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SWR3 Worte

20APR2024
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Moshtari Hilal, Künstlerin aus einer kurdischen Familie, hat sich immer hässlich gefühlt. Irgendwann hat sie entdeckt, dass die Hässlichkeit gar nicht in ihr lag, sondern in den Augen der Betrachter. Der Hass auf alles, was anders ist, erzeugt die Hässlichkeit:

Auf meiner Suche nach Schönheit an den Stellen, an denen ich lange nur Scham und Hass kannte, bin ich der Hässlichkeit begegnet. Sie war mir vertraut in mir selbst, bekannt in anderen, aber ich lernte sie neu kennen. Je mehr ich über Hässlichkeit erfahre, desto mehr versöhne ich mich mit ihr. Ich fürchte sie immer weniger. Hässlichkeit ist alles andere als oberflächlich. Sie erschüttert existentiell, fragt nach der Bedeutung und dem Wert des Lebens.
Wenn wir uns mit der Hässlichkeit versöhnen, dann bietet sie Großartigkeit, diesen anderen Wert, der durch unsere Existenz selbst geschaffen wird, nicht durch Nutzen oder Anpassung.
Ich bin hässlich, weil ich bin. Ich bin schön, weil ich bin.

Hässlichkeit. Moshtari Hilal

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SWR3 Worte

19APR2024
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Armut und Hunger bringen Menschen zum Stehlen – eine buddhistische Erzählung findet darauf eine überraschende Antwort:

Ryokan, ein Zen-Mönch, wohnte in einer kleinen Hütte am Hang. Er lebte wie alle Zen-Mönche einfach und bescheiden. Eines Abends, als er im nahegelegenen Dorf war, durchwühlte ein Dieb seine Hütte. Der Dieb suchte und suchte – aber es gab nichts, was sich zu stehlen gelohnt hätte. Gerade als er sich wieder davonmachen wollte, kam Ryokan zurück. ‚Du bist einen weiten Weg gegangen, um mich zu besuchen‘, sagte er zu dem Dieb, ‚und du hast lange und vergeblich gesucht, um etwas für dich zu finden. Du sollst nicht mit leeren Händen von mir weggehen. Nimm dieses hier, was ich aus dem Dorf zum Essen mitgebracht habe. Und nimm meine Kleider als ein Geschenk von mir.‘ Der Dieb war verblüfft. Er nahm die Kleider und das Essen und verschwand so schnell er konnte. Ryokan setze sich nackt und hungrig vor seine Hütte und betrachtete den Mond. ‚Armer Kerl‘, murmelte er, ‚ich wünschte ich könnte ihm noch diesen wunderschönen Mond schenken.‘

Grundkurs KU, Neuausgabe

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SWR3 Worte

18APR2024
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Wenn ich groß bin, wenn ich Geld habe, wenn … das Leben aufzuschieben, bis alles perfekt ist, hält Giannina Wedde nicht für den richtigen Weg. Sie meint:

Das Leben beginnt nicht erst, wenn du zur vollen Blüte gekommen bist, wenn du sonnige Tage und Glück gesammelt hast unter einem Dach, das dich schützt. Es beginnt nicht erst, wenn du gesund bist und deine Träume Wirklichkeit geworden sind, wenn eine Antwort warm auf jeder Frage liegt und eine freundliche Berührung auf deiner Wange. Es beginnt nicht erst, wenn du diese eine Wunde noch verschlossen, deine Traurigkeit geheilt, den Zorn befriedet und das Meer der Angst gegen bleibende Herzensruhe eingetauscht hast. Das Leben ist längst da.
Es hat anders als du nie an dir gezweifelt. Es hat dir Zeichen wie Blüten auf deine Wege gestreut, damit du nicht vergisst, wie kostbar jede Empfindung und jede Begegnung ist, jedes Wagnis und jeder Aufbruch in dieser Welt – wie du. Vertage nichts.

In winterweißer Stille, Giannina Wedde

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SWR3 Worte

17APR2024
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Pierre Stutz ist spiritueller Begleiter. Auf die Frage nach dem Leid sagt er:

Es gibt keine Antwort auf die Frage nach dem Leiden, dem monströsen, himmelschreienden, schrecklichen, entsetzlichen Leiden.
Es gibt eine Antwort: Dabeibleiben, mitleiden, berühren, aushalten, trösten, mitschreien. Hoffnung, dass du mitaufstehst.

