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SWR3 Gedanken

18OKT2025
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Als ich Franz gesegnet habe, hat er mich mit großen Augen angeschaut und dann kurz gebellt. Franz ist ein großer Mischling, also ein Hund, den ich wie viele andere Hunde bei einem Tiersegnungsgottesdienst gesegnet habe. Dabei habe ich - vor allem zu Haustieren - ein – sagen wir – distanziertes Verhältnis.

Ich weiß natürlich, dass alle Haustierbesitzer eine ganz starke Beziehung zu ihrem Tier haben. Sie lieben ihre Hunde, Katzen, Vögel oder Hamster innig. Das sind wichtige und liebenswerte Lebensgefährten.

Gleichzeitig unterscheiden wir zwischen den Haustieren und den Nutztieren. In den seltensten Fällen arbeiten Tiere noch für uns, weil es dafür inzwischen Maschinen gibt, aber wir nehmen ihre Milch oder ihre Eier und: Tiere werden geschlachtet, dass Menschen sie essen können.  

Das finden Vegetarier und Veganer wiederum ungerecht oder auch eklig und deshalb machen sie da nicht mit. Kann ich verstehen, auch wenn ich selbst Fleisch esse.

„Gott, du hilfst Menschen und Tieren“ unter diesem Motto, das aus einem biblischen Gebet kommt, haben wir unseren Gottesdienst gefeiert. Und neben dieser Frage, ob Fleisch essen jetzt gut oder schlecht ist, hat mich dieses Motto noch zusätzlich bewegt.

Denn für mich heißt das, wenn Gott ganz explizit auch Tieren hilft, dann sind sie ihm nicht egal. Sie sind wertvoll von sich aus. Auch ganz unabhängig davon, ob Herrchen oder Frauchen sie wertvoll finden oder ob ich jetzt ein distanziertes Verhältnis dazu habe oder nicht.

So jedenfalls habe ich es noch gar nicht gesehen. Und ich glaube, wenn ich diesem Gedanken Raum gebe, wird sich meine Haltung und vielleicht auch mein Verhalten Tieren gegenüber verändern.

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SWR3 Gedanken

17OKT2025
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Bei dem Wort Schamlosigkeit fallen mir sofort Menschen ein: Solche, die frech sind, unverschämt, dreist. Von Steuerhinterziehern wird das gesagt oder von denen, die die Wahrheit verdrehen und lügen. Schamlosigkeit gilt – und in den meisten Fällen zurecht – als etwas Schlechtes. Dabei wäre ich manchmal gerne schamlos.

Zum Beispiel als ich mal – das war noch vor der Smartphone-Zeit - nachts im Regen in Hamburg Altona eine Straße gesucht und nicht gefunden habe. Unbelehrbar und stur bin ich gefühlt eine Stunde im Kreis gefahren und die Laune wurde immer schlechter, bis meine damalige Freundin und ich uns richtig gezofft haben.

Wäre ich nur meine Scham los gewesen und hätte mir eingestanden, dass ich einfach die Orientierung verloren habe. Und wäre ich so schamlos gewesen und hätte einfach einen Passanten gefragt…

Scham, kann einen unglaublich lähmen. Vor allem die Scham, es nicht mehr selbst im Griff zu haben oder etwas nicht zu können. Dabei müsste doch klar sein: Wir schaffen sowieso nie irgendetwas allein. Wir haben es nicht allein geschafft auf die Welt zu kommen, wir haben es nicht allein geschafft groß zu werden. Wir haben auch die Schule oder die Ausbildung nicht allein geschafft. Natürlich müssen wir immer mitarbeiten und fleißig sein, aber allein schaffen wir, glaube ich gar nichts. Ich würde sogar sagen: Das gehört zum Mensch-sein dazu, dass wir aufeinander angewiesen sind.

Vielleicht reden wir uns das auch nur ein, dass wir alles allein schaffen müssen, weil wir niemanden auf die Nerven gehen wollen. Vielleicht wurden wir so erzogen. Aber ich glaube wirklich: Wir könnten eigentlich mehr Schamlosigkeit wagen und zugeben: Ich schaff das nicht. Und vielleicht hilft das sogar anderen, auch offener über die Dinge zu sprechen, für die sie sich eigentlich schämen und es gar nicht müssten.

