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SWR1 3vor8
Sie ist die heiligste Stadt der Welt, steht im Schnittpunkt von drei bedeutenden Weltreligionen: Jerusalem. Fast 800-mal taucht ihr Name in der Bibel auf. Im Alten wie im Neuen Testament. Kriege wurden um sie geführt. Sie wurde verwüstet und wieder aufgebaut. Jesus ist vor ihren Mauern am Kreuz gestorben und der christlichen Überlieferung nach dort auferstanden. Nach islamischer Tradition hat der Prophet Mohammed von dem Felsen im gleichnamigen Felsendom seine Himmelsreise angetreten. Sie war die Stadt der großen jüdischen Könige David und Salomo. Und sie war der Sehnsuchtsort der ins babylonische Exil verbannten Israeliten. Im 6. Jahrhundert vor Christus war das. Als das Exil dann endlich zu Ende geht, die Verschleppten nach Jerusalem zurückkehren dürfen, macht sich dennoch Frust unter ihnen breit. So viel ist zerstört, so vieles hat sich verändert. Ein Prophet, dessen Worte wir im biblischen Buch Jesaja finden, versucht, sie aufzurichten. Er stimmt einen Lobgesang auf Jerusalem an. Und von Gott richtet er ihnen diese Botschaft aus: Siehe, wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr und die Herrlichkeit der Nationen wie einen rauschenden Bach … In Jerusalem findet ihr Trost.
In den katholischen Gottesdiensten sind diese Worte heute zu hören. 2500 Jahre sind sie alt. Angesichts der Realitäten im Heiligen Land und auch in Jerusalem könnte man glatt wehmütig werden. Darüber, wie alt diese Sehnsucht nach Frieden schon ist und wie wenig sie sich erfüllt hat. Bis heute. Es scheint fast, als ob der Prophet da irgendwelchen Träumen nachhängt. Oder sich schlicht geirrt hat. Vielleicht aber will er den Zurückgekehrten ja auch nur Mut machen. Will ihnen sagen: Ich weiß um eure Sehnsucht nach Frieden und ich sage euch, Gott selbst hat sie auch. Gott möchte Frieden, für Jerusalem und für alle Völker. Und es liegt an den Menschen, dass sie ihn nicht halten können.
Darum möchte ich gern schließen mit Worten meines früheren Kollegen Stephan Wahl, der seit einigen Jahren als Deutscher in Jerusalem lebt und auch bleiben will: Die Ignoranz der Welt ist entsetzlich. … Mir bleibt nur, an alle Opfer zu denken. Für sie und ihre Familien zu beten und weiter - so weit wie möglich - nicht still zu sein, wenn die Menschenwürde mit Füßen getreten wird. Und die so unrealistisch erscheinende Hoffnung auf Frieden für dieses Unheilig-Heilige Land nicht aufzugeben. Trotz allem, trotz allem, trotz allem.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42473Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Henri heißt er und hat schon einige Jahre auf seinem goldbraunen Fell. Denn Henri ist ein Hund und lebt in einem Seniorenheim in Mainz - zusammen mit vielen alt gewordenen Menschen. Manche von ihnen sind dement. Das bedeutet, sie leben mitunter in längst vergangenen Zeiten. An die können sie sich noch erinnern. Und da kommt immer wieder mal Henri ins Spiel. Einen Herzensöffner, so nennt ihn eine Ordensschwester, die dort arbeitet. Denn die Begegnung mit dem Tier macht etwas mit den Menschen. Sie freuen sich über ihn, werden aktiver. Manche von ihnen beginnen sogar zu erzählen, wenn er da ist. Erinnern sich an glückliche, frühere Tage. Und Henri, der spürt wohl auch instinktiv, wenn es einer Bewohnerin mal nicht so gut geht. Dann wird er behutsamer, muntert sie auf, zaubert dem alten Menschen manchmal wieder ein Lächeln ins Gesicht.
