieder entdecken. Zum Beispiel in den Blumen in den Gärten, auf dem Balkon. Ein amerikanischer Philosoph hat sie das Lächeln der Erde genannt.

Die Erde ist schön - bei Wiemer geht der Satz weiter mit den Worten: und es lebt sich leicht im Tal der Hoffnung. Und dann beschreibt der Dichter das „Tal der Hoffnung": Gott wohnt nah hinterm Zaun. Im Rohr der Rakete nisten die Tauben. Alle Wege sind offen. Im Atlas fehlen die Grenzen. Das Wort ist verstehbar. Wer Ja sagt, meint Ja, und ich liebe bedeutet: jetzt und für ewig. Die Hand des Armen ist nie ohne Brot. In diesen und anderen Worten wird das Gegenteil von dem ausgesprochen, was nicht schön ist auf der Erde und nur Gegenstand der Hoffnung sein kann. Schön ist die Erde also, wenn es auf ihr Friede gibt, wenn Worte wahr und Menschen treu sind, wenn Armen Gerechtigkeit widerfährt - und wenn der verborgene Gott ganz nahe ist. Am Ende des Gedichts ist dann auch noch vom Tod die Rede und von der Hoffnung gegen ihn: Ein Engel steht am Abend des Lebens am Tor zum anderen Leben und spricht: Steh auf!

Wiemer hat dieses Gedicht in einer depressiven Phase seines Lebens geschrieben. Was er vor Augen hat, war für ihn damals wohl Ausdruck einer unerfüllbaren Sehnsucht. Später hat er dem Gedicht die Überschrift gegeben: Entwurf für ein Osterlied. Damit hat er angedeutet, dass es einen Grund für Hoffnung gegen den Augenschein gibt: den Sieg des Lebens über das Dunkel in der Welt, wie er durch Jesus Christus glaubhaft geworden ist. Wiemer malt Bilder vom Tal der Hoffnung, in denen sich die Realität spiegelt. Und hoffend kann dann er sagen: Die Erde ist schön. Die Schönheit der Erde, wie man sie jetzt schon erleben kann, ist für mich ein Hinweis auf das Erhoffte. Sie ist trotz allem, was die Schöpfung und uns belastet, Grund zur Freude an ihr und an den Spuren Gottes in ihr.

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