Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

     

SWR2 / SWR Kultur

  

SWR3

  

SWR4

     

Autor*in

 

Archiv

SWR3 Gedanken

20JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Wäre, hätte, könnte. In unserer Sprache drücken solche Worte ja aus, das es auch ganz anders hätte kommen können. Es ist ein bestimmter Blick aufs Leben. Was wäre geworden, wenn...? Welche Chancen hätte ich gehabt, wenn...? Ja, was hätte aus jeder und jedem von uns werden können, wenn wir irgendwann im Leben anders abgebogen wären? Es sind müßige Fragen, aber auch mich beschäftigen sie immer wieder mal.

Richtig bitter können sie werden nach einem Schicksalsschlag oder einer verheerenden Fehlentscheidung. Eine Verwandte etwa hatte als junge Frau mal für die Schulden eines Andern gebürgt. War ja nur eine Unterschrift. Die Bürgschaft wurde aber fällig. Jahrzehnte hat sie daran abbezahlt. Der schlimmste Fehler ihres Lebens.

So schwer es dann auch sein mag. Im Leben gibt’s kein zurück, egal, was geschehen ist. Es gibt nur den Weg nach vorn. Die Bibel erzählt das in der Geschichte von Lot. Der muss fliehen. Immer weiter soll er gehen, hat Gott ihm eingeschärft. Niemals anhalten, niemals umdrehen. Lots Frau, die ihn begleitet, schafft das aber nicht. Sie bleibt trotzdem stehen, dreht sich um – und erstarrt im selben Moment zu einer Salzsäule. Für mich ein Bild dafür, was Leben heißt: Das, was gewesen ist, nicht vergessen. Aber nicht stehen bleiben. Vorwärtsgehen. Immer weiter. Mit der Hoffnung, dass es gut ausgeht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40298
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

19JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die alte Dame, die ich besuche, hadert mit sich und ihrem geschwächten Körper. Mit all dem, was sie mal konnte und was jetzt einfach nicht mehr geht. Schließlich hadert sie auch mit Gott. Fast täglich sei sie doch in die Kirche gegangen, erzählt sie mir. Habe sich engagiert in der Gemeinde und im Kirchenchor. Und nun das! Dass Gott sowas zulässt. Dass ausgerechnet sie es ist, die so schwer erkrankt. Sie kann das nicht begreifen. Warum sie und warum nicht andere, die in ihren Augen nicht so gut, nicht so fromm gelebt haben wie sie.

Es sind diese Warum-Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Auch von mir nicht. Weil es diesen Tauschhandel eben nicht gibt: Moralisches Wohlverhalten gegen Glück und Gesundheit. Ich habe sie schon oft gehört, diese Frage: Warum? Warum geht es nach unseren Maßstäben so ungerecht zu in der Welt? Und warum unternimmt Gott, wenn es ihn gibt, da nichts? Ich weiß das auch nicht.

Aber ein Satz aus der Bibel hilft mir zumindest etwas weiter. Er steht beim großen Propheten Jesaja: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“, lässt Gott da ausrichten. Ein Gott, der nicht berechenbar ist. Keiner mit dem man Deals machen könnte. Und offenbar so ganz anders, als viele Menschen sich Gott vorstellen.

Am Ende unseres Gesprächs habe ich mit der alten Frau dann noch zusammen gebetet. Zu genau diesem Gott, den wir zwar oft nicht verstehen. Auf den wir aber trotzdem hoffen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40297
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

18JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Wie oft hab ich mich in den letzten Wochen über diesen Sommer geärgert. Am einen Tag kalt, am nächsten wieder heiß. Und immer wieder Regen. An den grauen Regentagen, von denen es in diesem Sommer schon so viele gab, da hab ich besonders deutlich gespürt, wie gut jeder Lichtblick meiner Seele tut. Wenn nach dem Schauer für einen Moment der blaue Himmel zu sehen ist. Wenn die Wolken aufreißen und sogar ein paar Sonnenstrahlen durchlassen. Momente, in denen oft ein Regenbogen in den Wolken erscheint. Auch wenn ich natürlich weiß, wie so ein Regenbogen entsteht - ich muss trotzdem jedes Mal an Gottes Bogen in den Wolken denken. In der Bibel taucht der auf. In der Geschichte von einer Alles zerstörenden Sintflut. Als der Regen nämlich endlich stoppt, die Wolken aufreißen, so heißt es da, stellt Gott seinen Bogen in die Wolken. Als Zeichen eines Bundes, den er mit den Menschen schließen will. Als Hoffnungszeichen. Gott, der den Regen erst geschickt hatte aus Wut über die Menschen, besinnt sich. Will die totale Zerstörung nicht mehr, kein endloses Leid. Nie wieder, heißt es da. Ein wunderbares Bild.