Ob Tiere so etwas wie eine Seele haben können? Immer mal wieder wird sowas ja diskutiert. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht und bin da auch eher zurückhaltend. Aber wenn ich dann von Henri und den alten Menschen höre, dann denke ich: Vielleicht ist da ja doch was dran. Unter uns Menschen sprechen wir immerhin von Seelenverwandtschaft, wenn sich zwei quasi blind ergänzen. Wenn es keiner großen Worte mehr bedarf. Wenn oft schon ein kurzer Blick genügt, um zu wissen, wie es dem anderen geht. Was sie oder er gerade braucht. Wenn sich also, im Bild gesprochen, ihre Seelen berühren. Und ein wenig erscheint das ja auch so, wenn Henri, der Seniorenheimhund, die alten Leute aufmuntert und zum Erzählen bringt. Ob Tiere nun so was wie eine Seele haben oder nicht. Für manche Menschen, so scheint mir, können sie jedenfalls eine Art von Seelsorger sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42329Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Wenn ich an Schaufenstern vorbei schlendere oder durch die Werbebeilagen der Zeitung blättere, dann fällt mir hin und wieder ein steiles Versprechen auf: Zufriedenheitsgarantie! Vor ein paar Jahren fing das an. Inzwischen ist es beinahe inflationär. Immer öfter verspricht mir irgendwer: Zufriedenheit! Optiker sind dabei, Friseursalons, sogar Banken. Bei vielen kommt das an. Denn Menschen die unzufrieden sind, haben Zweifel. Den Eindruck, nicht genug bekommen, besseres verdient zu haben. Wer ständig unzufrieden ist hinterfragt deshalb jede Ware, jede Leistung, im schlimmsten Fall auch jeden menschlichen Kontakt. Immer mit dem Verdacht, zu kurz zu kommen, betrogen, übervorteilt, hintergangen zu werden. Wer aber anderen ständig misstraut, ist auch ständig unzufrieden. Ein Teufelskreis, der politisch am Ende nur den Radikalen nützt.
Bloß, woran merke ich eigentlich, dass ich zufrieden bin? Also so richtig, zu 100 Prozent. Wer zufrieden ist, lauert nicht ständig auf das Haar in der Suppe. Darauf, was vielleicht noch besser sein könnte. Wer zufrieden ist, ist ausgeglichen. In innerer Ruhe. Zufrieden sein ist Glück.
Unzufrieden machen dagegen Erwartungen, die sich nicht erfüllen. Wer sich Urlaub nur als zwei Wochen Sonne vorstellen kann, ist unzufrieden, wenn es an zehn Tagen regnet. Es soll Leute geben, die fordern dann allen Ernstes ihr Geld zurück. Und vielleicht steht ja auch Gott nicht mehr allzu hoch im Kurs, weil er in den Augen vieler einfach nicht verlässlich liefert.
Natürlich heißt das nicht, alles klaglos hinzunehmen. Ich darf auch was erwarten. Vom Handwerker, den ich beauftrage. Der Kollegin, die mir zuarbeitet. Dem neuen Auto, das mich viel Geld kostet. Aber nichts und niemand auf Erden ist makellos und perfekt. Wer tolerant sein, kleine Fehler und Makel akzeptieren kann, bei anderen und bei sich selbst, der lebt zufriedener. Und letztlich auch glücklicher.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42328SWR1 3vor8
Im Konklave, während der Wahl des neuen Papstes, habe er es gespürt, das Wirken des Heiligen Geistes. Das hat der Münchener Kardinal Reinhard Marx in einem Interview gesagt. Was genau er da gespürt hat, hat er zwar nicht verraten. Aber womöglich hat er ja an das Fest gedacht hat, das die Kirche heute feiert: Pfingsten. Die Pfingstgeschichte erzählt nämlich genau davon. Dass eben dieser Heilige Geist spürbar in die Welt gekommen ist.
Nun ist das mit dem Geist so eine Sache. Er ist unsichtbar, lässt sich schwer beschreiben. Und zu greifen ist er schon gar nicht. Geist, das Wort mag so manchen vielleicht eher an Gruselfilme denken lassen. Die Geister im Film. In aller Regel verbreiten sie Furcht und Schrecken. Die meisten glauben nicht an derartige Geister. Ich auch nicht.
Für die Menschen zur Zeit der Bibel allerdings waren Geister und Dämonen ziemlich real. Man fürchtete sich vor ihnen. Psychisch kranke Menschen etwa, so meinte man damals, seien von bösen Geistern besessen. Es sind dieselben uralten Ängste vor dem Geheimnisvollen, Unbegreiflichen, mit dem auch viele Gruselfilme heute noch spielen.
