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SWR1 3vor8

03MRZ2024
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Von wegen sanft, von wegen friedfertig! Es gibt ein paar Geschichten in der Bibel, die fromme Christen vielleicht nicht so gerne erzählen. Weil sie einen Jesus zeigen, der so gar nicht zum Bild des immer sanften, lieben Menschenfreunds passt, das so gern gemalt wird. Die vielmehr über einen Mann berichten, der sich respektlos benimmt, ja, der sogar zu Gewaltausbrüchen fähig ist. So eine Geschichte ist zumindest heute in den katholischen Kirchen zu hören. (Joh 2,13-25). Erzählt wird, wie Jesus nach Jerusalem geht. Er will das jüdische Paschafest mitfeiern. Als er in den Vorhof des Tempels kommt, ist dieser, wie üblich zu dieser Zeit, voll mit Händlern, die alles Mögliche, vor allem aber Opfertiere anbieten. Die werden nämlich im Tempel gebraucht. Damals nichts Besonderes. Auch Jesus wusste das. Nur dieses Mal nervt es ihn offenbar ganz gewaltig. Im Tempel, so meint er, habe so etwas nichts verloren. Nicht mal im Vorhof. Es ärgert ihn so, dass er anfängt zu wüten. Er wirft die Stände der Händler um, macht sich sogar eine Geißel und drischt damit auf die Leute ein. Zugegeben, sympathisch und vorbildlich wirkt so ein Ausraster nicht gerade. Manche Gelehrten meinen, dass er mit dieser Aktion überhaupt erst in den Fokus der damaligen Behörden geraten sei. Als potenziell gefährlicher Unruhestifter.

Wie dem auch sei. Geschichten wie diese eignen sich hervorragend, um mit dem Finger auf Christinnen und Christen zu zeigen. Um zu sagen: Da habt ihr's doch! Derjenige, den ihr da immer als leuchtendes Vorbild hinstellt, war auch nicht besser als alle anderen. Für mich erscheint Jesus hier aber vor allem als Mensch. Einer wie Sie und ich. Einer, der Emotionen hatte, die auch mal mit ihm durchgegangen sind. Weil er für seine Sache zutiefst gebrannt hat. Und weil ihm dieser Ort der Begegnung mit Gott viel zu wichtig, ja heilig war, um auch als Platz für Geschäftemacher durchzugehen. Und das macht ihn für mich dann doch zum Vorbild.

Im kollektiven Gedächtnis ist letztlich auch nicht diese Episode hängen geblieben, sondern Sätze von ihm wie „Liebt eure Feinde und tut Gutes denen, die euch hassen“, oder „Selig die Sanftmütigen, denn ihnen gehört das Himmelreich“. Sätze für die Ewigkeit. Allein das schon spricht für sich. Und wie die Bibel es schildert, hat er das auch nicht nur gesagt. Er hat es gelebt und ist sogar dafür gestorben. Am Ende kommt es auf die Gesamtbilanz eines Lebens an. Jedes Lebens. Auch meines eigenen. Denn sie ist es, die vor Gott zählt, den Jesus liebevoll Abba, Papa, genannt hat.

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SWR4 Sonntagsgedanken

25FEB2024
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Auch der wunderbarste Urlaub geht leider irgendwann zu Ende. Oft komme ich randvoll mit Eindrücken, Bildern, Gefühlen nach zwei Wochen wieder nach Hause. Und dann: Macht sich ganz oft ein Gefühl von innerer Leere, ja Enttäuschung breit. Der leider oft triste Alltag hat mich wieder. Und in den muss ich mich nun wieder einklinken, ob ich will oder nicht. Es ist etwas, das ich auch bei anderen Anlässen immer wieder erlebe. Da war etwa das tolle Fest, von dem ich ganz beseelt nach Haus gekommen bin. Die Begegnung mit einem Menschen, die mich so gefesselt hat oder das Konzert, das noch lange in mir nachgeklungen ist. Oft schlafe ich nach so einem Erlebnis schlecht, weil es so vieles in mir aufgewühlt hat. Und wie oft habe ich selbst in solchen Momenten gedacht, was Goethe seinen Helden Faust mal so treffend sagen lässt: „Augenblick verweile doch, du bist so schön!“ Aber das geht nicht. Dem tragischen Helden in Goethes Stück gelingt das nicht - und mir leider auch nicht. Manch einer versucht dann, sich solche Hochgefühle immer wieder zu verschaffen. Lässt keinen Event aus, keine Party. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. Das kann wie eine Sucht sein, eine fast verzweifelte Suche nach dem Augenblick, der sich so großartig anfühlt und doch so schnell vorbei ist.