Eines allerdings verheißt es nicht: Dass es nun auch die rundum perfekte Welt geben wird. Die gibt’s bis heute nicht. Leider. Menschen bekriegen sich immer noch, werden krank, sind traurig. Umso wichtiger die Lichtblicke. Die Lücken im Grau. Alles, was die Seele wärmen und aufrichten kann. Dafür steht der Regenbogen. Gottes Hoffnungszeichen in den Wolken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40296
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

17JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Letztes Jahr bin ich nochmal in dem Ort gewesen, in dem ich meine Kindheit verbracht habe. Zig Jahre war ich nicht mehr dort. Bin durch die Straßen und Gassen geschlendert, die ich jeden Tag auf dem Weg zur Schule gegangen bin. Vieles hat sich verändert. Anderes sieht noch genauso aus wie vor Jahrzehnten. Unzählige Erinnerungen verbinde ich damit. Und ja, auch so ein diffuses Gefühl von Heimat kam da wieder in mir hoch. Heimat, hab ich gedacht, könnte was mit Ankommen zu tun haben. Mit dem Gefühl, zu Hause zu sein. Aber ist das noch hier?

Der Regisseur Edgar Reitz hat sich in seinem Filmepos „Heimat“ damit beschäftigt. „Man sehnt sich vielleicht zurück“, hat er mal in einem Interview gesagt, „aber wehe, man tritt die Heimkehr an“. So ähnlich ging es mir dort auch. In Gedanken war ich zwar nochmal in meiner Jugend angekommen. Aber ich habe auch gespürt, hier gehöre ich nicht mehr hin. Erwachsen werden heißt schließlich, das Land seiner Kindheit hinter sich zu lassen. Aufzubrechen. Neues zu beginnen.

In der Bibel erzählen etliche Geschichten genau davon. Ob Abraham, Mose oder auch Jesus. Alle müssen erstmal die Heimat hinter sich lassen, um etwas bewirken zu können. Und wer weiß. Vielleicht gehört so ein diffuses Gefühl von Heimaltlosigkeit zum erwachsenen Leben ja auch einfach dazu. Weil Heimat immer neu entdeckt werden will. In meinem Glauben. In Menschen an meiner Seite. In mir selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40295
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

16JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Einmal mit dem Schiff die norwegische Küste entlangfahren bis hinauf über den Polarkreis. Eine Traumreise. Wie oft hat mein Vater davon gesprochen. Ich weiß, es war einer seiner Lebensträume. Nur erfüllt hat er ihn sich nie. Vor ein paar Jahren ist er dann gestorben. Seinen Traum, den hat er quasi mit ins Grab genommen.

Ich bin sicher, dass jeder Mensch Träume hat. Manche klein und leicht zu erfüllen. Andere nur mit großem Aufwand. Aber wie oft schieben wir die einfach beiseite? Ich kenne das ja auch von mir. Klar, es gibt immer Gründe, warum etwas gerade jetzt nicht geht. Weil ich den Aufwand scheue. Weil ich gerade keine Zeit oder kein Geld dafür habe. Weil ich zu jung, zu alt, oder was auch immer bin. Wie viele Lebensträume verkümmern so aber irgendwann? Bleiben am Ende ungelebt.

Aber was hindert mich, zumindest darauf hinzuarbeiten? Nicht nur davon zu träumen, sondern konkret was dafür zu tun. Auch wenn das im Moment vielleicht verrückt erscheinen mag. Und wenn am Ende dann doch nichts daraus wird – dann hab ich es immerhin versucht.

Die Reise jedenfalls, die mein Vater nie gemacht hat, die möchte ich noch machen. Ein bisschen wohl auch in Erinnerung an ihn. Und ich will damit nicht warten, so wie er. Bis es irgendwann vielleicht wirklich zu spät ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40294
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

15JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Am Ende hat die Kraft wohl nicht mehr gereicht. Eine alte Dame aus unserer Straße ist vor einiger Zeit gestorben. Ihre große Leidenschaft: Ihr Schrebergarten. Jedes Jahr hat sie den bepflanzt, hat Unkraut gejätet und im Herbst dann Obst und Gemüse geerntet. Oft viele Stunden lang. Irgendwann aber ging das kaum mehr. Dann hat sie gejammert, wenn ich sie getroffen habe. Über den großen Garten, der ihr so viel Arbeit macht. Von ihm trennen aber konnte sie sich einfach nicht. Ihn in andere Hände geben? Undenkbar. Mir kam es so vor, als ob für sie die Zeit dafür noch nicht reif war.

Dass alles im Leben eine bestimmte Zeit hat, das weiß aber schon die Bibel. Eine Zeit zum Gebären und eine zum Sterben, heißt es da. Eine Zeit zum Suchen und zum Verlieren. Und eben auch eine Zeit zum Anfangen und eine zum Aufhören.