Der Heilige Geist, Gottes Geist, von dem die Bibel erzählt, ist anders. Nach den Texten der Bibel war er schon da bei der Entstehung der Welt. Viele Menschen, die Jesus begegnet sind, haben ihn gespürt. Und seit dem Pfingstfest begleitet er Menschen, die diesem Jesus folgen wollen, durch die Zeit. Es ist ein Geist, der Mut machen, aufrichten, neue Impulse geben will. So jedenfalls erzählt es die Bibel. Wenn Menschen heute zu Gott beten, dann beten sie in diesem Geist Gottes. Sie glauben daran, dass er da ist. Überall und zu jeder Zeit. Das dürfte Kardinal Marx wohl gemeint haben.
Und damit wären wir bei der Frage, was der Kardinal da gespürt haben könnte im Konklave. Gottes Heiliger Geist setzt keine physikalischen Gesetze außer Kraft. Er lässt keine Gläser geheimnisvoll umher rücken, oder Tische sich bewegen. In einem Gebet heißt es vielmehr: Sein Geist bewegt die Herzen. Das bringt es auf den Punkt. Und darum versucht der Erzähler der biblischen Pfingstgeschichte diesen Geist in einem Bild zu beschreiben. Beschreibt ihn als Sturm, der alles durchlüftet. Als leuchtende Zungen, die auf die Menschen herunterkommen. Es ist ein Bild dafür, dass Gottes Heiliger Geist einer ist, der die Köpfe und Herzen erreichen und bewegen will. Hin zu etwas Gutem.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42327SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken
Ob das wirklich so stimmt, was man von den allerersten Christen sagt? Dass sie ein „Herz und eine Seele“ waren? Alles gemeinsam hatten? Oder anders gesagt: Dass ausgerechnet diese erste kleine Christengemeinde das Ideal einer kommunistischen Gemeinschaft gelebt haben soll. So beschreibt es jedenfalls ein Text in der Bibel. Ob das tatsächlich so war damals, das wissen wir heute nicht mehr. Aber die kleine Geschichte schildert eben ein Ideal. Ein Zusammenleben, wie es sein könnte unter Menschen.
Um dieses Ideal geht es auch in einem anderen Text, der heute in den katholischen Kirchen verlesen wird. Genau genommen ist er ein inniges Gebet, das Jesus an Gott richtet. „Alle sollen eins sein“, heißt es da. Damit sind natürlich zuerst mal die Christinnen und Christen gemeint. Alle also, die Jesus folgen wollen. Am Ende aber zielt es auf alle Menschen. Egal, wer sie sind und wo sie leben. Alle sollen eins sein. Eine große Einheit der weltweiten Menschenfamilie.
Wie weit wir davon entfernt sind, dass sehe ich jeden Tag, wenn ich die Zeitung aufschlage oder die Nachrichten einschalte. Gesellschaftliche Spaltungen. Und bei uns die wachsende Unfähigkeit, andere Meinungen auszuhalten. Den oder die andere einfach mal anders sein zu lassen. Es ist oft das Bild einer Gemeinschaft, die vergessen hat, dass jede und jeder immer auch auf andere angewiesen ist. Die letztlich aber nicht mehr funktioniert, wenn jeder nur noch sich selbst sieht und an sich selber denkt.
Wenn ich etwas länger über das Eins-Sein nachdenke, dann wird mir aber auch bewusst, dass das nicht so einfach ist. Denn Einheit ist ja kein gleichförmiger Einheitsbrei. Unter dem Vorwand, dass alles eins sein muss, sind schon furchtbare Dinge geschehen. Geschehen heute noch in vielen Ländern. Wo totalitäre Systeme an die Macht kommen, versuchen sie, Menschen möglichst gleichzuschalten. Alle sollen dasselbe sagen, dasselbe denken, derselben Ideologie folgen. Wer abweicht wird geächtet. Im schlimmsten Fall bestraft, weggesperrt oder umgebracht. In Deutschland haben wir das von 1933 bis 1989 in zwei Diktaturen erlebt. In Russland und vielen anderen Staaten der Erde erleben es die Menschen heute. Allerdings wird dort auch nicht Einheit erwartet, sondern Einheitlichkeit, Uniformität. Nicht Weite sondern Kleingeist.
