SWR2 Wort zum Sonntag

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12AUG2012
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Sie ist eine der beeindruckendsten Frauengestalten der Kirche des 20. Jahrhunderts: Die heilige Edith Stein oder - wie sie mit ihrem Ordensnamen hieß - Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz. Vor 70 Jahren, am 9. August 1942, wurde sie grausam ermordet. Die gebürtige Jüdin starb im Alter von nur 51 Jahren in der Gaskammer von Auschwitz. Klein machen wollten die Nationalsozialisten sie. Auslöschen wollten sie ihr Leben, ganz buchstäblich sollte sie sich auflösen in Asche und Wind. Doch Edith Stein ist zur Mitpatronin Europas geworden, präsent und gegen­wärtig gerade heute! Papst Johannes Paul hat es bleibend formuliert: In „der entsetz­lichen und be­schämenden Schoah" habe Edith Stein, „die Gründe gleichsam herausge­schrien, die für Gott und den Menschen spre­chen".
In jungen Jahren entfremdet sie sich vom Glauben ihrer Väter. Von ihrem 13. bis zum 21. Lebensjahr ist sie erklärte Atheistin. Sie möchte selbst, frei und selbständig auf die Suche nach der Wahrheit gehen. Auf dieser Suche studiert sie Philosophie und wird an der Freiburger Universität Assistentin des angesehenen Professors Edmund Husserl. Da verliert sie im Ersten Weltkrieg ihren philosophischen Mentor Adolf Reinach. Dieser Tod erschüttert sie „bis ins Mark". Doch wird ausgerechnet sie beauftragt, den Nachlass ihres gefallenen Mentors zu ordnen. Sie fürchtet sich vor der Begegnung mit Reinachs junger Witwe. Selbst verzweifelt, vermutet sie, eine ebenso durch Zweifel erschütterte Frau anzutreffen. Doch Frau Reinach war gefasst und schöpfte aus ihrem Auferstehungsglauben Mut und Kraft. Diese Erfahrung war für Edith Stein, wie sie formulierte, „der Augenblick, in dem mein Unglaube zusammenbrach"[1]
Anfang der zwanziger Jahre liest sie einen Abend lang die Lebensbeschreibung der heiligen Teresa von Avila. Da fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Ab diesem Moment ist für Edith Stein klar: Sie hat im Glauben an Jesus Christus jene Wahrheit gefunden, nach der sie jahrelang so sehnsüchtig Ausschau gehalten hatte. Konsequent und geradlinig, wie sie war, zögert sie nicht lange; sie wird Christin.
Nach ihrer Taufe wird sie in Speyer Lehrerin am Mädchengymnasium der Dominikanerinnen. Hier kann sie in Verbindung mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin weiterhin wissenschaftlich arbeiten. Sie hält Vorträge und lässt andere teilhaben an dem, was sie gefunden hatte: die Wahrheit. Im Nachruf auf ihren philosophischen Lehrer Edmund Husserl fasst sie ihre eigene Erfahrung zusammen: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott; ob es ihm klar ist oder nicht." Dies ist ihr Vermächtnis an uns; eine Botschaft für die vielen Fragenden und Suchenden. Wer nach dem Sinn und Ziel des Lebens fragt, nach der Wahrheit, ist nicht weit weg von Gott.
Edith Stein gehört damit in die Reihe der großen Gottsucher, die Fragen und Zweifel zulassen und dann erleben dürfen: der Glaube an Gott engt nicht ein, sondern macht frei und ich werde immer mehr ich selbst. So wundert es nicht, dass Edith Stein viele Jahre mit Begeisterung junge Mädchen unterrichtete, denn - so sagte sie: „Erziehen heißt, andere Menschen dahin führen, dass sie werden, was sie vor Gott sein sollen." Ihnen helfen, starke Persönlichkeiten zu werden, die von Glaube, Hoffnung und Liebe getragen sind, die schließlich auch die Kraft haben, sich den Zumutungen und Belastungen des Lebens zu stellen.
Diese Zumutungen blieben auch im Leben von Edith Stein nicht aus. Sie stellte sich dem Ruf der Nachfolge und trat in den Karmel in Köln ein. Als Name wählte sie in der Tradition dieses beschaulichen Ordens: Teresia Benedicta a Cruce - Teresia, die „Gesegnete vom Kreuz". Dieses Geheimnis des Kreuzes sollte sie bis zum Letzten leben. Am 7. August 1942 wurde sie von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert, wo sie zwei Tage später, am 9. August, in der Gaskammer Christus gleich wurde im Tod. „In ihrem Martyrium", so sagt Papst Benedikt, „erstrahlt der Glanz jener Liebe, die alle Finsternis des Egoismus und des Hasses überwindet."

 [1] Elisabeth Kawa, Edith Stein. „Die vom Kreuz gesegnete", Berlin 1953, 22.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13588
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