Zu spüren, wann etwas anfängt und wann es aufhört und den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen. Darum geht’s. Manchmal ist das gar nicht so leicht. Denn oft hat das ja mit Abschiednehmen zu tun. Damit, etwas loszulassen, das mir lange lieb und teuer gewesen ist. Es ist wohl eine große Kunst im Leben, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen. Den Moment, an dem die Zeit ist, zu etwas Adieu zu sagen. Und so vielleicht auch wieder offen zu werden für etwas Anderes, Neues, das dann kommen will.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40293
weiterlesen...

SWR1 3vor8

14JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Eine Botschaft gut unter die Leute bringen, das ist alles andere als einfach. Was lassen sich Unternehmen nicht alles einfallen, um mögliche Kunden anzusprechen und von ihren Produkten zu überzeugen. Nun sind die Kirchen keine Unternehmen, die irgendwas verkaufen wollen. Aber auch sie wollen natürlich, dass ihre Botschaft bei den Leuten ankommt. Ist schließlich die frohe Botschaft, die Jesus selbst hinterlassen hat. Seit 2000 Jahren klappt das ja auch. Aber manchmal geht die Verkündigung dieser frohen Botschaft eben auch gründlich daneben. Das mag mitunter auch an Gottes Bodenpersonal liegen. Aber selbst die, die für die Frohe Botschaft brennen, dringen damit oft einfach nicht durch. Eine Erfahrung, die schon Jesus und seine Leute machen mussten. Davon erzählt die Geschichte, die heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören ist.

Die Zwölf, die Jesus unterstützen und begleiten, schickt er in Zweiergruppen los. Nichts Unnötiges sollen sie mitnehmen. Nur sich selbst und die Botschaft. Auf die Gastfreundschaft der Menschen sollen sie setzen. Darauf, dass Menschen bereit sind, sie und die Botschaft in ihren Alltag hineinzulassen. Bei Etlichen kommen sie damit auch an. Andere aber wollen nichts von ihnen wissen. Und in diesem Fall empfiehlt Jesus, einfach weiterzugehen und den Staub von ihren Füßen abzuschütteln. Ein Ausdruck, an dem ich schon oft hängen geblieben bin. Fromme Juden machten das damals, wenn sie heidnische Gebiete durchqueren mussten. Schüttelten symbolisch den Staub von den Sandalen, sobald sie durch waren. Eine Art symbolische Reinigungsgeste, die zeigen sollte: Mit denen machen wir uns nicht gemein. Zugegeben, sympathisch klingt das gerade nicht.

Und doch glaube ich, dass das, was Jesus seinen Leuten da rät, auch heute grundsätzlich sinnvoll sein kann. Denn wenn ich Menschen für eine Idee, ein Projekt gewinnen will, dann klappt das ja wirklich am besten, wenn es gelingt bei den Menschen anzukommen. Ehrlich und verlässlich. In ihrem Alltag und in ihren Herzen. Trotzdem werde ich erleben, dass Leute mich kritisieren. Mich anblaffen und auch ablehnen. Persönlich als Mensch. Aber auch das, was mir besonders wichtig ist.  

Und dann kann es manchmal sinnvoll sein, sich nicht in fruchtlose, oft verletzende Auseinandersetzungen zu verbeißen, sondern einfach weiterzugehen. Symbolisch also den Staub abzuschütteln. Anfeindung und schroffe Ablehnung tun weh. Können Motivation und Selbstwert brutal erschüttern. Wenn ich es dann schaffe, mich dadurch nicht runterziehen zu lassen. Wenn ich schaffe, den Staub abzuschütteln, behaupte ich mich selbst. Nehme das Heft des Handelns wieder in meine Hand. Ich weiß selbst: Das ist leichter gesagt als getan. Aber ich bin sicher: Auch das kann ich noch lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40250
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

06JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor kurzem schon wieder: Vollgelaufene Häuser. Menschen in Not. Die Flutbilder wiederholen sich immer öfter. Ich fühle mit diesen Menschen, die plötzlich alles verlieren. Vielleicht ihre Häuser aufgeben müssen. Und beruhige mich dann damit, dass mein Haus zum Glück ja weiter oben liegt. Dass mir das eher nicht passieren wird.

Und trotzdem merke ich: Da bleibt ein mulmiges Gefühl. Vor allem, nachdem ich wenig später vom „Notfallrucksack“ gelesen habe. Ein gepackter Rucksack, den jede und jeder haben sollte. Falls ich nämlich doch mal überstürzt mein Haus verlassen muss. Eine ganze Menge gehört da rein. Kleidung, haltbare Lebensmittel für mehrere Tage. Wasser. Ein Radio. Papiere natürlich und etliches mehr. Nun mag Hochwasser vielleicht unwahrscheinlich sein. Aber ein Feuer, ein verheerender Sturm oder noch Schlimmeres? Dass es auch mich mal treffen könnte, verdränge ich meistens ganz gut.

