Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Muttertag. Manche tun da ein wenig verlegen so, als ob sie mit diesem Tag nichts zu tun haben möchten. Ich wollte das auf die Probe stellen und gab vor, auf den Muttertag eine Gemeindeveranstaltung zu legen. Massiver Protest: Wie können Sie nur . . .  da ist doch Muttertag! Also doch. Mütter reagieren auf diesen Tag eher gelassen: Wenn er dazu verhilft, auch die übrigen 364 Tage des Jahres ein bisschen mehr zu Muttertagen zu machen, dann soll es recht sein. Wie immer man zu diesem Tag steht - eines fällt auf: Jeder möchte eigentlich gerne seiner Mutter danken, ein Lob für sie übrig haben. Mir geht es nicht anders. Ich danke deshalb allen Frauen, die Mutter sind oder sich mütterlich um andere kümmern: zuhause in der Familie oder allein stehend und allein erziehend, den Frauen für ihren Dienst an alten, kranken, behinderten Mitmenschen. Vielleicht fällt dieses Danke manchem am Muttertag leichter, ist es doch sonst eines der Worte, die wir nur mühsam über die Lippen bringen. Und ich füge dem Danke noch ein Wort des Dichters Franz Grillparzer (1791-1872) hinzu: „Weil Gott nicht überall sein konnte, darum schuf er die Mütter." - Auf jeden Fall schwingt hier etwas mit, was Gott und mütterliche Frauen gemeinsam haben: Die Sorge für die Ihren, immer zuerst an die andern denken, in der Nähe sein, Geborgenheit schenken, ermutigen - aber auch verzichten, loslassen können. Haltungen, die auch uns Männern gut anstehen. Nur dass die Frauen dies zu erproben mehr Gelegenheit hatten und den längeren Atem zu haben scheinen. Wenn Gott sich uns Menschen zuwendet, dann nennen wir das: „Barmherzigkeit". Man bedenke: Das hebräische Wort für „Barmherzigkeit" heißt ursprünglich „Mutterschoß" - aus mütterlicher Liebe kommende Sorge und Güte. (vgl. Deuteronomium 32,18; Numeri 11,11-13) Ganz in diesem ursprünglichen Sinn verkündet und lebt Jesus seine Botschaft von Gott. Wenn er davon spricht, grenzenlos gütig zu sein, den Nächsten voraussetzungslos zu akzeptieren, ihm bedingungslos zu vergeben - dann verkündigt Jesus einen Gott mit mütterlichen Zügen. Diese mütterlichen Züge in Jesu Gottesbild waren jedoch lange in den Hintergrund geraten. Die Marienfrömmigkeit - besonders in der katholischen und in der orthodoxen Kirche - sie weist darauf hin, dass etlichen der Gedanke durchaus vertraut ist: ein Gott mit mütterlichen Zügen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13026
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