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SWR3 Gedanken

16OKT2025
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Ich hätte gern ein elftes Gebot. - Ich weiß, bei vielen heißt das elfte Gebot „Du sollst dich nicht erwischen lassen!“, aber ich wünsche mir in letzter Zeit manchmal ein anderes elftes Gebot, nämlich: „Du sollst keine Angst verbreiten.“

Weil: Wer Angst verbreitet, möchte vor allem, dass wir klein und stumm werden. Angst verbreiten geht ganz unterschiedlich: Unwahrheiten verbreiten, so dass man sich fürchtet, Misstrauen und Zwietracht säen, oder wenn Gruppe martialisch auftreten und ihre Macht willkürlich nutzen

Ob die Gruppe nun Gestapo heißt oder Staatssicherheit oder in der letzten Zeit in  den USA: ICE. Also die amerikanische Einwanderungs- und Zollbehörde, bei der maskierte Männer willkürlich Menschen an ihrer Arbeitsstelle, an den Schulen oder vor dem Kirchenbesuch ohne Begründung festnehmen. – die verbreiten wirklich Angst.

Streng genommen ist es ja so, dass es in der Bibel die zehn Gebote gibt und dann noch viele weitere. Wenn man so will, ganz viele elfte Gebote. Und auch sie versuchen unser Zusammenleben zu regeln. Und die heißen dann „Du sollst keine falschen Gerüchte verbreiten“ oder „Du sollst der Menge nicht auf dem Weg zu Bösen folgen“ oder „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken.“ Ich finde, das sind schon auch gute Regeln, an denen man sich orientieren könnte. Und wer sich daran hält… ich finde, der kann keine Angst verbreiten. Aber eben so ganz wörtlich steht da nirgends: „Du sollst keine Angst verbreiten.“

Dafür steht ganz häufig in der Bibel: Fürchte dich nicht. Und es tut schon auch gut, ermutigt zu werden, wenn die Angst um sich greift und man sich vielleicht auch gegen die Angstmacher wehren muss.

Aber das ist kein Gebot, sondern eben eine Ermutigung. Und auch wenn es nicht in der Bibel steht: ich würde mir schon wünschen, dass es wirklich auch klar und deutlich ist: Anderen Angst zu machen ist nicht gut und keiner sollte es tun.

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SWR3 Gedanken

15OKT2025
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Rainer findet, dass eigentlich alles Mist ist. Das fängt damit an, dass er eine Steuererklärung machen muss, was er hasst. Es geht weiter mit den Menschen, die alle nicht Autofahren können und bei der Politik wird es ganz heftig. Denn im Zweifel wollen „Die da Oben“ einen doch sowieso nur hinter die Fichte führen und reinlegen. Alles Mist.

Rainer ist nicht sein richtiger Name, den würde er hier nicht hören wollen, aber er findet: „Alles Mist“ würde das Leben ganz gut und vor allem sehr ehrlich beschreiben. Manchmal habe ich den Eindruck: Für Rainer ist diese Haltung: „Alles ist Mist“ fast schon eine Religion. Als ob es einen „Alles ist Mist-Gott“ geben würde. „Dem Alles ist Mist-Gott“ kann man vertrauen, weil er einem beibringt: Du darfst niemanden vertrauen.

Wenn ich Menschen taufe, sage ich: Du gehörst zum Gott, der dich liebt. Das soll dir ein guter Grund sein. Wie ein Boden auf dem Du gut stehen kannst. Und ich finde, das ist gerade das Gegenteil von einem  „Alles ist Mist“-Gott.

Natürlich erleben auch getaufte Menschen Mist. Sie erleben, dass sie hinfallen, dass ihr Herz gebrochen wird, sie werden von anderen enttäuscht. Trotzdem, der Wahlspruch fürs Leben soll nicht sein „Alles ist Mist“ sondern: ich bin geliebt und damit habe ich einen guten Stand, um das Leben zu entdecken.

Vielleicht langt es ja schon sich einzugestehen: Manchmal – und auch öfter -  erlebe ich Mist im Leben. Aber „ALLES“ ist es eben nicht. Es gibt noch genug Dinge, die mich wieder daran erinnern, dass Gott doch Gutes für mich will. Ich höre jedenfalls nicht auf, Rainer daran zu erinnern.

