Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sieben Gaben werden dem Heiligen Geist in der Tradition zugesprochen. Eine davon ist die Gabe der Frömmigkeit.
Was bedeutet Frömmigkeit?
Für mich heißt es: Mich Festmachen in Gott, in Kontakt mit ihm sein, mich berühren lassen von seinem Wort und mein Tun davon inspirieren lassen.
Dabei gibt es für mich Vorbilder, Menschen, die uns im Glauben vorausgegangen sind oder, die heute laut oder leise etwas von den Spuren Gottes in der Welt sichtbar machen. Männer und Frauen, die auf ihre Weise das, was sie von Jesus und von seinem Evangelium verstanden haben auch umsetzen und tatkräftig einbringen.
In der Bibel sind es für mich besonders Prophetinnen und Propheten, die mir aufzeigen, was Frömmigkeit bedeutet. Oftmals zunächst widerspenstig und dann doch treu, folgen sie der Weisung Gottes. In schwierigen Momenten ringen sie mit Gott und halten doch an ihm fest. Sie schwimmen gegen den Strom, wo sich die breite Masse von Gott abwendet und rufen wider den Wind, wo alles verloren scheint.
So auch der Prophet Ezechiel. Er und sein Volk Israel leben in politisch schwierigen Zeiten. Zusammen mit der politischen und religiösen Oberschicht von Jerusalem wird er ins Exil nach Babylon deportiert. Zuhause hätte er die angesehene Position eines Priesters am Tempel einnehmen können. Ein sicheres und privelegiertes Leben führen. Doch Gott hat andere Pläne mit ihm. Er beruft ihn zum Propheten. Diese Begegnung mit Gott lässt Ezechiel ehrfürchtig niederfallen. Doch Gott ruft ihm entgegen: Stell dich auf deine Beine Menschensohn, ich will mit dir reden. Auf Augenhöhe will er ihm begegnen.
Diese Berufung wird ihm zur Last. Das Volk stellt die Ohren auf Durchzug. Sein Ruf zur umkehr findet kein Gehör. Die Lage wird immer desolater bis schließlich alles verloren scheint: Jerusalem ist zerstört, die Hoffnung auf Heimkehr schrumpft gegen null, das Volk am Boden zerstört.
Doch Ezechiel hält fest an seinem Gott. Er bleibt mit ihm im Gespräch. Von Gott gefragt, ob er denn glaube, dass diesem Volk noch zu helfen wäre antwortet Ezechiel: „Herr und Gott, das weißt allein du“ (Ezechiel 37,3).
Alle Achtung! Denke ich mir. Da weiß einer genau, wo seine Grenzen sind, was nicht in seiner Hand liegt. Auch das gehört für mich zu einer tiefen Frömmigkeit.
Und - dass ich Gott Gott sein lassen kann…und mich Mensch. Und dass ich ihn nicht lasse, loslasse wenn es schwierig wird sondern mich in ihm festmache und verankere. Sei es klagend oder fragend, lobend oder zweifelnd.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1434
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