SWR4 Abendgedanken BW

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Gerade ist es mir gelungen, beim Einkaufen ein Schnäppchen einzufangen, da vergeht mir die Freude darüber schon wieder. Denn mein Kollege hat das gleiche erworben, aber noch viel günstiger. Sie kennen das vielleicht: Wenn man anfängt zu vergleichen, beginnt das Glück zu schwinden. Mit dem Vergleichen fängt die Unzufriedenheit an. Denn plötzlich beginnt der Gedanke an mir zu nagen, dass ich nicht genug abbekommen habe von dem, was das Leben bereit hält. Ein Gedicht beschreibt meine Situation so:

„Es wohnen drei in meinem Haus:
das Ich, das Mich, das Mein.
Und will von draußen wer herein,
so stoßen Ich und Mich und Mein
ihn grob zur Tür hinaus."

Dieser Vers von Mascha Kaleko zeigt an, warum ich neidisch bin. Alles dreht sich um mich, andere kommen höchstens als Konkurrenten in den Blick.
In biblischen Erzählungen begegnet uns diese Situation auch. Jesus erzählt einmal, wie sich Arbeiter, die den ganzen Tag in der Sonnenhitze im Weinberg gearbeitet haben, darüber beschweren , dass sie am Abend den gleichen Lohn bekommen wie andere, die erst am Spätnachmittag dazu gekommen sind. Natürlich haben sie Grund, auf die anderen neidisch zu sein. Neid entsteht immer dort, wo man das Gefühl hat, anderen gegenüber ungerecht behandelt zu werden, und das passiert oft.
Jesus meint aber, dass vor Gott niemand Grund hat, auf andere neidisch zu sein. Denn jeder bekommt zum Leben, was er braucht. Dabei sind die Begabungen ganz verschieden: der eine ist ein Supersportler, und der andere hat besonders geschickte Finger, wenn etwas zu reparieren ist. Die eine hat eine Engelsgeduld mit schwierigen Menschen, und die andere findet auch in auswegsloser Lage immer wieder ein hilfreiches und aufmunterndes Wort. Jeder Mensch ist anders und unterschiedlich. Aber jeder hat von Gott die Gaben, die zum Leben wichtig sind. Das kann mir helfen, wenn der Neid mich unzufrieden machen will.
Und wenn ich die Begabungen, die Gott mir gegeben hat, für mich und für andere einsetze, dann wird es hell um mich herum, wie es Mascha Kaleko im 2. Vers ihres Gedichts beschreibt:

„Stockfinster ist es in dem Haus,
trüb flackert Kerzenschein,
Herr, lass dein Sonnenlicht herein!
Dann geht dem Ich, dem Mich, dem Mein das fahle Flämmchen aus."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10397
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