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SWR3 Gedanken

05OKT2024
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Rike hört zu. Sie hört gerne zu. Und es gibt immer wieder Situationen, da sind Menschen, Freunde, Bekannte, sehr dankbar, dass sie da ist und ihnen zuhört.

Und Rike hört nicht nur zu, sie fragt auch oft nach, weil: Sie will wirklich wissen, wie es einem geht. Hab ich auch schon erfahren, als ich mal Hilfe brauchte. Es ist außerdem ihre Form der Nächstenliebe. Sie backt keine Kuchen, sie kann keine Pullover stricken, sie verschenkt keine selbstgemachte Marmelade, aber sie kann zuhören und fragt nach.

Aber manchmal kann sie auch nicht mehr. Dann muss sie Pausen machen. Dann kann sie nicht mehr zuhören und bleibt lieber für sich allein. Das ist ihre Art der Selbstliebe. Dafür braucht sie keinen Tag im Wellnessbad. Sie braucht dann einfach Ruhe. Sie macht dann nichts und will auch niemanden sehen. Manchmal wirkt das abweisend, aber Rike sagt, sie muss auf sich selbst aufpassen. Auch ein Ohr, das gerne zuhört, ist manchmal überlastet. Es hat sogar schon mal ziemlich gepfiffen. Tinnitus, hat der Arzt gesagt. Ist zum Glück wieder weggegangen.

Rike sagt, sie glaubt an Gott. Es gibt Zeiten, da macht der Glaube es ihr leichter zuzuhören und nachzufragen. Dann hat sie das Gefühl genau auf dem richtigen Weg zu sein und sie weiß für sich ganz genau: Das ist mein Talent, das mir Gott gegeben hat und ich darf das einsetzen. Das motiviert sie dann, sogar noch besser zu werden. Sie meditiert regelmäßig. Dabei versucht sie nicht zu hören, nicht zu denken und ihr Herz weit zu halten. Sie sagt, sie stellt sich dann vor, dass Gott ganz lange und ganz genau in sie hinein hört. Das tut ihr gut.

Ich höre gerne zu, wenn Rike von ihrem Glauben und Gott erzählt. Und weil das so interessant ist, frage ich auch nach. Ihr Zuhören ist irgendwie ansteckend. Und ihr Glaube auch.

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SWR3 Gedanken

04OKT2024
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Kati freut sich über das Wort "toxisch". Das geht anderen ganz anders. Sie finden, dass dieses Wort so ein Zeitgeistphänomen ist. Vieles ist heutzutage toxisch, also giftig geworden. Männer und Beziehungen im Besonderen oder Eltern-Kind-Verhältnisse. Irgendwie kann alles toxisch sein. Toxisch wird inzwischen inflationär verwendet, finden jedenfalls diejenigen, die dieses Wort und seinen Gebrauch kritisieren.

Kati freut sich aber trotzdem über das Wort. Und sollte es tatsächlich der Zeitgeist gewesen sein, der uns dieses Wort gebracht hat, ist sie dem Zeitgeist überaus dankbar. Denn als Kati aufgewachsen ist, hat ihr Vater sie geschlagen. Kati heißt ganz anders und als sie jung war, war der Krieg gerade mal 10 Jahre vorbei.

Und dass Kati von ihrem Vater geschlagen wurde, war nicht ungewöhnlich, weil Elke und Hans damals auch geschlagen wurden. Nicht so schlimm wie Kati, aber Schläge bei Kindern - das entsprach dem damaligen Zeitgeist. Kein Mensch hat darüber geredet und vor allem: Es gab keinen Begriff dafür, dass Schläge nicht das richtige Mittel sind, Kinder zu erziehen.

Aber jetzt gibt es das Wort "Toxisch" und für Kati bringt es ihre Situation in den 50er Jahren auf den Punkt. Ihr Vater und seine Schläge haben ihr Leben vergiftet. Das hilft ihr, darüber zu sprechen. Zu benennen, was ihr im Leben Schwierigkeiten gemacht hat und auch mit anderen darüber zu sprechen, dass es toxische Beziehungen gibt und wie sie sich auswirken.