Alles, was im Leben passiert, das gibt es natürlich auch im Glauben. Spirituelle Höhenflüge etwa. Das Gefühl, Gott für einen Moment ganz nahe zu sein. Vielleicht in einem Gottesdienst, der meine Seele berührt. In der Stille, wenn ich in einem Kloster ein paar Einkehrtage mache. In der Begegnung mit anderen. Im gemeinsamen Feiern, Singen, Beten. Wer sowas je erlebt hat, möchte es am liebsten festhalten. Aber auch der Augenblick ist flüchtig. Auf spirituellen Höhenflügen mag ich zwar spüren, dass Gott mir ganz nah ist. Doch wie oft erscheint mir Gott im Alltag auch unendlich weit weg, und schweigt?

Von so einem Höhenflug erzählt eine ziemlich seltsam anmutende Geschichte in der Bibel. Jesus und drei seiner Jünger steigen darin auf einen Berg um zu beten. Oben angekommen haben sie eine spirituelle Vision, die es sich mit normalen Worten offenbar gar nicht beschreiben lässt. Simon Petrus, einer der drei, ist jedenfalls so schwer beeindruckt, dass er da oben gleich ein paar Hütten bauen will. Er will das Erlebte festhalten. Will es bewahren. So soll es immer bleiben. Jesus aber macht ihm klar, dass das Unsinn ist. Denn solch mitreißende Höhepunkte sind eher wie funkelnde Juwelen, herausragend und außergewöhnlich. Das Leben dagegen wird in den Mühen des Alltags gelebt. So wie mein Glaube. Und genau da muss er sich auch bewähren.

 

 

 

 

Aber wie kann das gehen? Wie die Begeisterung aufrecht halten in den Niederungen des normalen Alltags? Wie die Begeisterung für meinen Job, den ich mir ja mal bewusst ausgesucht habe. Wie die Liebe zum Partner oder zur Partnerin, wenn der Honeymoon vorbei ist und Kinder und Karriere alle Kräfte aufsaugen. Und wie die Begeisterung für den Glauben? Wenn mir die Zweifel kommen, ob es ihn wirklich gibt, diesen Gott. Und wenn die Art, wie meine Kirche sich mitunter präsentiert und mit Menschen umspringt, mir die Freude am Glauben verdirbt. Weil ihre Botschaft so nicht mehr glaubwürdig ist. Wie also kann ich sie aufrechthalten, die Begeisterung, die mal war?

Ich glaube, mein Beruf würde mir tatsächlich keine Freude mehr machen, wenn ich mich nur noch frage: Warum tust du das eigentlich? Wenn ich nicht immer wieder auch spüren würde: Doch, es lohnt sich morgens aufzustehen, mich anzustrengen, auch mal Überstunden zu machen, wenns nötig ist. Weil es da tolle Kolleginnen und Kollegen gibt, mit denen zu arbeiten einfach Freude macht. Und weil das, was wir gemeinsam schaffen, unser Ergebnis, unser Produkt, echt klasse ist. Etwas, auf das ich stolz sein kann.

Auch wer liebt braucht im Alltag immer wieder Momente, die mir und dem anderen zeigen: Du bist mir wichtig. Das müssen gar nicht die großen Worte sein. Kleine Gesten reichen. Eine zärtliche Berührung, eine kleine Aufmerksamkeit. Ein waches Gespür dafür, wie es dem anderen gerade geht.