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SWR3 Gedanken

14OKT2025
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Hospizarbeit, das bedeutet, dass sich jemand um die kümmert, die bald sterben werden – deren Leben zu Ende geht. Es gibt eigene Hospize, also Häuser, wo Menschen die letzten Monate vor ihrem Tod leben können. Dort sollen die Menschen sich richtig wohlfühlen. Es ist wohnlicher als in einem Krankenhaus und auch das geliebte Haustier darf mit.

Etwas weniger bekannt ist vielleicht die ambulante Hospizarbeit, wo Menschen zu Hause besucht werden. Es hilft schon so viel, wenn Angehörige mal in Ruhe einkaufen können, weil sie wissen, dass ein ehrenamtlicher Mitarbeiter zu Hause beim Sterbenden sitzt und Ansprechpartner ist. Sterben kann lange dauern.

Egal ob stationär oder ambulant: Ich finde diese Arbeit ist unendlich wichtig und ich bin dankbar für die Menschen, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben.

Und ich bin auch deshalb dankbar, weil es gar nicht so selbstverständlich ist, dass eine gute Begleitung von sterbenden Menschen bei uns möglich ist. Die Hospizbewegung ist nämlich erst in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden. Und es waren Jahrzehnte auch und gerade der politischen Arbeit, die dafür gesorgt haben, dass inzwischen eine palliative Versorgung am Ende des Lebens gewährleistet ist. Dazu mussten in den Ländern und in Deutschland Gesetze erlassen werden, die regeln, dass zum Beispiel die Arbeit der Hospizvereine gefördert werden kann. In diesem Jahr wird eines der entscheidenden Gesetze 10 Jahre alt. So können die vielen ehrenamtlichen und die wenigen hauptamtlichen Mitarbeiter ihre Arbeit gut tun.

Viele Gründe also, dass es einen Tag gibt, der das ganze feiert. Heute ist Welt-Hospiztag. Danke also an alle, die sich für die engagieren oder engagiert haben, deren Leben zu Ende geht.

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SWR3 Gedanken

13OKT2025
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Der Übergang von der „einfachen Peitsche“ zu den “Wolkenhänden“ fällt mir schwer. Ich versuche mich seit einiger Zeit in Taiji. Die alte chinesische Kampfkunst, die bei uns auch „Schattenboxen“ genannt wird. Es geht um fließende Bewegungen, die Kampfbewegungen abgeschaut sind. Nur, dass man beim Taiji gar keinen Gegner braucht. 

Für mich ist es nicht nur eine sportliche, sondern auch eine geistliche Übung. Denn Taiji hilft mir, den Kopf frei und leer zu bekommen.

Manche haben mir auch schon gesagt: Das geht doch nicht! Als Christ und sogar Pfarrer so eine Kampfkunst zu lernen. Das kommt doch aus China. Das hat keine christlichen Wurzeln. Stimmt, hat es nicht. Aber auch die christlich-mystische Tradition weiß: Erst ein freier, leerer Kopf hat Platz für Gott.

Für mich ist die Taiji-Stunde einer der wenigen Momente in meiner Woche, der nur für mich ist. Ich muss nichts aktiv denken und entscheiden. Denn an dem Morgen bin ich komplett darauf fokussiert, den Übergang von der „einfachen Peitsche“ zu den „Wolkenhänden“ zu finden und beim „Goldenen Hahn“ gut auf einem Bein zu stehen.

Und ich bin immer wieder erstaunt, dass es auch mit Taiji so lange braucht, bis ich endlich frei im Kopf bin. Wenn, dann sind es erst die letzten paar Minuten, in denen das klappt.

Ich habe für mich daraus gelernt – Einmal: Es braucht viel Übung, um in diesen Zustand zu kommen. Und dann: Es braucht auch viel Zeit, die ich mir nehmen muss. Nicht nur, um Dinge zu lernen und aufzunehmen, sondern auch um den Kopf frei und leer zu bekommen.

Aber ich finde, es lohnt sich, denn dann bin ich nicht nur fitter und kann meine Arbeit besser erledigen, sondern ich habe auch wieder Platz für Gott und das, was er mir sagen will.

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SWR3 Gedanken

12OKT2025
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Bei uns im Ort gibt es Ortshymne. Kinder lernen sie in der Schule oder spätestens in den Vereinen. Und ich habe schon Konfirmanden erlebt, die sich im Bus, nachdem sie ein Wochenende lang weg waren, am Ortsschild erhoben haben, um diese Ortshymne zu singen.