Und so sprechen weibliche und männliche Influencer in den Sozialen Medien über toxische Männlichkeit oder toxische Beziehungen. Für manche nur ein weiteres Zeitgeistphänomen. Für Kati ein Geschenk eines heilenden Geistes, womöglich des Heiligen Geistes…

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SWR3 Gedanken

03OKT2024
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"Friedliche Koexistenz", das ist inzwischen ein ausgestorbener Begriff. Das letzte Mal, dass ich ihn gehört habe, muss wohl Ende der 80er Jahre gewesen sein. Da bin ich mit einer Gruppe aus unserer Kirchengemeinde ins Erzgebirge gefahren und habe die damals noch existierende DDR besucht. 

Wir haben ein Kirchenfest besucht, waren beim Gottesdienst und bei der Kinderkirche. Und ausgerechnet da erzählte eine Frau eine Geschichte für die Kinder, in dem dieser Begriff vorkam: "Friedliche Koexistenz". Die Westkinder wussten damit überhaupt nichts anzufangen, die Ostkinder wohl schon.

Der Begriff „Friedliche Koexistenz“ wurde vom früheren Regierungschef der Sowjetunion Nikita Chruschtschow geprägt und meinte: Kommunismus und Kapitalismus können nebeneinanderher existieren, ohne sich vernichten zu müssen. Gemessen an früheren Drohgebärden ist das ein Fortschritt gewesen.

Inzwischen leben wir aber in einer ganz anderen Welt.  Was DDR und Bundesrepublik war, koexistiert nun nicht mehr friedlich nebeneinander her. Inzwischen sind wir seit 34 Jahren ein Volk, das miteinander existiert.  Denn was den Osten angeht, geht den Westen an und umgekehrt. Und was in Brandenburg passiert, hat mitunter Auswirkungen im Saarland. 

Welche Geschichte die Frau den Kindern damals im Kindergottesdienst erzählt hat, weiß ich nicht mehr. Heute könnte sie vielleicht die Geschichte vom Apostel Paulus erzählen, der versucht, in Korinth die Menschen zusammenzubringen. Er sagt: Wir gehören alle zusammen, weil Gott uns zusammenhält. Jeder tut das, was er oder sie kann. Jeder Beitrag wird gebraucht und alle sind gleich viel wert. Und eins ist klar: „Friedliche Koexistenz“ langt nicht mehr.

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SWR3 Gedanken

02OKT2024
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An diesem Abend war StarTrek meine Rettung. Einfach nur eine simple Folge, bei der Menschen durch den Weltraum geflogen sind und Probleme damit gelöst haben, dass sie miteinander geredet haben. Selbst in den ausweglosesten Situationen. Sie wollten die Gegner nicht einmal zur Sicherheit ein bisschen anschwindeln. Es ging einfach ständig darum, ehrlich zu sein und zum Schluss wurde alles friedlich gelöst.

Diese völlig utopische Geschichte war eine Wohltat, nachdem ich vorher die Debatten zur Politik und die Nachrichten angeschaut hatte. Ich fühlte mich müde und frustriert. Aber diese Geschichte einer Menschheit, die mit allen Mitteln das Gute tun will, auch wenn sie sich dabei selbst in Gefahr bringt, hat mir gutgetan. Denn so seltsam es klingt: Ich brauche diese Geschichten aus der anderen Welt manchmal.

Geschichten, wie ich sie auch in der Bibel finden kann. Ich brauche diese irren Geschichten, damit ich nicht selbst irre werde. Damit ich nicht verzweifle und wieder darauf vertrauen kann: Es gibt Menschen, die das Gute unbedingt wollen, auch wenn das anstrengender ist, als einfache und schnelle Lösungen. Es gibt Menschen, denen es um die Menschen und ihre Bedürfnisse geht und nicht darum, endlich Ruhe zu haben. Und dann habe ich auch wieder den Blick frei, um zu erkennen: Es gibt sie auch in dieser Welt: Menschen, die mit ihrem Leben und mit dem was sie tun, diese Geschichten Wirklichkeit werden lassen. Die fliegen nicht durchs Weltall, aber sie kümmern sich darum, dass Kinder lesen lernen. Sie reden mit Behörden und suchen Babyklamotten für eine junge Mutter. Sie engagieren sich dafür, dass in unserer Demokratie die Würde jedes Menschen geachtet und wirklich nicht angetastet wird.

Das gibt es und es gibt mir Mut, auch daran mitzuwirken. Und manchmal hilft mir dabei eben auch eine Folge StarTrek.