Und auch die Kirche, die sich auf diesen Jesus beruft, seine Botschaft weitertragen will, hat immer wieder kläglich versagt. Hat schon bald die befreiende Botschaft Jesu in ein Korsett aus Dogmen und Katechismussätzen gezwängt. Hat Menschen drangsaliert und gequält, die das nicht glauben konnten oder wollten. Hat anders Glaubende bekämpft. Statt Eins-Sein in Gott auch hier viel zu oft Uniformität. Gleichförmigkeit. Einheit meint aber mehr. Wie könnte sie also aussehen, eine Einheit in der bunten Vielfalt?
Eins sein sollen sie, die Jüngerinnen und Jünger Jesu. Darum bittet er selbst in einem Gebet, das er an Gott richtet. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, heißt es da. Vermutlich war auch Jesus aber klar, dass die Truppe, die sich da um ihn versammelt hatte, ziemlich bunt war. Divers würde man heute vielleicht sagen. Fischer und Zolleintreiber waren ebenso dabei wie Frauen, die damals öffentlich nichts zu melden hatten. Sogar ein paar jüdische Würdenträger bewunderten ihn, auch wenn sie nicht mit ihm umherzogen.
Wenn ich heute höre, was Jesus seinen Anhängerinnen und Anhängern gesagt und wie er es vorgelebt hat, dann finde ich das durchaus attraktiv. Bei näherem Hinsehen allerdings auch alles andere als einfach. Leute, die ich absolut nicht ausstehen kann und sie mich auch nicht. Ausgerechnet denen soll ich Gutes tun? Menschen, mit denen ich total zerstritten, ja verfeindet bin. Die soll ich lieben? Ein Leben, wie Jesus es predigt. Das ist für die Meisten wohl ein ziemlich hoher Anspruch. Auch für mich. Und ich glaube, dass ihm und seinen Anhängern klar war, dass das auch für das Eins-Sein gilt. Sonst gäbe es dieses innige Gebet um Einheit wohl nicht.
Denn Eins zu sein, das schließt Widersprüche nicht aus. Eins sein können Menschen auch dann, wenn sie ganz unterschiedlich sind. Wenn sie andere Vorlieben haben. In unterschiedlichen Lebensformen leben. Politisch überhaupt nicht einer Meinung sind. Da kann es dann durchaus mal krachen. Kann Streit und Konflikte geben. Und trotzdem können Menschen eins sein. Wenn sie bereit sind, trotz allem zusammenzuhalten. Und sich an ein paar universellen Werte orientieren, die nicht verhandelbar sind. Etwa, dass jede und jeder eine Würde hat, die heilig ist. Unantastbar. Weil jede und jeder ein Abbild Gottes ist. Dass jede und jeder ein Recht hat zu leben, so, wie sie oder er es möchte. Weil Menschen grundsätzlich frei sind vor Gott. Dass die eigene Freiheit aber da enden muss, wo ich andere bedränge und einschüchtere.
Eins sein. Wenn das klappen soll, dann geht es wohl nur, wo Menschen offen, tolerant und rücksichtsvoll miteinander umgehen, allen Differenzen zum Trotz. Und verbunden mit einer großen Portion Barmherzigkeit. Barmherzig mit den Schrullen und Schwächen der anderen. Und auch mit meinen eigenen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42270SWR Kultur Zum Feiertag
Ich spreche heute am Fest Christi Himmelfahrt mit Prof. Dr. Thomas Hieke. Er unterrichtet hier an der Universität in Mainz die Exegese des Alten Testaments. Und, lieber Herr Hieke, wir wollen sprechen heute über den Himmel. Eine erste Frage: Wenn ich die Bibel aufschlage, dann sehe ich gleich im ersten Satz im Alten Testament das Wort Himmel, nämlich: „Gott erschuf Himmel und Erde“. Von welchem Himmel spricht der Autor da eigentlich?
Mit Himmel und Erde, da meint die Bibel in ihrem ersten Vers die ganze Welt. Das gibt es öfter in der Bibel, dass zwei Begriffe oder zwei Pole für eine größere Gesamtheit stehen, Tag und Nacht. Das ist die ganze Zeit. Meer und Land, das ist alles, auch das, was dazwischen ist, das Wattenmeer, der Strand. Die Kombination Himmel und Erde, die steht für das, was wir heute Welt oder Kosmos nennen. Und diese Art von Himmel, die müssten wir mit Sky im Englischen übersetzen, nicht mit Heaven. ein von Gott gemachtes Gewölbe, nicht mehr ein Haus voller Gottheiten, wie es etwa in Babylonien der Fall war, oder eine Himmelsgöttin wie im alten Ägypten, die sich über den Erdgott wölbt.
