SWR4 Abendgedanken RP

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Unser neuer kleiner Hund hält uns rund um die Uhr auf Trab. Seine Lieblingsbeschäftigung ist der Versuch Möbel anzuknabbern oder an den Gardinen zu ziehen. Fips, unser kleiner Terrier, hört längst nicht auf alles, was wir von ihm wollen. Er geht seine eigenen Wege. So sind wir immer hinter ihm her, damit er nichts zerstört oder gar sich selber verletzt. Denn in einen Stromkabel zu beißen ist nicht ganz so gut. Hunde haben ein viel feineres Gehör als wir Menschen. Ein Hund kann bedeutend höhere Frequenzen wahrnehmen und Geräuschquellen sogar dreidimensional orten. Er hört also sehr gut. Dann aber scheint er wieder schlecht oder gar nicht zu hören, wenn ich möchte, dass er zu mir kommt, sich aber schwanzwedelnd unter dem Sofa versteckt. Mit dem Hören ist das so eine Sache. Wir Menschen haben ein gutes Gehör. Sind die Ohren erkrankt oder im Alter geschwächt, spürt ein Mensch, wie wichtig es ist, hören zu können. Wenn ich morgens erwache, höre ich die Vögel singen und kann mich daran erfreuen. Und manchmal gelingt es mir, dass nicht als selbstverständlich hinzunehmen. Wie unser kleiner Hund ist mein Hören aber nicht immer sensibel genug. Ich höre zwar rein organisch, aber ich höre doch nicht. Diese Fastenzeit, die ich mit allen Sinnen erleben möchte, kann eine Hörzeit werden, wenn ich aufmerksam darauf achte zuzuhören. Tagtäglich begegnen mir so viele Menschen. Mit manchen von ihnen komme ich ins Gespräch. Für mich als Seelsorger hat das Gespräch eine besondere Bedeutung. Dann geht es mehr darum zu hören, zuzuhören, als selber zu reden. Dass ist eine Kunst, den anderen zu Wort kommen zu lassen, seine Worte zu hören, zwischen den Zeilen zu hören. Um unserem Terrier das Hören beizubringen ist es wichtig, ihn zu loben, wenn es gelingt. Strafe und Tadel erzeugt das Gegenteil. Vielleicht müssen wir Menschen, die wir heute eher auf einen Bildschirm eingestellt sind, wieder neu lernen aufeinander zu hören. Wenn ich hinhöre, dann spürt mein Mitmensch Interesse an seinem Leben. Das tut gut. Probieren Sie es doch einfach mal aus und hören sie bewusst einander zu. Vielleicht schon heute Abend, wenn Ihr Partner, Ihre Partnerin, Ihnen etwas erzählen möchte oder der Nachbar klingelt, weil ihm die Decke auf den Kopf fällt. Gelegenheiten zum Zuhören gibt es genug. Und wie sagt Jesus so treffend: Wer Ohren hat zum Hören der höre!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10226
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