Und der Glaube? Für mich ist es ähnlich wie bei der Liebe. Glauben heißt ja darauf zu vertrauen, dass es mehr gibt als das, was ich jeden Tag sehe. Um etwas von Gott zu erahnen braucht es dann gar nicht mehr die große überwältigende Vision. Wer glaubt und mit offenen Augen durch die Welt geht, der wird Gottes Spuren in seiner Schöpfung entdecken. In allem also, was mir Tag für Tag begegnet. Im Schönen natürlich. Im Lächeln, das mir die Kollegin schenkt. Im freundlichen Gespräch mit der Schaffnerin im Zug. In der Natur, die nun langsam aus dem Winterschlaf erwacht. Aber immer auch im Verstörenden. So, wie im Gesicht des Obdachlosen, der neben dem Eingang des Kaufhauses in seinem Schlafsack liegt. In den Augen der Kriegsopfer, die gerade mit dem Leben davongekommen sind. Wenn es mir unverhofft dann doch mal begegnen sollte, das große, überwältigende Erlebnis, dann will ich es auskosten, so gut es geht. Wie einen kleinen Vorgeschmack des Himmels. Und die Erinnerungen daran, die nehme ich mit, als Proviant für die Seele. Mit in die Niederungen meines ganz normalen Alltags.

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SWR1 Begegnungen

28JAN2024
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Marcus Grünewald Copyright: Bistum Mainz/Hoffmann

… und mit Marcus Grünewald. Seit zwei Jahren ist er der Umweltbeauftragte des Bistums Mainz und der erste, der diese Aufgabe auch hauptamtlich übernimmt. Darin kommt zum Ausdruck, dass Umwelt- und Klimaschutz eben kein Neben-Thema mehr ist, sondern etwas, das drängt und das ins Zentrum gehört. Nicht nur, weil es der Gesetzgeber inzwischen so vorschreibt, sondern weil es für Christinnen und Christen selbstverständlich sein muss, die Schöpfung so gut es geht zu schützen, statt sie immer weiter zu ruinieren. Und da hat sich in den letzten Jahren offenbar Einiges zum Besseren verändert.

Also das Bewusstsein, dass wir handeln müssen, das ist da und da gibt es auch kaum noch Diskussionen darüber. Problematisch ist, wie überall: die Kolleginnen und Kollegen sind bis an die Grenzen der Belastbarkeit in Arbeit. Aber dieses: „Ja bleib mir vom Leib. Umweltschutz brauchen wir nicht.“ Das hat sich radikal geändert, das ist klar.

Nun weiß ich aber auch als Privatmann, dass wirksamer Klimaschutz nicht nur Arbeit macht, sondern auch richtig teuer sein kann und die finanziellen Spielräume der Kirchen werden gerade drastisch enger.

Bei den finanziellen Mitteln ist es einfach auch ein Rechenexempel. Wenn ich Photovoltaik installiere, dann muss ich in Vorleistung gehen. Aber die Einsicht, dass unser Handeln in fünf, zehn, 15 Jahren viel, viel teurer kommt, die ist da und trotzdem bleibt es eine Gratwanderung zwischen dem, was wir müssten und sollten und dem, was wir können.

Und wie kann ich mir das vorstellen, was ein kirchlicher Umweltbeauftragter so tut?

Mein Hauptauftrag ist die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes. Wir wollen bis spätestens 2045 klimaneutral sein und dieses Konzept in Aktionen, in Projekte zu übersetzen, das ist mein Hauptauftrag. Es gibt die Möglichkeit, besonders interessante Projekte zu Leuchtturmprojekten zu machen, die wir auch finanziell unterstützen. Und letztlich kann ich fachliche Kompetenz vermitteln. Und da kommt mir auch mein zweiter Arbeitsplatz an der TH in Bingen zugute. Da sitzt die geballte Fachkompetenz.

Denn seit vielen Jahren schon arbeitet er als Studierendenseelsorger an der Technischen Hochschule Bingen, wo sie unter anderem auch intensiv zu Umwelt- und Klimaschutz forschen.

Mir wird schnell klar, dass Marcus Grünewald keiner sein will, der mit erhobenem Zeigefinger rumläuft und andere damit nervt, was sie alles immer noch falsch machen.