Wenn ich die Bibel durchblättere, dann finde ich gleich am Beginn im ersten Satz den Himmel. Und ich finde ihn im vorletzten Kapitel der Bibel, in der Offenbarung des Johannes, wo davon die Rede ist, dass ein neuer Himmel und eine neue Erde geschaffen werden. Das klingt ja so ein wenig so, als ob der Himmel so etwas wie eine Klammer ist, die die Bibel umgreift.
Das ist eine wunderbare Beobachtung. Also die Bibel beginnt mit der Erschaffung von Himmel und Erde. Dann kündigt das Alte Testament im 65. Kapitel im Buch Jesaja einen neuen Himmel und eine neue Erde an, und das greift die Offenbarung des Johannes auf, diese Zukunftshoffnung einer erneuerten Welt. Und so ergibt sich dieser Rahmen um eine Bibel, Aber es geht da weniger um den Himmel speziell, sondern mehr um einen komplett erneuerten Kosmos.
Wenn wir die die Himmelfahrtstexte lesen, dann steht dort, wie der Engel zu den Jüngern sagt: „Was schaut ihr da zum Himmel empor?“ Gibt es für die Bibel doch so etwas wie einen Ort des Himmels
Der Engel weist ja eigentlich schon mit seinem Satz darauf hin: Schaut nicht da nach oben. da ist Gott nicht, da ist Jesus nicht. Wenn jemand stirbt, dann verlässt er diese Welt mit Raum und Zeit. und ist dann sofort - in Anführungszeichen - bei Gott. Aber auch das Wort sofort hat ja auch wieder eine zeitliche Dimension, ist insofern auch wieder völlig unangebracht.
Das Fest heißt ja auch Jesu Aufnahme in den Himmel. Kurz gesagt: Was meinen Christinnen und Christen eigentlich, wenn sie von der Aufnahme in den Himmel sprechen?
Die frühen Christinnen und Christen, die standen ja vor dem Problem, dass sie einerseits fest davon überzeugt waren, dass dieser Jesus, den sie noch aus dem irdischen Leben kannten, lebt, aber dass dieser Jesus andererseits nicht mehr zu sehen, zu hören, zu greifen ist. Und das kleidet man dann in die Worte, dass Jesus zum Vater, zu Gott gegangen ist. Also diese raumzeitliche Welt verlassen hat. Himmel ist in diesem Sinne die andere Welt Gottes, die wir uns kaum vorstellen können.
Wenn man sich die Geschichte anschaut, dann entsteht das, was wir heute Kirche nennen, ja erst nach Tod und Himmelfahrt Jesu. Kann man sagen, dass die Himmelfahrt Jesu gewissermaßen eine Voraussetzung dafür war, dass es Kirche heute gibt?
Das kann man so sagen, denn Kirche ist ein Provisorium, ein Zwischenzustand auf der Erde. Innerhalb dieser raumzeitlichen Welt und gebunden an diese Welt. Wenn nämlich Jesus noch da wäre, also auf Erden sichtbar und hörbar wäre, dann gäbe es keine Kirche, denn dann würden ja alle sofort auf Jesus hören. Und Christi Himmelfahrt ist in dem Sinne dann eben das Hinübergehen des auferstandenen Jesus in diese Welt Gottes. Und dann wird es nötig, dass jemand anderer stellvertretend die Barmherzigkeit Gottes weiter verkündet. Denn das, was Jesus verkündet hat, ist ja so wichtig, dass die Sache Jesu weitergehen muss. wenn es das nicht gäbe, dann gäbe es keine Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes, keine Verkündigung einer Hoffnung auf eine bessere Welt. Und diese Aufgabe, die Barmherzigkeit Gottes zu verkünden, macht die Kirche so lange, bis Jesus am Ende der Zeiten wiederkommt.
Wenn wir diesen Satz sagen: Der Papa ist jetzt im Himmel, der Opa ist im Himmel, die Schwester ist im Himmel. Was meinen wir eigentlich damit, wenn wir das sagen?