Ich finde es schön, wenn man sich für seinen Ort begeistern kann. Und ich finde es schön, wenn die Leute dann auch mit anpacken für ihren Heimatort. Wir sind gemeinsam unterwegs und gestalten was: Vom Fußballturnier über die Sitzung des Kleintierzüchtervereins bis zum Musikfest.

„Sucht der Stadt Bestes“ (Jer 29,7), das ist ein beliebtes Motto aus der Bibel, gerade wenn Kirche und Stadt bei manchen Festen zusammenarbeiten. „Sucht das Beste für die Stadt“. Seid aktiv, bringt euch ein. Macht eben das Beste daraus.

Klingt gut und wenn man die Geschichte dahinter kennt, wird es noch wilder. Denn dieses: „Sucht das Beste für die Stadt“, das wird dem Volk Israel vor tausenden Jahren gesagt, als es nach Babylon verschleppt wurde. Dem Volk Israel wurde also gesagt: Engagiert euch! Und das ausgerechnet für die Stadt und die Leute, die nicht die Euren sind. Engagiert euch für die Stadt der Fremden, die euch aus eurer Heimat vertrieben haben und deren Hymne ihr deshalb nicht mit Begeisterung mitsingen könnt.

Ob ich das könnte? Mich für die Stadt der Fremden, die mir Leid zugefügt haben, zu engagieren? Kommt vielleicht darauf an, ob mein Engagement für die Stadt nicht nur gerne angenommen, sondern auch wertgeschätzt wird. Ich denke, da würde es manchen leichter machen, die Ortshymne auch mitzusingen.

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SWR3 Worte

06SEP2025
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Der Experte für künstliche Intelligenz Christoph Heilig hat bemerkt, dass viele, wenn sie von Künstliche Intelligenz sprechen, religiöse Bilder verwenden:

Zum Beispiel sagen sie, dass die KI - allwissend sei. Gerade in einer Welt, in der alles auch durch die Künstliche Intelligenz zur Perfektion strebt, sieht er darin Chancen für Menschlichkeit und das gelebte Christentum.  

Das Menschliche könnte gerade durch die Dominanz des Technischen in unserem Alltag wieder an Wert gewinnen. Darin liegt eine Chance für das Christentum. Ich bin mir sicher: Die meisten von uns haben nicht das Gefühl, dass sie kurz vor dem Upload in die Cloud stehen, und wollen das auch gar nicht. Eine Religion für Unperfekte wäre da doch eine attraktive Alternative.

Chrismon Plus, 5/6 2025

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SWR3 Worte

05SEP2025
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Der Arzt und Demenzspezialist Klaus Fliessbach ruft dazu auf, grundsätzlich anders mit Krankheit und Tod umzugehen. Er begründet das so:  

Wie jemand für sich einen Weg findet, mit seiner Krankheit umzugehen, ist sicher individuell sehr unterschiedlich, aber Krankheit und Tod gehören zum Leben dazu. Es gibt eine Grundhaltung in unseren modernen westlichen Gesellschaften, negative Aspekte auszublenden und auf Hedonismus zu setzen. Ich erhoffe von meinen Mitmenschen und von der Gesellschaft mehr Akzeptanz, dass jeder Mensch krank werden kann. Ich selbst kann der Nächste sein. Eine Krankheit sollte nicht als Zumutung oder Ungerechtigkeit wahrgenommen werden, sondern als Herausforderung oder Aufgabe.

Zeitzeichen, 3/25

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SWR3 Worte

04SEP2025
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Gabriele von Arnim ist Autorin und möchte auch angesichts der schwierigen Situation der Welt nicht aufgeben. Sie sagt:

Es ist wichtig... nicht in Schockstarre zu verfallen, sondern trotz allem nach vorn zu schauen. Nach einem Moment der Traurigkeit - den man sich unbedingt zugestehen sollte - den Blick zu öffnen für das Gute, das es ja zum Glück ebenfalls noch gibt. ... Mein Credo ist: kleine Kreise bilden.
...
Wir sollten anfangen, essenzielle Inseln zu retten und zu bewahren: Enklaven der kulturellen, gesellschaftlichen und sexuellen Diversität, des freien Forschens und des freien Denkens, der Rebellion gegen autokratische Einschränkungen. Wir brauchen Inseln der menschlichen Nähe und Freundlichkeit, der Gemeinsamkeit.

Zeitschrift Galore Interviews, Dialog GmbH Dortmund, Ausgabe 68 Galore (05/2025)

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