Pierre Stutz, Verwundet bin ich aufgehoben. Für eine Spiritualität der Unvollkommenheit

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SWR3 Worte

16APR2024
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Elend, Not und Grausamkeit: Damit wollen wir nicht dauernd konfrontiert werden. Wir sehen weg. Aus Selbstschutz. Giannina Wedde, Alltagsmystikerin und spirituelle Begleiterin, hält dagegen:

Das Leiden endete, wenn Menschen bereit waren, sich mutig dem Elend, der Not, der Grausamkeit zu stellen und es tatkräftig zu ändern, auch wenn es sie um ihren inneren Frieden brachte. Wir brauchen immer noch Menschen, die bereit sind, mitfühlend Anteil zu nehmen am Leben jener, die in Angst und Schrecken leben. Wir brauchen Menschen, die die Stimme erheben für jene, für jene, die entrechtet sind. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, sich das Herz brechen zu lassen am Leiden der Welt. Die esoterische Wohlfühltyrannei ist nicht nur ein Affront gegen jeden denkenden Geist und jedes empfindsame Herz, sondern auch ein Angriff auf die Rechte jener, die zu schützen wir verpflichtet sind. Ein Land im Wohlstand trägt Verantwortung für Menschen in Armut. Ein Mensch mit gesunder Lebenskraft trägt Verantwortung für die Kranken. Ein Mensch mit wachem Geist trägt Verantwortung für jene, denen das Denken verboten wird.

Giannina Wedde/KLANGGEBET

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SWR3 Worte

15APR2024
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Burnout ist eine der häufigsten Diagnosen für psychische Erkrankungen. Pierre Stutz hat In der Beschäftigung mit Texten von Mystikern hat noch einen anderen Blick auf diesen Seelenzustand gewonnen:

„Ich fühle mich völlig leer!“, war ein Satz, den ich bis zu meinem Burnout oft verwendete.
Leer sein war für mich negativ besetzt, Ausdruck von Erschöpfung. Dann erhielt ich von einer Freundin ein Buch mit Texten von Meister Eckhart. Als Widmung die Worte: ‚Leer sein aller Kreatur ist Gottes voll sein, und voll sein aller Kreatur ist Gottes leer sein.‘
Diese wenigen Worte ließen mich nicht mehr los, obwohl ich sie nicht verstand.
Ich konnte sie nicht verstehen, weil sie mich auf den Grund meines Erschöpftseins führten: Ich war nicht leer, sondern übervoll mit angestauten Gefühlen, Erlebnissen, Begegnungen. Darum dürstete meine Seele so sehr nach Stille, Zur-Ruhe-Kommen, um endlich leer zu werden, damit Gott mich wieder neu erfüllen kann.

Verwundet bin ich aufgehoben. Für eine Spiritualität der Unvollkommenheit

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SWR3 Worte

14APR2024
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Gott danken für diesen Tag – Menschen auf der ganzen Welt tun das heute in ihren Gottesdiensten. Hier ein Psalm aus Afrika:

Herr ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel.
Die Nacht ist verflattert und ich freue mich am Licht. So ein Tag, Herr, so ein Tag!
Deine Sonne hat den Tau weggebrannt vom Gras und von unseren Herzen.
Was da aus uns kommt an diesem Morgen, das ist Dank.
Herr ich danke dir für alles, was ich bin. Für meinen Körper, der wächst trotz der mageren Kost in der Schule. Auch mit Malaria im Blut. Ich danke dir, dass ich diesen Job gefunden habe. Gutes Geld kommt rein fürs Abitur. Herr ich freue mich an der Schöpfung.
Deine Sonne steht milde am Himmel und krault das Gras, setzt Blumen darauf,
zerrt Mahagoni daraus. Ich freue mich, Herr, ich freue mich und freue mich.
Herr, ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel.
Ein neuer Tag, der glitzert und knistert, knallt und jubiliert von deiner Liebe.
Du zählst jeden Tag wie die Kräusel auf meinem Kopf. Halleluja!

Grundkurs KU – Neuausgabe. Arbeitsbuch für Konfirmandinnen und Konfirmanden

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SWR3 Gedanken

27JAN2024
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In unsere Kirche in Mannheim kommen derzeit täglich etwa 600 Leute. Um sie mit Essen und Trinken zu versorgen, ihnen einen warmen Raum zu bieten und sie in Notlagen zu beraten, braucht es viele Menschen, bei uns jeden Tag über 60 Leute. Schülerinnen und Konfis helfen mit, alte Damen, Leute, die extra Urlaub nehmen. Immer wieder helfen Leute zum ersten Mal mit. Sie schmieren Brötchen oder geben Essen aus. Andere sind seit Jahren dabei.

Viele nehmen sich Zeit, zuzuhören. Andrea ist darin besonders gut. Sie ist so eine Frau, die immer alle anstrahlt, mit unverwüstlicher Freundlichkeit. Sie macht einen Moment Pause, sie ist aufgewühlt, muss erzählen:

Von dem Mann im Rollstuhl. Er hat Mathematik studiert, hatte einen guten Beruf. Dann hatte er einen Schlaganfall, dann konnte er nicht mehr rechnen. Er hat seine Arbeit verloren. Seine Familie hat ihn verlassen. Und jetzt ist er angewiesen auf Hilfe. Sie ist fassungslos. Der hatte doch einen guten Weg. Der hat sich doch ein Leben aufgebaut und dann geht das so schnell. Aus dem Nichts. Der ist doch noch jung!