So ein Rucksack in der Ecke könnte mir dann zweierlei deutlich machen: Zum einen, was das heißt, fliehen zu müssen. Den Ort, wo ich geborgen bin, plötzlich zu verlieren. Mit Nichts als den Klamotten, die ich anhabe und diesem einen Rucksack. Kein angenehmer Gedanke. Und zum anderen: Dass es einfach beruhigender ist, vorbereitet zu sein, wenn es mal heftig kommen sollte im Leben.

Die Bibel empfiehlt dafür vor allem unerschütterliches Gottvertrauen. Das habe ich als Christ zwar. Trotzdem schnalle ich mich im Auto ja auch wie selbstverständlich an. Es ist wohl immer gut, beides zu haben. Vielleicht ja so einen „Notfallrucksack“ in der Ecke. UND das Vertrauen, dass es da auch noch einen Gott gibt, der mich dann nicht vergisst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40202
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

05JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor vier Wochen ist Bill Anders gestorben. Falls Sie den Namen noch nie gehört haben – so ging es mir auch. Aber ich kannte dieses eine, atemberaubende Foto, das er uns hinterlassen hat. Als Bildschirmhintergrund hab ich es auf meinem PC. Anders war Astronaut der Apollo-8-Mission. 1968 hat er den Mond umkreist. Und als er damals aus dem Fenster seiner Raumkapsel schaute, sah er, wie hinter dem Horizont der Mondoberfläche strahlend blau die Erde erschien. Da hat er auf den Auslöser gedrückt. Sein Bild „Earthrise“, Erdaufgang, gehört heute zu den berühmtesten Fotos der Geschichte.

Inzwischen gibt es tausende solcher Weltraumbilder. In mir lösen sie ganz oft so was wie Ehrfurcht aus. Vor der gigantischen Größe der Schöpfung und ihres Schöpfers. Und weil sie mir klarmachen, wie unfassbar winzig und unbedeutend wir auf unserer kleinen blauen Kugel im Universum doch sind. Der Astronaut und gläubige Katholik Bill Anders hat Jahre später übrigens eingestanden, dass er angesichts der überwältigenden Eindrücke da draußen seinen Glauben völlig verloren habe. Er konnte einfach nicht mehr glauben, dass in diesem unfassbar gewaltigen Universum ein Gott sein soll, den es vor allem interessiert, ob er, Bill, auch immer ein guter Junge gewesen sei. So hat er mal gesagt.

An so einen kleinkariert-bürokratischen Aufpassergott glaube ich auch nicht mehr. Aber ich hoffe trotzdem weiter auf einen Gott, der diesen winzigen blauen Planeten im endlosen Universum gewollt hat. Und zwar mit allem, was es darauf gibt. Auch mit mir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40201
weiterlesen...

SWR3 Gedanken

04JUL2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein Freund hat mir erzählt, dass er ein paar schwierige Monate hinter sich hat. Ausgebrannt sei er gewesen, habe irgendwann einfach nichts mehr gespürt. Keine Freude mehr. Keine Trauer. Keine Liebe zu Menschen, die ihm wichtig waren. Das vor allem hat ihn erschreckt. Langsam, nach und nach, hat er da selbst wieder rausgefunden. Geht jetzt wieder auf Konzerte, freut sich, wenn er mit Anderen zusammen ist. „Es war, als ob ich innerlich wie versteinert gewesen wäre“, so hat er es mal beschrieben.

Ich musste da unweigerlich an einen Satz denken, den ich schon so oft in der Kirche gehört habe. Da ist nämlich auch von einem „Herz aus Stein“ die Rede. Gott, so heißt es da, will das Herz von Stein aus eurer Brust nehmen und euch ein Herz von Fleisch geben. Gehört hab ich dahinter immer den moralischen Zeigefinger: Also, ihr seid selbst schuld, wenn ihr so hartherzig und grob seid. Aber Gott will's anders. Will, dass ihr warmherzige, freundliche Menschen werdet.

Mir ist heute klar, dass ein Mensch, der mir hartherzig und versteinert erscheint, oft selbst keine Schuld daran trägt. Vielleicht ist dieser Mensch ja tieftraurig. Vielleicht ist alles viel zu viel. Vielleicht ist sie oder er auch krank - und wünscht sich wahrscheinlich nichts sehnlicher, als endlich wieder was zu fühlen. Zurückzufinden ins Leben. So wie mein Freund es geschafft hat. Ob Gott dabei mithilft? Keine Ahnung. Aber der Gedanke tut mir gut, dass ich in so einer Lage nicht allein bin. Und dass auch Gott an meiner Seite ist und will, dass es mir gut geht. Das hilft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40200
weiterlesen...