SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

Ostermontag

Teil 1. Was will der Kultursommer mit der Religion

Jürgen Hardeck kommt gerade von einem Termin im Ministerium. Im Büro hängen große Kalender und Tabellen mit Aufgaben, die noch erledigt werden müssen, bevor es Anfang Mai losgeht. Dann wird in Frankenthal der diesjährige Kultursommer unter dem Motto „Gott und die Welt" eröffnet. Über 250 Veranstaltungen drehen sich dann um das Verhältnis von Religion und Kunst. Jürgen Hardeck ist eigentlich erstaunt, dass es 21 Jahre gedauert hat, bis Gott und Religion beim Kultursommer im Mittelpunkt stehen.

Also, dass wir mal so ein Motto machen müssen, war uns eigentlich immer schon klar, denn letzten Endes kommt ja alle Kunst aus der Sphäre des Religiösen, des Rituals. Kunstgeschichte und Religionsgeschichte sind seit Jahrtausenden eng miteinander verbunden.

Jürgen Hardeck ist Religionswissenschaftler, er muss das wissen. Musik, Theater und bildende Kunst war schon immer ein Mittel, mit Gott und mit seinem eigenen Ich in Kontakt zu kommen. Und er weiß, dass in diesem Jahr in Rheinland Pfalz einige bedeutende religiöse Feste stattfinden, Zum Beispiel die Heilig Rock-Tage in Trier, achthundert Jahre Abtei Marienstatt oder die Luther-Dekade der evangelischen Kirche. Aber ich spüre ganz deutlich, dass er den Kultursommer nicht als PR-Veranstaltung für die christlichen Kirchen sieht:

 es gibt auch religionskritische Beiträge im diesjährigen Kultursommer, wie alle Religionen eingeladen sind, sich aktiv an der Gestaltung des Kultursommers zu beteiligen. 1046

Zum Beispiel in der Nacht der Religionen. Musica Sacra - also heilige Musik ist ihr Thema. Musik kommt ohne Sprache aus, und kann deshalb eine Brücke zu den anderen Religionen und Kulturen bilden.  Ich kann mir das gut vorstellen: Wenn orthodoxe Männerchöre gemeinsam mit kongolesischen Gospelsängern singen, und wenn dann noch islamische Musiker und buddhistische Maskentänzern dazukommen, ihre Spiritualität durch  Musik ausdrücken, dann hilft Kunst ganz bestimmt, den Respekt der Religionen untereinander zu fördern. Auch Jürgen Hardeck sieht das so: Keine Religion hat die alleinige Wahrheit für sich gepachtet, findet er. Das ist wie in der Geschichte, mit den sechs Blinden, die einen Elefant betasten und beschreiben sollen:

jeder kriegt ein anderes Stück zu fassen, ein Bein, den Rüssel, den Rücken und jeder beschreibt dann sozusagen wie der Elefant ist, aber natürlich hat keiner von ihnen den ganzen Elefant betastet und deswegen, unsere Erkenntnis bleibt Stückwerk, das wusste übrigens schon der Apostel Paulus und wenn man so klug ist, das zu wissen wird man mit vielleicht auch toleranter und in dem Sinne können wir auch von den asiatischen. Religionen lernen. 1049

 

Das sagt der Religionswissenschaftler und Sinologe, Jürgen Hardeck. Aber Toleranz gegenüber anderen Religionen heißt doch nicht, dass alles irgendwie gleich wichtig und gleich richtig ist. Toleranz, so wende ich ein, braucht auch Standpunkte und Positionen. Genau, sagt Hardeck. Und deswegen müssen wir in Westeuropa uns auch wieder neu über die christliche Religion verständigen:

ich glaube, dass die Religion selbst für Menschen, die sich von ihr verabschiedet haben, immer noch eine große Bedeutung haben kann. Ich hab ein bißchen Sorge, dass wir zu leicht bereit sind, das Kind mit dem Bade auszuschütten, in dem wir vergessen, wie sehr unsre komplette kulturelle Tradition von religiösen Motiven geprägt ist, dass wir diese Symbole überhaupt nicht mehr verstehn, ich kenne viele Leute, die kennen Werbespots besser als Bibelstellen.

Musik:

Teil 2. Was erwartet Jürgen Hardeck von der Religion

Jürgen Hardeck war früher mal Ministrant. Er kennt also die Riten der katholischen Kirche. Später hat er vergleichende Religionswissenschaften und fernöstlichen Philosophien studiert. Jetzt ist er Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Kultursommers und trifft buchstäblich Gott und die Welt, weil sich das Festival in diesem Jahr mit der Verbindung von Kunst und Religion beschäftigt. Er selbst beobachtet die Religion aber eher von außen. Gläubig ist er nicht:

Nicht mehr im traditionellen Sinne. Ich mag die Etiketten nicht, aber wenn man mir ein Etikett anhängen möchte, dann bin ich wahrscheinlich schon ein Agnostiker, allerdings einer mit größtem Respekt vor den religiösen Traditionen der Menschheit.

Ich frage mich, ob seine Distanz zum Glauben daher rührt, dass er so viele Religionen  studiert hat. Er kennt ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile.

Sie sind ambivalent - sie haben zerstörerische und gefährliche Züge in sich, sie haben aber auch sehr viele konstruktive Züge in sich und ich möchte ungern das Wertvolle verlieren, was wir in den religiösen Traditionen der Menschheit finden können. Deswegen ist auch mein Interesse an dem Phänomen Religion ungebrochen.

Als ambivalent empfinde ich in unserem Gespräch auch Jürgen Hardecks Verhältnis zum Glauben. Auf der einen Seite sieht er den großen kulturellen Schatz, den die christliche Religion hervorgebracht hat: Händels Oratorien zum Beispiel, Messen von Mozart, oder auch die Gemälde von Dürer, Cranach und Michelangelo. Auf der anderen Seite hat er sich vom Glauben emanzipiert. Er sieht den Glauben aus dem Blickwinkel der modernen Philosophie - Religion verlagert für ihn die inneren Sehnsüchte des Menschen auf ein höheres Wesen, auf Gott. Aber trotzdem sieht Hardeck auch die Stärken der Religionen. Wenn sie sich auf ihre innersten Werte besinnen, dann sind  sie für Jürgen Hardeck eine Orientierung für eine menschenfreundliche Weltordnung:

Ich bin Humanist und ich würde sagen, diese menschlichen Sehnsüchte und Hoffnungen, die muss man auch sehr ernst nehmen. Wir wünschen uns eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit und der Liebe, Und das sind Ziele, die die Religionen propagieren und diese Ziele sind ja richtig und gut (und deswegen glaube ich, ganz im Sinne von Prof hans Küng und seinem projekt weltethos) Wir brauchen den Dialog der Religionen für den Frieden in der Welt für eine gerechte Welt. Wir brauchen sie noch.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12851
weiterlesen...