Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es ist schon ganz schön frisch geworden morgens. Die Tage werden kürzer und es ist Frühherbst oder Spätsommer - je nachdem wie man es sieht. Wechsel jedenfalls ist angesagt, Übergang und Abschied. Das ist immer auch mit Wehmut verbunden: "Summer moved on", singt die Band Aha zu melancholischen Klängen. Der Sommer zieht weiter, wo es einem doch vorkommt als hätten gerade erst die Ferien begonnen. Der Sommer, die Zeit und, ja am Schluss vielleicht sogar das ganze Leben: eine unmerkliche Vorwärtsbewegung, in ihrer Bewegung kaum spürbar und dann scheinbar plötzlich: vorbei. Da kann man schon melancholisch werden oder traurig, wenn der Sommer nicht groß und schön war, prall gefüllt mit Leben. Dann kann man missmutig werden, wenn man wieder rein muss in die Zwänge des Alltags. Betrübt wenn die Natur sich wieder zurückzieht, sich vorbereitet auf die große winterliche Leere.
Lange habe ich auch gehadert mit den Abschieden vom Sommer. Wunderschöne Herbsttage mit dem letzten Farbenrausch sich verschwendender Blätter haben mir die Abschiede erleichtert. Aber diese Skelette von Bäumen, diese Kahlheit des Winters wollte ich dann doch nicht. Ein bisschen ist es noch immer so, aber ein Gedanke macht mir den Abschied vom Sommer und auch andere Abschiede leichter. Wenn ich in den fallenden Blättern, in den kahlen Ästen die Knospen und das satte Grün sehen kann. Wenn ich mir den ewigen Kreislauf der Natur vorstelle und mich darin eingebunden sehe, und spüre, irgendwie weiß, es ist gut, es ist richtig, der kahle Ast wie das satte Grün. Denn sie gehören zusammen. Kaum jemand konnte diese Verbindung von Natur und Lebensgefühl schöner ausdrücken als Hermann Hesse, im August war sein 50. Todestag. Sein Gedicht „Welkes Blatt" möchte ich all denen mit in den Tag geben, die sich auch mit dem Abschied vom Sommer, oder überhaupt mit Abschieden, schwer tun:  

„Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden.
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.  

Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.  

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Lass es still geschehen.
Lass vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen."

 Quelle Gedicht: Hermann Hesse „Vom Wert des Alters" Hrsg. Volker Michels, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., 2007, S.108

 

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