Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wo immer du hingehst – habe allzeit Gott vor Augen; und wo immer du dich niederlässt – verlass diesen Ort nicht gleich wieder“.
Das hat ein Mönch gesagt. Er hieß Antonius und lebte vor langer Zeit in Ägypten, einsam in der Wüste. Er starb im Jahr 356 nach Christus und wurde 105 Jahre alt. Viele Menschen sind damals zu ihm gekommen, weil sie von ihm einen guten Rat für ihr Leben haben wollten.
„Wo immer du dich niederlässt – verlass diesen Ort nicht gleich wieder“, sagt Antonius. - Warum findet er das Bleiben an einem Ort so wichtig? Vielleicht, weil Menschen Heimat brauchen. Und Heimat braucht Zeit. Nach einem Umzug braucht es Zeit, bis alles an seinem Ort ist, bis die letzten Bilder und Lampen hängen und die letzten Kisten ausgeräumt sind. Und es braucht erst recht Zeit, bis man neue Kontakte geknüpft, neue Freundschaften geschlossen hat und sich zu Hause fühlt.
Ich denke, dass Antonius es auch noch aus einem anderen Grund wichtig findet, nicht gleich wieder aufzubrechen: Wer dauernd weiter zieht, der hat immer schon das im Blick, was kommt, der lässt sich gar nicht richtig ein auf das Hier und Jetzt, der lebt immer schon in der Zukunft, der ist nie wirklich in der Gegenwart. Das Bleiben an einem Ort, in einer Beziehung in einem Beruf schützt vor einem rastlosen und heimatlosen Leben.
Aber das Bleiben ist ganz schön schwierig, besonders für uns Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts. Es wird uns nicht leicht gemacht. Manch einer würde gerne länger an einem Ort wohnen bleiben, aber die Firma versetzt ihn von einer Stadt in die nächste. Manch einer würde gern sein Leben lang im gleichen Betrieb arbeiten, aber wie denn, wenn er nur immer befristete Arbeitsverträge bekommt? Manch einer würde gern mit seinem Partner ein Leben lang zusammenbleiben, aber was ist, wenn der Partner nicht bleiben will?
Ich denke, weil das Bleiben vielen Manchen heute oft schwer gemacht wird, ist der erste Ratschlag, den Antonius gibt, umso wichtiger: „Wo immer du hingehst – habe allzeit Gott vor Augen“. Das bedeutet: Gott ist da und geht mit mir, auch wenn ich Vieles aufgeben muss und sich manches verändert. Wenn ich nicht bleiben kann, bleibt Gott doch bei mir. Wenn mir das heimisch werden schwer gemacht wird, ist Gott so etwas wie eine Heimat für mich. Gott war von Anfang an einer der mit geht mit den Menschen. Das hat als erster der Nomade Abraham erfahren. In der Bibel wird er der „Vater des Glaubens“ genannt. Gott lädt auch uns moderne Nomaden ein, dieselbe Erfahrung zu machen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1415
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