Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Meine katholische Großmutter ist für mich so etwas wie ein Heilige.
Als kleines Kind hatte ich ihr oft zugesehen wie sie den Rosenkranz betete.
Abends im Wohnzimmer, vor dem Zubettgehen. Dann musste ich ganz still sein, bis sie zu Ende gebetet hatte. Danach durfte ich ihr dann meine Tagesgeschichten erzählen.
Später, als ich evangelische Theologie studierte, war mir das mit dem Rosenkranz- beten nicht mehr so geheuer. Dennoch: Durch das Rosenkranzbeten meiner Großmutter hatte ich so etwas wie die Ehrfurcht vor dem Gespräch mit Gott erfahren. Und daran denke ich besonders heute an Allerheiligen gern zurück.
Vor einigen Jahren fand ich den Rosenkranz meiner Großmutter auf einem Werbeplakat wieder.
Ein junger Mann, bärtig, halbnackter muskulöser Oberkörper, Kopfband wie ein Hippie, hält mit ausgestrecktem Arm andächtig ein Jesus-Kreuz vor sich. Um seine Arme herum hängt eine Perlenkette. Klar, das war ein Rosenkranz wie ihn meine katholische Großmutter hatte.
Genial, dachte ich, da waren Profis am Werk: Ein halbnackter, muskulöser Bursche, von dem man denkt: der kann auch (mal) hart zuschlagen, gerade der hat ein religiöses Andachts-Symbol in der Hand. Ein Andachts-Symbol, das doch eigentlich nur noch alte Leute benützen. Starkes Bild.
Und ganz rechts unten am Bildrand zwei kleine Worte: „test it!“ Klar, damit waren Zigaretten gemeint. Aber ich sah wieder meine Großmutter vor mir. "Versuchs mal", sagte damals zu mir, "test it! Du wirst spüren, dass Gott dir ganz nahe kommt. Nimm das Kreuz in die Hand und schau, was mit dir passiert. Was das Kreuz aus der geballten Kraft deiner Faust macht. Spüre im Gespräch mit Gott wie du ruhig wirst. Nachdenklich. Zuversichtlich. test it!" Und so habe ich gelernt, im Gebet mit Gott die heilende Kraft des Himmels zu erfahren. Ich weiß heute wie heilsam Beten ist, und dass es manchmal eine geballte Faust öffnet.
Eine Gebetskette wie meine Großmutter brauche ich heute dazu nicht. Aber Menschen wie sie, die mir die Ehrfurcht vor dem Beten nah bringen, schon. Oder die Ehrfurcht vor dem, was Gott von mir will. Und das sind für mich die Heiligen: Die mitten im Alltag ein Stück Himmel auf die Erde bringen. Wie meine Großmutter. Wir Protestanten beten zwar nicht zu ihnen. Aber wir freuen uns, dass es so wunderbare Menschen gibt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=110
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Abends im Wohnzimmer, vor dem Zubettgehen. Dann musste ich ganz still sein, bis sie zu Ende gebetet hatte. Danach durfte ich ihr dann meine Tagesgeschichten erzählen.
Später, als ich evangelische Theologie studierte, war mir das mit dem Rosenkranz- beten nicht mehr so geheuer. Dennoch: Durch das Rosenkranzbeten meiner Großmutter hatte ich so etwas wie die Ehrfurcht vor dem Gespräch mit Gott erfahren. Und daran denke ich besonders heute an Allerheiligen gern zurück.
Vor einigen Jahren fand ich den Rosenkranz meiner Großmutter auf einem Werbeplakat wieder.
Ein junger Mann, bärtig, halbnackter muskulöser Oberkörper, Kopfband wie ein Hippie, hält mit ausgestrecktem Arm andächtig ein Jesus-Kreuz vor sich. Um seine Arme herum hängt eine Perlenkette. Klar, das war ein Rosenkranz wie ihn meine katholische Großmutter hatte.
Genial, dachte ich, da waren Profis am Werk: Ein halbnackter, muskulöser Bursche, von dem man denkt: der kann auch (mal) hart zuschlagen, gerade der hat ein religiöses Andachts-Symbol in der Hand. Ein Andachts-Symbol, das doch eigentlich nur noch alte Leute benützen. Starkes Bild.
Und ganz rechts unten am Bildrand zwei kleine Worte: „test it!“ Klar, damit waren Zigaretten gemeint. Aber ich sah wieder meine Großmutter vor mir. "Versuchs mal", sagte damals zu mir, "test it! Du wirst spüren, dass Gott dir ganz nahe kommt. Nimm das Kreuz in die Hand und schau, was mit dir passiert. Was das Kreuz aus der geballten Kraft deiner Faust macht. Spüre im Gespräch mit Gott wie du ruhig wirst. Nachdenklich. Zuversichtlich. test it!" Und so habe ich gelernt, im Gebet mit Gott die heilende Kraft des Himmels zu erfahren. Ich weiß heute wie heilsam Beten ist, und dass es manchmal eine geballte Faust öffnet.
Eine Gebetskette wie meine Großmutter brauche ich heute dazu nicht. Aber Menschen wie sie, die mir die Ehrfurcht vor dem Beten nah bringen, schon. Oder die Ehrfurcht vor dem, was Gott von mir will. Und das sind für mich die Heiligen: Die mitten im Alltag ein Stück Himmel auf die Erde bringen. Wie meine Großmutter. Wir Protestanten beten zwar nicht zu ihnen. Aber wir freuen uns, dass es so wunderbare Menschen gibt.
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