Ich will mit allem, was ich tue, ein Angebot machen, und das ist eine Gratwanderung. Nicht zu viel, die Menschen auch nicht bedrängen, sondern immer wieder sagen: Ich mach dir ein Angebot, das du annehmen oder auch ablehnen kannst. Und trotzdem können wir noch gut miteinander umgehen.

Für mich ist das katholisch im besten Sinne. Immer wieder klar zu sagen, was ist und was Not tut und trotzdem leben und auch den anderen leben lassen. Und das Gottvertrauen haben, dass das Richtige sich am Ende dennoch durchsetzen wird.

Nun erlebe ich ja selbst, dass ich zwar viel darüber weiß, wie ich umwelt- und klimaschonender leben könnte – es aber oft genug nicht mache. Das geht vielen so. Warum eigentlich?

Weil wir alle Menschen sind. Ich auch. Wir sind alle Menschen mit unseren Routinen, aus denen es ganz schwer fällt auszubrechen. Mit unseren Bequemlichkeiten, vielleicht auch mit unseren Ängsten, dass wir da vielleicht ein Stück Lebensqualität verlieren. Ich kann es aus meiner Sicht verstehen. Auch mir geht es so, dass ich immer wieder denke: jetzt hättest du mal das Auto stehen lassen können! Ich bin deshalb auch kein Freund von grundsätzlichen, radikalen Verboten: Ihr dürft jetzt nicht mehr fliegen! Fliegt weniger, fliegt alle zwei Jahre oder statt dreimal im Jahr nur noch einmal im Jahr. Aber wem die griechischen Inseln so wichtig sind, dass er sie gerne mal sehen würde. Ja, okay, dann flieg hin.

Es ist die Kunst der kleinen Schritte. Der Weg dauert länger, aber auch er führt zum Ziel und nimmt vielleicht sogar mehr Menschen mit. Doch Bewahrung der Schöpfung, das heißt für ihn noch viel mehr als die Reduktion von CO2. Darum wünscht er sich …

Dass wir nicht nur auf das Klima schauen. Lasst uns auf das Klima schauen. Aber diesen anderen großen Bereich des Lebensschutzes, des Tierschutzes, der Bewahrung der göttlichen Schöpfung nicht vergessen.

Fragen, bei denen es inzwischen ja oft grundsätzlich und damit ruppig wird. Zwischen denen, denen alles viel zu langsam geht und den anderen, die sich gegängelt und bevormundet fühlen.

Es geht um einen Weg miteinander. Das Gegeneinander ist mir in unserer momentanen Gesellschaft und momentanen Umgang viel zu stark. Kaum macht einer den Mund auf, schreien die Ersten los und umgekehrt. Miteinander reden, gemeinsam Wege gehen. Und dann, bin ich der festen Überzeugung, finden wir Lösungen.

Ist das vielleicht sogar seine wichtigste Aufgabe? Menschen zusammenzubringen?

Ja, da müsste ich sogar noch viel mehr Zeit haben. Menschen, die das gleiche Anliegen haben, zusammenzubringen. Momentan, glaube ich, ist meine Aufgabe doch eher, den Finger in die diversen Wunden zu legen und zu sagen: Bei allem Verständnis, aber hier müssten wir jetzt mal einen Schritt weiterkommen. Ich mache das, glaube ich, auf eine gute Form. Ich mache das mit viel Verständnis. Aber wer mich kennt weiß auch, durchaus mit viel Penetranz.

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SWR1 3vor8

21JAN2024
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Das Gefühl, dass Zeit begrenzt ist und immer knapper wird, kennen viele. Nicht nur aus dem Job. Da steht eine Prüfung, ein großes Fest oder ein Umzug bevor. So vieles muss vorher noch erledigt werden. Hab ich auch an alles gedacht, wirklich nichts vergessen? Wird am Ende alles auch so klappen, wie ich mir das ausgedacht habe? Und immer sitzt einem dabei diese Zeit im Nacken, die immer kürzer zu werden scheint. Mir macht sowas mächtig Stress.