Nun, wenn ein geliebter Mensch stirbt, dann ist es tröstlich und wichtig zu sagen, dass dieser Mensch nicht einfach weg ist und verfault oder verbrannt wird. Das ist so furchtbar. Wir glauben als Christinnen und Christen, dass unsere Verstorbenen bei Gott sind und damit außerhalb dieser raumzeitlichen Welt. Und dazu kann man Himmel sagen. Man muss halt wissen, was man darunter versteht. Nicht das Blaue da oben mit den Wolken oder das, wo nachts dann die Sterne. Aber es ist noch mal eine andere Welt und vielleicht hilft mir da auch noch ein ganz gutes Wort aus dem Buch der Weisheit. Da heißt es im ersten Vers des dritten Kapitels „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand“. Und das ist doch ein sehr tröstlicher Gedanke, der mir selbst auch viel weitergeholfen hat in meinen Trauerfällen, die ich auch erlebt habe. In Gottes Hand sein, in Abrahams Schoss sein, im Himmel sein. Das sind alles Worte, die uns trösten wollen und uns die Botschaft vermitteln wollen: Der geliebte Mensch, den wir verloren haben, er lebt weiter.
Wenn man sich Studien anschaut zu religiösen Überzeugungen der Deutschen, dann fällt ja auf, dass der Glaube an eine Auferstehung, der Glaube an ein anderes Leben bei Gott, wie immer man sich das vorstellt, dass das schwindet. Wird der Himmel am Ende überflüssig, entbehrlich?
Diese Ansicht liegt vielleicht daran, dass viele Menschen heute das meiste in ihrem Leben schon erreicht haben, was sie sich wünschen und vorstellen. Ich möchte an all die erinnern, die eben das nicht erreicht haben, die zu kurz gekommen sind, weil sie zu früh an einer Krankheit gestorben sind. Was ist mit denen? Was ist mit den zahllosen Opfern von Terror und Krieg, die aus dem Leben gerissen werden? Soll da auch der Tod das letzte Wort haben? Haben die einfach Pech gehabt, weil sie es halt zu früh erwischt hat? Das klingt sehr herzlos, ist es auch. Ich tue mich auch manchmal schwer, mir das vorzustellen. Diese Welt Gottes, außerhalb von Raum und Zeit. Aber wenn ich dann probiere, diesen Glauben aufzugeben, dann falle ich in eine so tiefe Verzweiflung. Das möchte ich gar nicht. Denn sonst hätten wir in der Gesamtbilanz tatsächlich ein erhebliches Gerechtigkeitsdefizit, was dann die Macht Gottes, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, aber auch die Gerechtigkeit Gottes erheblich in Frage stellen würde.
Das klingt wie die oft kritisierte Vertröstung auf ein besseres Jenseits.
Ich finde, dass die christliche Religion darauf eine sehr gute Antwort gibt, die tragfähig ist, Die mich jetzt nicht einfach nur vertröstet auf ein Irgendwann-später, sondern die mir jetzt hier Halt und Kraft gibt, weil ich sage: All das, was ich hier an Gutem tue, wird irgendwie seinen Wert behalten. Und das, was mir hier fehlt, das wird mir in irgendeiner Weise dann auch ergänzt werden. Und bei allen anderen, wo ich das auch sehe, wo Gerechtigkeit nicht aufgeht, wo Liebe nicht aufgeht, das wird irgendwann einmal vollendet werden.
Das heißt, es geht letztlich um Ausgleich.
Ja, das wollen wir ja alle irgendwo. Das ist ja ein Grundbedürfnis des Menschen. Das entwickeln Kinder schon im Kleinkindalter, im Kindergarten, dass sie Gerechtigkeit wollen.
Herr Hieke, ein letztes noch: Wenn es den Himmel nicht gäbe, was würde uns da fehlen?
Die Hoffnung! Der Glaube, dass da eben noch mehr ist. Dass da ein Gott ist, der es gut mit uns meint. Die Liebe zu den Menschen, die gestorben sind und weg sind. Das ginge ja alles verloren. Am meisten ginge die Hoffnung verloren, die Hoffnung auf eine Vollendung des Lebens, auf ein Wiedersehen.
Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, Herr Hieke.
Gerne.
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„Liebe macht blind“! Ein bekanntes Sprichwort. Wer einen anderen abgöttisch liebt, so unterstellt der Spruch, hat nur noch Augen für diesen geliebten Menschen. Blendet all seine Schattenseiten, all die Unzulänglichkeiten, die jeder von uns nun mal hat, einfach aus. Und wo Liebe völlig blind macht, ist das Verderben im schlimmsten Fall nicht weit.
