SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

Wir brauchen den Sonntag. Er unterbricht den Rhythmus des Alltags. Er kann ein Raum der Ruhe sein, in dem man die Arbeit lassen und sich von den Zwängen des Alltags frei fühlen kann. Er schafft Zeit für die Familie, für die Pflege von Freundschaften, für Lesen und Wandern, für Musik und Feste und vieles Andere, das in der Woche zu kurz kommt. Und natürlich: Er macht es auch möglich, dass sich die christliche Gemeinde versammeln, gemeinsam hören, beten, singen und Gemeinschaft erfahren kann. Der Sonntag ist ein Segen!
So selbstverständlich ist das allerdings nicht. Zwar ist der Sonntag geschützt - als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung, wie es in der Sprache der Weimarer Verfassung heißt Aber viele Ausnahmen sind möglich und viele von ihnen sind auch nötig. Sie reichen vom Verkehr über die Gastronomie, über den Sport, bis zu den ärztlichen und pflegerischen Diensten. In der Industrie werden aus technischen oder auch aus Gründen des Wettbewerbs manche Maschinen sonntags nicht angehalten, was Schichtarbeit zur Folge hat. In den meisten Großstädten gibt es die verkaufsoffenen Sonntage. Für viele Menschen ist der sonntägliche Einkaufsbummel zu einem Freizeitvergnügen geworden. Hier sehen die Kirchen die Gefahr, dass das menschenfreundliche Kulturgut des Sonntags immer mehr verloren geht.
Mit einem bemerkenswerten Satz hat sich Jesus zum Ruhetag geäußert. Die Jünger waren hungrig und hatten unterwegs einige Ähren abgerissen und die Körner gegessen, was erlaubt war. Dennoch wurde das heftig kritisiert. Denn die Jünger haben ihren Hunger auf diese Weise am Sabbat gestillt. Jesu Antwort auf die Kritik war: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. Der Sabbat für den Menschen! Er tut Menschen gut; sie brauchen ihn. Damit nimmt Jesus auf, wie im Alten Testament der Ruhetag gesehen wird:
Am 7. Schöpfungstag ruhte Gott, heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Gott hat seine Schöpfung damit vollendet, dass er das Geschenk der Ruhe in sie gegeben, und Menschen sollen an ihr teilhaben. Das heißt dann, dass Arbeit erst vollständig ist, wenn sie von Ruhe immer wieder abgelöst wird.
Das biblische Ruhegebot hat auch eine soziale Seite: Die abhängigen Arbeitskräfte, wehrlose Sklaven, aber auch die eigenen Kinder, Fremde, selbst die Tiere sollen am 7. Tag frei von Arbeit sein und Zeit zur Erholung finden. Diese Begründung zielt auf soziale Verantwortung vor allem für die schwächeren Glieder einer Gemeinschaft.
Der Ruhetag soll aber auch eine Erinnerung an das Grundereignis im Glauben Israels, an die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten sein, in der Israel bis heute die bleibende Zuwendung Gottes zu seinem Volk erkennt. - In der christlichen Tradition wurde aus dem Sabbat der Sonntag, der Tag der Auferstehung Christi. Sie bewirkt die Befreiung zu einem neuen Leben, zu einem Leben in Vertrauen und Hoffnung, Hoffnung auch noch gegen den Tod. So führt die Erinnerung an Befreiung durch Gott Juden und Christen zum Kern ihres Glaubens und verleiht so dem Ruhetag ein besonderes Gewicht.
Der Mensch ist aber nicht für den Sabbat gemacht! Das heißt dann: Menschenfreundliche Regelungen, nicht ein starres Gesetz sollen die Gestaltung des Ruhetages bestimmen. Was Menschen gut tut und letztlich nicht auf eine Abschaffung des Sonntags hinauslaufen würde, kann am Ruhetag auch geschehen. Der Segen des Sonntags schließt die Freiheit ein, die Freiheit, immer neu zu prüfen, wie man sinnvoll mit dem Ruhetag umgeht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12955
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