Dass die Zeit begrenzt ist und abläuft, das war für die ersten Christinnen und Christen tatsächlich eine Art Grundgefühl. Nur als stressig scheinen sie das damals gar nicht empfunden zu haben. Ganz im Gegenteil. Weil sie damals noch gehofft haben, dass Jesus bald wiederkommen und Gottes neue Welt dann endlich voll und ganz da sein wird. Denn darauf hat auch Jesus selbst ganz fest gehofft. Es spiegelt sich in der Geschichte, die heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Da wird erzählt, wie Jesus beginnt, als Wanderprediger durch Galiläa zu ziehen. Und der Kern seiner Botschaft heißt: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt!“ (Mk 1,15) Er war sich sicher: Gottes neue Welt steht kurz bevor. Und die Menschen können ihr entgegengehen, wenn Sie sich besinnen und ganz auf diesen Gott setzen.

Bis heute beten Christinnen und Christen in jedem Gottesdienst den Satz „bis du kommst in Herrlichkeit“. Das ist nicht nur eine Erinnerung an ganz Früher. Der Gedanke, dass die Zeit unserer Welt begrenzt ist, gehört zum Christentum. Oft wird das einfach wie selbstverständlich gesagt. Doch wenn ich in Ruhe darüber nachdenke, dann ist der Satz ja ungeheuerlich. Und zugegeben, wie das gehen soll mit einem Ende der Zeit, das weiß ich auch nicht. Was ich mir aber sehr wohl vorstellen kann, je älter ich werde umso mehr: Dass meine eigene Zeit zu Ende geht. Dass ich mich immer öfter mal frage, wie meine Lebensbilanz wohl am Ende aussehen wird. Sicher, das könnte mir völlig egal sein. Nach mir die Sintflut. Ist es aber nicht. Weil ich als Christ eben glaube, dass ich das nicht nur vor mir selbst, sondern auch mal vor Gott vertreten muss. Angst macht mir das nicht. Aber es macht mir klar, dass auch Zeit endlich und kostbar sein kann. Und dass es deshalb nicht gleichgültig ist, was ich daraus mache.

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SWR3 Gedanken

06JAN2024
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Als Sternsinger ziehen sie heute wieder vielerorts durch die Straßen, auch in SWR3-Land. Kinder, als kleine Könige verkleidet, die für andere Kinder in ärmeren Ländern Geld sammeln. Ob es die Könige tatsächlich gegeben hat? Die Bibel jedenfalls weiß kaum etwas über sie und von Königen sowieso nichts. Da ist vielmehr von Sterndeutern die Rede. Von Leuten also, die die Sterne beobachten und daraus Schlüsse ziehen für die Gegenwart. Damals war man der Überzeugung, dass sich die Ordnung hier auf Erden auch am Himmel ablesen lässt. Als die Sterndeuter nun einen neuen, besonders hellen Stern entdecken, folgern sie messerscharf, dass irgendwo ein wichtiger Mensch zur Welt gekommen sein muss. Und dann machen sie sich auf, um ihn zu suchen.

Ich mag diese Legende, weil diese namenlosen Sterndeuter sich nicht auf irgendwelche Gerüchte verlassen. Im weiteren Sinn betreiben sie sogar Wissenschaft. Sie machen eine Entdeckung. Dann starten sie eine Expedition, um ihre Ergebnisse zu überprüfen. Und sie sind unbestechlich, lassen sich nicht korrumpieren. Als der fiese König Herodes sie nämlich für seine Zwecke einspannen will, gehen sie ihm kurzerhand aus dem Weg.

Und letztlich ist es auch egal, ob alles genau so gewesen ist oder nicht. Denn die Legende will keine historischen Fakten erzählen. Sie erzählt Glaubensgeschichten. Und die wollen mir sagen, dass es sich auf jeden Fall lohnt dranzubleiben, wenn ich mich aufmache, um Gott zu suchen.

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SWR3 Gedanken

05JAN2024
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Ob früher wirklich mehr Lametta war? Ich weiß nicht. Aber an den kultigen Satz von Loriot muss ich trotzdem denken, wenn mir mal wieder jemand erzählen will, dass früher alles besser war. Das Schlimme daran: Ich merke, dass ich hin und wieder selbst so denke. Je älter ich werde, umso öfter. Dabei weiß ich, dass das so pauschal ja nicht stimmt. Egal ob es um moderne Therapien in der Medizin geht, um Tote und Verletzte im Verkehr und sogar um die Kriminalstatistik. Wenn man nämlich nüchtern draufschaut, war nichts von alledem früher wirklich besser.

