SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW

Meistens weiß ich ziemlich schnell, was ich nicht will. Was ich will - das kann ich oft nicht so klar beschreiben.
Mit dem Glauben geht es vielen Menschen ganz ähnlich. Sie können eher sagen, was sie nicht glauben als das, was sie glauben.
Deshalb hat es mich gefreut, als ich vor einigen Jahren schon von weitem an einer Berliner Kirche lesen konnte: „Ich glaube nicht!"
Das stand da wirklich in ganz großen Buchstaben. Drunter stand noch etwas. Und erst als ich näher herangegangen bin, da konnte ich dann auch den Rest lesen: „Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, wonach ich mich so sehr sehne wie nach Gott."
Das habe ich gut gefunden, das so herum zu sagen: Ich glaube nicht...
Und seither mache ich mir immer mal wieder Gedanken darüber, was ich alles nicht glaube. Eine ganze Liste ist in der Zwischenzeit entstanden. Den Satz von der Berliner Kirche habe ich als erstes auf die Liste geschrieben.
Ein anderer ganz wichtiger Nicht-Glaubens-Satz von mir ist: Ich glaube nicht, dass ich schuldlos bin und ohne Vergebung auskomme. Das ist kein Geheimnis. Wer mich kennt, der weiß, dass ich immer wieder für einen kapitalen Fehler zu haben bin. Und oft leiden dann andere darunter. Ich muss das akzeptieren. Ich glaube nicht, dass ich schuldlos bin. Ich glaube nicht, dass ich keine Vergebung brauche. Und so wird aus meinem Nicht-Glauben der Glaube: Ich will glauben, dass es einen Gott gibt, der mir vergibt.'
Ich glaube auch nicht, dass ich ohne die Gewissheit leben könnte, dass ich Würde habe.
Ich will daran glauben, dass ich eine Würde habe, die auch dann da ist, wenn ich nichts mehr leisten kann, wenn ich nutzlos erscheine und vielleicht nicht einmal mehr weiß, wer ich bin. Aus meinem Nicht-Glauben wird Glaube, wenn ich weiterfrage: Woher kommt meine Würde? Ich glaube, dass Gott mir und jedem Menschen diese Würde verliehen hat.
Manchmal fängt das Glauben mit dem Nicht-Glauben an. Mein liebster Nicht-Glaubens-Satz steht noch gar nicht so lange auf meiner Liste. Er klingt ganz ähnlich wie der erste an der Berliner Kirche:
„Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der sich so sehr nach mir sehnt wie Gott."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13846
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