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SWR3 Gedanken

01OKT2024
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Meine Mutter lebt nun seit mehreren Jahren in einer anderen Welt. In ihrer Demenzwelt. Einer Welt, die ich nicht erreichen kann. Oft schaut sie leer. Sie spricht eigentlich gar nicht mehr. Nur noch selten gelingt eine Verständigung. Musik hilft aber manchmal, diese unglaubliche Distanz wenigstens ansatzweise zu überwinden.

Und diese Fähigkeit der Musik wird heute, am Weltmusiktag gefeiert. Die UNESCO, also die Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, haben diesen Tag ausgerufen, weil sie finden: Musik ist etwas, das uns miteinander verbindet, über alle Grenzen hinweg.

Zugegeben, die UNESCO hat da vor allem daran gedacht, dass die verschiedenen Völker mit ihren unterschiedlichen Sprachen und Kulturen sich mithilfe der Musik über die Grenzen hinweg verständigen können. Auch darüber bin ich froh und dankbar. Denn das habe ich schon oft erlebt. Miteinander reden ist schwierig. Miteinander singen und tanzen geht aber gut.

Ja, mit Musik kann man sich verstehen, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht und wenn man in einer ganz anderen Kultur aufgewachsen ist.  

Meine Mutter auf der Demenzstation wirkt für mich mitunter weiter weg als ein Kalimba-Spieler in Kenia. Und doch: als wir einmal “Hoch auf dem gelben Wagen” gesungen haben, war da ein Gefühl, eine Zusammengehörigkeit. Und das ohne, dass sie gesungen hat. Ich ahne: Sie hat etwas Vertrautes erkannt. Das ist schon viel und ich bin dankbar, dass Musik diese Fähigkeit hat. Ein guter Grund, den Weltmusiktag zu würdigen. Und wieder und wieder zu versuchen mit fremden Welten Kontakt aufzunehmen.

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SWR3 Gedanken

30SEP2024
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Das obere Donautal ist eine beeindruckende Landschaft. Schroffe, steilabfallende Felsen und in der Mitte die junge Donau. “Schwäbischer Grand Canyon”! -Damit wirbt jedenfalls der Tourismusverband. Ein kleines Paradies für Wanderer und Kletterer.

Am Morgen einer Wandertour mit meiner Gruppe aus Jugendlichen und Erwachsenen schaue ich ins Tal. Ein wirklich erhabenes Gefühl.

Später besuchen wir die Klosterkirche in Beuron und entdecken gemeinsam, dass sie dem Heiligen Martin gewidmet ist. An der Decke können wir auch das Bild erkennen, auf dem die bekannte Geschichte dargestellt ist. Man sieht wie der Soldat Martin für den Bettler den Mantel teilt. Die Kirche ist in verspieltem Barock ausgeschmückt. Aber ich finde besonders sind vor allem die gemalten Geschichten von Martin oder von Jesus, die auf Arme zugehen und sich auf diese Weise für Gerechtigkeit einsetzen.

Ich freue mich über diese Wanderung. Sie hat für mich zusammengebracht, was mitunter auseinanderfällt: Das besondere, heilige Gefühl, das durch eine beeindruckende Landschaft entsteht und die Geschichten der Heiligen oder der Bibel, die davon erzählen, dass die Welt sich nach Gerechtigkeit sehnt.

Ich finde nämlich, dass gerade beides für meine Spiritualität zusammengehört: Das erhabene Gefühl auf der einen Seite, aber auch die Geschichten, die davon erzählen, dass Gerechtigkeit möglich ist. Beides atmet Heiligkeit. Die Natur erzählt mir nichts von Gerechtigkeit und die Geschichten erzeugen in mir jedenfalls nicht immer so ein besonders Gefühl. Aber so hat sich beides miteinander verbunden und das tat unendlich gut.

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SWR3 Gedanken

29SEP2024
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Nach dem Tod der Queen hat jemand auf Facebook geschrieben: "Mögen Engel und ihre Corgis sie auf dem Weg in den Himmel begleiten". Ich fand das schön. Dieses Bild und die Vorstellung davon haben mich froh gemacht und getröstet. Und ich habe gedacht, ach, das finde ich auch für mich ein schönes Bild: Wenn ich sterbe, werde ich von Engeln begleitet.