Wir umarmen einander, es ist manchmal schwer auszuhalten, wenn wir das an uns heranlassen, dass wir das Leben nicht wirklich in der Hand halten. Andrea geht wieder los. Wendet sich jemand anderem zu.

Fiona ist eine von unseren Konfirmandinnen. Zurückhaltend, eher schüchtern, aber auch sie ist eine großartige Zuhörerin. Menschen vertrauen sich ihr an. Auch Stefan ist so ein Zuhörer aus tiefstem Herzen. Zu ihm kommen Menschen, die auf Hilfe hoffen. Er berät in Rechtsfragen. Offene Herzen braucht es beim Zuhören. Freundlichkeit, vielleicht auch Standfestigkeit. Schenke mir Gott ein hörendes Herz! Wie wunderbar, wenn jemand diese Gabe hat: ein hörendes Herz, wie Andrea und Stefan und Fiona.

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SWR3 Gedanken

26JAN2024
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Essen und Trinken geht sofort. Richtig helfen? Da wird es schwieriger. In vielen Kirchen, nicht nur in Baden-Württemberg öffnen Kirchen in dieser kalten Zeit ihre Türen und laden Menschen ein, die Unterstützung brauchen.

Bei uns in der Kirche versuchen wir, Menschen weiterzuhelfen als nur mit Essen. Oft dauert es Tage, bis sie so viel Vertrauen gewonnen haben, dass sie erzählen, was eigentlich bei ihnen los ist.

Viele, die in Not sind, schämen sich und verbergen ihre Probleme.

Sich anvertrauen ist da schon ein Wunder. Es wird möglich, zu helfen. Das gelingt, weil Martin, ein Sozialarbeiter der Diakonie, aus seinem Büro kommt und in der Kirche ist. Ohne Termin, ohne jede Hürde gibt es Beratung und Unterstützung. Martin freut sich:

Hier kommt Beratung bei den Leuten an, die sie am allernötigsten haben und die es meistens nicht schaffen, zu den Beratungsstellen zu gehen oder gar nichts davon wissen, dass sie Hilfe kriegen könnten:

Oft haben die Leute mehr als ein Problem, wie der Mann aus Polen, dem alles geklaut wurde:
Papiere, das Gehalt, alles, deswegen hat ihn sein Chef rausgeschmissen aus Arbeit und Wohnung. Er arbeitet im Hoch- und Trockenbau, er kann so vieles. Normalerweise kann er sich gut um sich selbst kümmern und hat, was er braucht oder mehr.

Aber ohne Papiere bekommt er keine neue Arbeit. Ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld kann er nicht zur Botschaft reisen, bekommt er keine neuen Papiere - ein Teufelskreis. Martin setzt sich mit ihm in den Altarraum, in eine geschützte Ecke, hier kann er seine Probleme schildern. Martin macht Hilfe möglich, die unmöglich schien. Telefoniert mit der Botschaft, sorgt für Tickets und Termine.

Schon wieder ein Wunder:
Zwischen Vertrauen und Anvertrauen wachsen Hoffnung und Mut. Einer, der nicht mehr weiterwusste, hat jetzt nicht mehr nur eine vage Idee davon, was es bräuchte, sondern einen ganz genauen Plan, wie sein Leben wieder in die Spur kommt.

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SWR3 Gedanken

25JAN2024
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Teresa ist mir besonders an Herz gewachsen. Teresa ist krebskrank, sie lebt seit Jahren auf der Straße. Sie hat ein sanftes, freundliches Lächeln in einem immer noch runden und lieben Gesicht. Sie war schon mehrfach im Krankenhaus. Jetzt ist der Krebs in ihre Knochen gekrochen.

Sie kann so vieles nicht mehr, nicht laufen zum Beispiel. Sie sitzt im Rollstuhl. Sie hat Schmerzen. Aber dagegen hat sie Tabletten. Teresa hat einen Schlafplatz in einer Tiefgarage. Dort wird sie nicht verjagt. Sie könnte in eine Unterkunft. Die Leute vom Streetwork haben sich darum gekümmert. Und sie kann es doch nicht.

Sie hat einen Mann, Sbignev. Der könnte da nicht mitkommen. Und obwohl es ihr schlecht geht auf der Straße, obwohl ihre Situation demütigend ist und obwohl Teresa weiß, sie hat nicht mehr lange zu leben, lässt sie sich nicht überzeugen.

Als ich sage, sie soll doch lieber irgendwohin gehen, wo sie versorgt wird, hält sie meine Hand und sagt: Ich habe ihn lieb, meinen Sbignev. Er ist nicht immer gut für mich, aber er ist immer noch mein Mann.

Mich berührt diese verrückte Liebe und sie regt mich auf. Ich stelle mir vor, wie die nächsten Wochen und Monate für Teresa werden. Da ist nicht viel Schönes. Dennoch, in der Bibel steht: nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Die Liebe aber ist die größte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39213
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