Warum ich trotzdem manchmal vergangenen Zeiten nachtrauere? Weil ich wie die meisten Menschen wohl so gestrickt bin, dass ich mich vor allem an die schönen, glücklichen Momente erinnere. Die unschönen und belastenden aber so gut es geht ausblende. Und das meiste, das bisher schön war, das war nun mal „früher“. Ich finde, dass der liebe Gott das eigentlich ziemlich clever eingerichtet hat. Er hat uns Menschen so gemacht, dass wir ein Leben lang das Glück suchen. Egal wie bescheiden es um uns herum gerade aussieht. Und vielleicht ist das ja das, was Gott für uns vorgesehen hat. Dass wir glückliche Menschen werden sollen, obwohl wir uns damit oft so schwertun. Glücksmomente lassen sich eben nicht festhalten. Umso wichtiger, jeden Einzelnen zu genießen. Denn je mehr es sind, umso mehr „Lametta“ ist auch da, an das ich mich jetzt, wo ich älter werde, gerne erinnere.

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SWR3 Gedanken

04JAN2024
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Hin und wieder bin ich einfach verdammt müde. Manchmal, weil ich zuviel gearbeitet, zuwenig geschlafen oder mal wieder viel zu lange einen Film angeschaut habe. Aber immer öfter fühle ich mich auch müde, weil das Miteinander anstrengender geworden ist. Weil so vieles heute moralisch aufgeladen ist. Weil etwa die Urlaubsreise oder die Produkte im Einkaufswagen politisch nicht korrekt sind. Weil Fleisch aus Stallhaltung dabei ist. Oder Kaffee, der nicht fair gehandelt wurde. Weil ein falsches Wort oder eine unbedachte Bemerkung jederzeit einen Shitstorm auslösen kann. Viele nervt und stresst das. Die Reaktion darauf ist oft ein trotziges „Jetzt-erst-Recht“. Aber trotziges Verweigern ist auch keine Lösung. Deshalb finde ich so ein Verhalten genauso kindisch wie das Dauer-Empörtsein bei anderen.

Dass ich aber inzwischen zögere, bevor ich einen Flug buche oder ins Regal im Supermarkt greife, zeigt mir, dass sich etwas verändert. Dass ich recht genau weiß, was gut wäre für die Natur, für mich und für meine Mitmenschen. Es mir aber trotzdem oft schwerfällt, so zu handeln. Sicher, es gibt bornierte Ignoranten, denen alles piepegal ist. Aber vielen geht es halt so, dass der Geist schon willig ist, das Fleisch aber oft zu schwach.

Es könnte ja ein Wunsch für dieses neue Jahr. Ein bisschen weniger Dauerempörung und ein bisschen mehr Nachsicht mit denen, die nicht so streng sein können mit sich selbst. Die aber wissen, was Not tut ist und immer öfter versuchen, danach zu leben. Es täte uns allen gut.

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SWR3 Gedanken

03JAN2024
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Schneeflocken sind winzige Kunstwerke. Echt faszinierend. Jede einzelne ist einmalig und kaum eine gleicht der anderen. Das liegt daran, wie sie in der Atmosphäre aus winzigen Wassertröpfchen entstehen. Schon kleinste Veränderungen von Temperatur oder Luftdruck genügen, um andere Muster entstehen zu lassen. Das versuche ich mir manchmal klar zu machen, wenn es draußen schneit. Weil ich mich meistens erstmal ärgere. Den Schnee muss ich ja schließlich danach vom Gehweg schaufeln. Nervig ist er zwar auch als Kunstwerk noch, aber immerhin auch beeindruckend.