Genau anders herum erzählt es dagegen eine Geschichte, die heute Morgen in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist. Jesus ist tot und sieben seiner Jünger, die große Hoffnungen in ihn gesetzt hatten, sind nun zurück am See Genezareth. Dort haben sie mal als Fischer gearbeitet und jetzt tun sie es wieder. Doch in der Morgendämmerung dieses Tages will ihnen einfach kein Fisch ins Netz gehen. Da entdecken sie einen Mann, der allein am Ufer steht. Er spricht sie an und rät ihnen: „Werft das Netz auf der rechten Seite aus, dann wird’s was.“ Kurz darauf ist das Netz so voll, dass sie es gar nicht mehr einholen können. Und dann sagt der Jünger, der Jesus am innigsten verbunden war: „Es ist der Herr!“, also Jesus. (Joh 21,1-14)
Vordergründig wird da eine Geschichte erzählt, wie Jesus, der vom Tod auferstanden ist, seinen Freunden erscheint. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt hinter dieser Geschichte noch mehr. Da wird mir etwa gesagt: Es gibt eine Auferstehung vom Tod. Aber die ist ganz anders, als man sich das vielleicht vorstellt. Denn die, die drei Jahre lang jeden Tag mit ihm zu tun hatten, erkennen den Auferstanden jetzt nicht mehr. Das kann heißen: Seine irdische Gestalt, mit der sie ihn kannten, ist vergangen, gestorben. Sie war einmalig, kommt nicht mehr wieder. Und so spürt auch nur einer der sieben Jünger im Boot, dass es der verstorbene Freund ist. Dass er lebt, wenn auch ganz anders als zuvor. Es ist der Jünger, der ihn am meisten geliebt hatte.
Verliebt sein, das kann blind machen. Wirkliche Liebe nicht. Liebe macht sehend. Wer wirklich liebt weiß, dass der Tod eine Zäsur ist. Dass er all das zerstört, was mich mit dem verstorbenen Menschen irdisch verbunden hat. Aber wirkliche Liebe kann und will nicht hinnehmen, dass ein geliebter Mensch damit einfach weg ist. Wer liebt spürt oft im Herzen, dass da eine Verbindung ist, die bleibt. Auch über den Tod hinaus.
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Papst Franziskus ist gestorben. Von einem Menschen, der es keiner Seite recht machen kann, sagen manche ja, dass so ein Mensch vieles richtig macht. Für mich war Franziskus so ein Mensch. Vielen in Deutschland etwa, die sich eine weltoffenere, modernere Kirche wünschten, war er zu zögerlich. So hielt er daran fest, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei. Zugleich setzte er Frauen in hohe Leitungsämter der Kirche ein. Homosexualität bezeichnete er als Sünde, begegnete queeren Menschen aber dennoch mit großer Wertschätzung. Erzkonservativen Hardlinern, die jede Modernisierung ablehnen, galt er deshalb als Verräter an der reinen Lehre. Ja, einige dieser sogenannten Würdenträger haben sogar versucht, ihn zu stürzen.
Ich habe Papst Franziskus um seine Aufgabe nie beneidet. Eine weltumspannende Kirche zusammenzuhalten in einer Welt, die so widersprüchlich und vielfältig ist, wie sie es wohl nie zuvor war. Ein fast schon übermenschlicher Anspruch. Und so sind es vor allem zwei Aspekte, die mir persönlich von seinem Pontifikat besonders in Erinnerung bleiben:
Da war sein weites Herz für die Armen, die Schwächsten, die an den Rand Gedrängten. Franziskus war einer, der Menschen gemocht hat. Ein Menschenfischer im Geiste Jesu. Einer, der Demut und Bescheidenheit nicht nur gepredigt, sondern auch vorgelebt hat. Der davon sprach, ihm sei „eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die wegen ihrer Verschlossenheit krank ist“.
Und dann ist da seine Enzyklika „Laudato si“. Sie war ihm ein Herzensanliegen und bleibt sein Vermächtnis. Die rücksichtslose Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und den Klimawandel als vielleicht größte Bedrohung der Menschheit hat kein Papst vor ihm so klar benannt. „Alles ist mit allem verbunden“, schreibt Franziskus darin. Ein Satz, an den man als Christ derzeit nicht oft genug erinnern kann, angesichts egoistischer Alleingänge überall auf der Welt.