Ich habe in Statistiken gelesen, dass sich die Mehrheit der Menschen in Deutschland zwar als nicht religiös bezeichnet, aber an Engel glaubt jeder Zweite. Vor allem an den berühmten Schutzengel. Die allermeisten haben wohl auch gleich ein Bild vor Augen, wenn sie an Engel denken.

Dem Namen nach sind Engel einfach Boten. Das griechische Angelos heißt nichts anderes als “Bote”. Aber natürlich gibt es auch in der Bibel den klassischen Schutzengel: Jesus selbst meint, dass Kinder einen haben. (Mt 18, 10) 

Engel tun allerdings so einiges in der Bibel. Sie verkünden die unglaubliche Geburt von Jesus, warnen, indem sie einen Esel zum Sprechen bringen oder wachen vor den Toren des Paradieses.

Und der Erzengel Michael - der dem Michaelistag heute den Namen gibt - ist ein richtiger Kämpfer: Michael bekämpft Drachen und Satans Heerscharen. Schon in der Bibel sind Engel also auch mehr als himmlische Postboten.

Ich finde schön, dass mich der heutige Michaelistag an all diese Engelarten erinnert und daran, wie unterschiedlich sie sind.

So werde ich nicht nur begleitet, sondern Engel kämpfen auch für mich, sie warnen mich. Und wer weiß: Vielleicht hat mir einer einmal etwas ganz Besonderes auszurichten.  

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SWR3 Worte

27JUL2024
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Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein! Das predigen Minimalisten und machen daraus sogar einen Lebensstil. Die Philosophin Kathrina Ceming gibt aber folgendes zu bedenken:

(E)s gibt viele schöne Dinge (…), die man ohne oder mit wenig Geld tun kann, zum Beispiel die Natur bei einer Wanderung genießen, Musik machen, Sport im Verein ausüben, Malen, in einem Chor singen und so weiter. Das stimmt, und zum Glück gibt es viele Menschen, die dies mit großer Freude tun. Es ist jedoch ein Unterschied, ob Sie etwas tun, weil Sie sich nichts anderes leisten können, oder ob Sie viele andere Möglichkeiten hätten, dies aber bewusst nicht in Anspruch nehmen. (...)
Minimalismus als Lebensstil geht fast immer von einer Reduktion vorhandener Besitztümer aus. (…) So absurd es klingt: Verzicht muss man sich leisten können.

Katharina Ceming, Sinn erfüllt

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SWR3 Worte

26JUL2024
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Der Kolumnist Axel Hacke hat manchmal Angst, dass die Welt wirklich und wahrhaftig untergeht. Bei all den Krisen kein Wunder. Seine Tochter hat ihn inzwischen aber davon geheilt. Wie, erzählt er so:

(Wir) standen (…) in der Küche, meine Frau, unsere damals zwölfjährige Tochter und ich. Einer unserer Söhne rief an. Meine Frau sprach mit ihm, offenbar erkundigte er sich nach meinem Wohlergehen, denn sie sagte irgendwann (ich glaube sogar: lächelnd) "Papa geht es nicht so gut, er hat heute Morgen schon vom Weltuntergang gesprochen."
"Weltuntergang?!", rief die Tochter erschrocken, "Aber ich hab doch noch gar kein Abitur!" Nun hat sie es längst. Und die Welt ist immer noch da.

Axel Hacke, Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte

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SWR3 Worte

25JUL2024
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Was ist Glück? Manchmal ist es nur eine zufällige Begegnung. Das beschriebt jedenfalls der Autor Heribert Leslie Gee:

An einem der letzten Abende hatte ich wirklich Glück. Ich meine damit nicht, daß ich Geld gewonnen hätte oder sowas. Nein. Ich traf nur Wilkins. (...) Wir redeten über dies und das, und die Zeit verging wie im Flug. Wir lachten ein bißchen zusammen und bedauerten einen gemeinsamen Freund, der krank ist - und dann ging jeder nach Hause.
Das war alles. Aber es tat wirklich gut, Wilkins so unerwartet zu treffen und miteinander zu reden und einander so sympathisch zu finden. Es klingt nicht nach viel, oder? Aber ich genoß es.

Aus: Zusammen wachsen, hg. V. Waldemar Wolf / Renate Spennhoff

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