So richtig beeindruckend werden die kleinen Kunstwerke aus Eis aber erst, wenn sie milliardenfach vom Himmel segeln. Der erste größere Wintereinbruch in Süddeutschland hat das imposant gezeigt. Da wird in kurzer Zeit der ganze Zugverkehr lahmgelegt. Menschen bleiben mit ihren Fahrzeugen stecken, werden in ihren Häusern eingeschlossen. Winzige Schneeflocken, nur ein paar Milligramm schwer, legen ein ganzes Land still.

Das zeigt ja, was möglich ist, wenn sich scheinbar unbedeutende Winzlinge zusammentun. Welche Macht da entstehen kann. Im Guten, als glitzerndes Winter-Wunderland. Aber auch andersrum, als Urgewalt, die alles blockiert. Und irgendwie ist das ja auch ein Bild fürs Zusammenleben. Denn wir können ja auch Unglaubliches bewirken, wenn wir uns zusammentun. Wir können Despoten bejubeln, Freiheit und Demokratie zerstören. Wir können aber auch zusammen eine Gesellschaft bauen, die anziehend ist und in der es Lust macht zu leben. Und anders als die Schneeflocken haben wir das selbst in der Hand.

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SWR3 Gedanken

02JAN2024
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Immer wieder ertappe ich mich selbst dabei. Früh am Morgen liegt neben dem Frühstücksmüsli auch das Handy griffbereit. Nachschauen, ob am späten Abend noch E-Mails reingekommen sind. In den Newsportalen checken, was über Nacht in der Welt passiert ist. Am Abend dasselbe. Kaum ist das Brot geschnitten und der Käse aus dem Kühlschrank geholt, greife ich nach der Zeitung, die ich noch nicht gelesen habe. Breite sie neben dem Teller aus. Lese, während ich kaue.

Gut tut mir das nicht. Das merke ich inzwischen immer öfter. Weil ich nämlich weder beim Essen noch beim Zeitunglesen wirklich bei der Sache bin. Weil ich die Nachrichten letztlich nur oberflächlich konsumiere. So wie auch das Essen, dass zur Nahrungsaufnahme verkommt, die mit wirklichem Genuss nichts mehr zu tun hat. Mich macht das unzufrieden.

Weil ich doch viel lieber wach und aufmerksam leben will. Aufmerksam für das, was gerade dran ist. Ob es um die Zeitungslektüre geht. Den Kaffee in meinem Becher. Oder das Essen, das doch viel zu wertvoll ist, um es nebenbei in mich rein zu stopfen. Und umso mehr gilt das natürlich für die Menschen um mich herum. Konzentriert will ich da sein und jedem einzelnen Menschen zugewandt.

Und da Selbsterkenntnis ja der erste Schritt ist, es anders zu machen, könnte das doch mal mein Vorsatz sein fürs neue Jahr 2024.

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SWR3 Gedanken

01JAN2024
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Irgendwie schon toll, so ein neues Jahr. Liegt da wie eine unberührte Winterlandschaft. Oder wie ein blütenweißes Blatt Papier, auf dem noch nichts steht. Bloß, so ganz stimmt das ja nicht. Denn da ist ja leider auch all das, was übrig geblieben ist aus dem letzten. Der Krieg in Europa, der bald ins dritte Jahr geht. Ungelöste Probleme und offene Fragen. Unberührt ist das neue Jahr also nicht. Es beginnt schon mit einer ordentlichen Hypothek.

Doch von der will ich mich in diesen ersten Stunden des neuen Jahrs nicht runterziehen lassen. Ich halte es da viel lieber mit dem Dichter Hermann Hesse. In einem berühmten Gedicht hat der nämlich mal gesagt: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. Dem Christentum stand Hesse zwar selbst eher distanziert gegenüber. Ein spirituell Suchender ist er aber Zeit seines Lebens gewesen. Und für mich als Christ heißt sein Satz an diesem Morgen: In jedem neuen Anfang liegt auch immer eine Chance und eine Hoffnung. Die Chance, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und es nun besser zu machen. Und die Hoffnung, dass ich damit nicht allein dastehe. Dass ich Menschen an meiner Seite habe, die das ebenso wollen. Und einen Gott, der mich bei all dem nicht verlässt und der mich hoffentlich mit seinem Segen begleitet. Auch durch dieses neue Jahr.

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