Wer auch immer Papst Franziskus nun nachfolgt. Ich bin sicher: Seine Stimme wird fehlen. In der Kirche und in der Welt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42027SWR3 Gedanken
Papst Franziskus ist gestorben. Von einem Menschen, der es keiner Seite recht machen kann, sagen manche ja, dass so ein Mensch vieles richtig macht. Für mich war Franziskus so ein Mensch.
Ich habe Papst Franziskus um seine Aufgabe nie beneidet. Eine weltumspannende Kirche zusammenzuhalten in einer Welt, die so widersprüchlich und vielfältig ist, wie sie es wohl nie zuvor war. Ein fast schon übermenschlicher Anspruch. Und so sind es vor allem zwei Aspekte, die mir persönlich von seinem Pontifikat besonders in Erinnerung bleiben:
Da war sein weites Herz für die Armen, die Schwächsten, die an den Rand Gedrängten. Franziskus war einer, der Menschen gemocht hat. Ein Menschenfischer im Geiste Jesu. Einer, der Demut und Bescheidenheit nicht nur gepredigt, sondern auch vorgelebt hat. Der davon sprach, ihm sei „eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die wegen ihrer Verschlossenheit krank ist“.
Und dann ist da seine Enzyklika „Laudato si“. Sie war ihm ein Herzensanliegen und bleibt sein Vermächtnis. Die rücksichtslose Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und den Klimawandel als vielleicht größte Bedrohung der Menschheit hat kein Papst vor ihm so klar benannt. „Alles ist mit allem verbunden“, schreibt Franziskus darin. Ein Satz, an den man als Christ derzeit nicht oft genug erinnern kann, angesichts egoistischer Alleingänge überall auf der Welt.
Wer auch immer Papst Franziskus nun nachfolgt. Ich bin sicher: Seine Stimme wird fehlen. In der Kirche und in der Welt.
Musikbettnummer: wird nachgereicht
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Papst Franziskus ist gestorben. Von einem Menschen, der es keiner Seite recht machen kann, sagen manche ja, dass so ein Mensch vieles richtig macht. Für mich war Franziskus so ein Mensch. Vielen in Deutschland etwa, die sich eine weltoffenere, modernere Kirche wünschten, war er zu zögerlich. So hielt er daran fest, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei. Zugleich setzte er Frauen in hohe Leitungsämter der Kirche ein. Homosexualität bezeichnete er als Sünde, begegnete queeren Menschen aber dennoch mit großer Wertschätzung. Erzkonservativen Hardlinern, die jede Modernisierung ablehnen, galt er deshalb als Verräter an der reinen Lehre. Ja, einige dieser sogenannten Würdenträger haben sogar versucht, ihn zu stürzen.
Ich habe Papst Franziskus um seine Aufgabe nie beneidet. Eine weltumspannende Kirche zusammenzuhalten in einer Welt, die so widersprüchlich und vielfältig ist, wie sie es wohl nie zuvor war. Ein fast schon übermenschlicher Anspruch. Und so sind es vor allem zwei Aspekte, die mir persönlich von seinem Pontifikat besonders in Erinnerung bleiben:
Da war sein weites Herz für die Armen, die Schwächsten, die an den Rand Gedrängten. Franziskus war einer, der Menschen gemocht hat. Ein Menschenfischer im Geiste Jesu. Einer, der Demut und Bescheidenheit nicht nur gepredigt, sondern auch vorgelebt hat. Der davon sprach, ihm sei „eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die wegen ihrer Verschlossenheit krank ist“.
Und dann ist da seine Enzyklika „Laudato si“. Sie war ihm ein Herzensanliegen und bleibt sein Vermächtnis. Die rücksichtslose Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und den Klimawandel als vielleicht größte Bedrohung der Menschheit hat kein Papst vor ihm so klar benannt. „Alles ist mit allem verbunden“, schreibt Franziskus darin. Ein Satz, an den man als Christ derzeit nicht oft genug erinnern kann, angesichts egoistischer Alleingänge überall auf der Welt.
Wer auch immer Papst Franziskus nun nachfolgt. Ich bin sicher: Seine Stimme wird fehlen. In der Kirche und in der Welt.
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