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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26JUL2024
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Die „Titelfigur“ unseres biblischen Wochenabschnittes, das wir morgen in den Synagogen lesen, heißt Pinchas.  Pinchas war ein Priester. Seine „Amtsführung“ gibt bis heute Anlass zu Diskussionen.

Die Tora berichtet über eine Episode im Laufe der Wüstenwanderung der Israeliten, in der Pinchas eigenmächtig handelte, in dem er zwei Männer ermordete, dadurch jedoch einen großen Teil des Volkes vom Rückfall in eine Gesellschaft der Rücksichtslosigkeit bewahrte.  Die Männer hatten das Lager der Israeliten verlassen, um die „Liebesdienste“ von Moabiterinnen „in Anspruch zu nehmen“. 

Durch seinen harten Eingriff ging der Priester Pinchas in die Geschichte der Israeliten, als ein Musterfall von Fanatismus ein.  Die Darstellung der Heiligen Schrift weckt den Anschein, als ob sie die Vergeltungsmaßnahme des Priesters gegen die Übeltäter bejahen würde.  Die nachbiblische Literatur der Schriftgelehrten, der Talmud, formuliert eindeutiger und weist den Fanatismus in seine Schranken. Wenn man die Tat Pinchas’ und die Umstände analysiert, könnte man behaupten, dass Pinchas ein Eiferer, aber kein Fanatiker war.  Seine Handlung untergräbt jegliche Stabilität und Ordnung.  Fanatiker können manipulierbare Massen begeistern.  Der Fanatismus ist ein Gegner der Objektivität.  Er ist blind und verblendet diejenigen, die mit ihm in Berührung kommen.  Er führt zu Intoleranz, Gewaltbereitschaft und einer Ablehnung anderer Meinungen und Lebensweisen. Daher widerspricht Fanatismus den Grundideen des Judeseins.

Im Judentum ist jeder Mensch dazu aufgerufen und dafür verantwortlich, seinen Beitrag zur Verbesserung und „Reparatur der Welt“, auf Hebräisch „Tikkun Olam“ zu leisten.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

28JUN2024
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Als die Israeliten beim Auszug aus Ägypten die Grenzen des Heiligen Landes erreichten, riet der Herr Moses, Kundschafter nach Kanaan zu schicken.Zwölf Männer, die die zwölf Stämme Israels repräsentierten. Sie zogen vierzig Tage lang umher.  Die Bewohner von Kanaan betrieben eine hoch entwickelte Landwirtschaft und lebten in solide gebauten Häusern aus Stein und Holz, was die Israeliten in Erstaunen versetzte...  Nach 40 Tagen erstatten die Kundschafter dem ganzen Volk Bericht.  Die meisten von ihnen haben in ihren Meldungen nicht die Unwahrheit gesagt.  Sie haben lediglich berichtet, „dass das Volk, das im Lande wohnt, sehr mächtig ist, und dass die Städte sehr stark und groß sind.  (4.B.M.13: 28)...außerdem wurden dort wahrhaftige Riesen gesehen....“ (4.B.M.13:33)

Sie haben weder manipuliert noch gelogen, aber sie haben die Erfahrung mit starken Tönen „gefärbt“ und ihre eigene Einschätzung hinzugefügt: Wir werden niemals in der Lage sein, dieses Land zu erobern.  Mit ihrer Aussage verbreiteten sie Hilflosigkeit und Verzagtheit.

Im Lager brach eine offene Rebellion aus.  Immer mehr Menschen forderten aus Angst die Rückkehr nach Ägypten! Wegen ihrer Feigheit und Verzagtheit erlitten die Israeliten eine schwere Strafe: Vierzig Jahre lang mussten sie in der Wüste umherziehen.  Bis auch der letzte, dessen Seele noch von den Gedanken der Knechtschaft genährt wurde, diese Welt verließ.....  Erst dann, wenn eine in Freiheit geborene Generation an die Stelle ihrer Väter tritt, werden sie das Land der Verheißung als Erbe empfangen und schätzen können... Eine Lektion über den Wert von Freiheit und Unabhängigkeit, an die wir uns jedes Jahr erinnern müssen, wenn wir diese Berichte lesen.

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SWR Kultur Zum jüdischen Feiertag

10JUN2024
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Als musikalische Einleitung zu unserem Toragebungsfest Schawuot hören Sie nun eine Komposition von Shlomo Carlebach. Er trägt einen Vers aus dem Buch des Propheten Jesaja vor: „Ki Mizijon teze Tora.“  (Jes.2:3). Auf Deutsch:  „Denn von Zion geht die Lehre aus und das Wort G-ttes aus Jerusalem“.

Es scheint, dass der Prophet Jesaja, der im 8.Jhdt. v.d.Z., also  etliche Jahrhunderte nach der sinaitischen Offenbarung lebte, die Schwerpunkte und die Tradierung der biblischen Lehre, wie auch des G-ttewortes von Sinai in Richtung Zion, nach Jerusalem verlegte.

(Musik.  CD.  LC. Hed-Arzi Records 15300; „The very best of Shlomo Carlebach “; Interpret: Shlomo Carlebach; Komponist: Shlomo Carlebach; 19-62720; Zeit:  3:05; Take 013; AMS: M0082327 –Gesamtzeit 3:05/gesendet ca.1:20-

Schawuot, auch bekannt als das Wochenfest, ist ein wichtiger Feiertag im jüdischen Kalender. Er erinnert an die Übergabe der Tora an Moses auf dem Berg Sinai. Obwohl Schawuot keine offensichtlichen Symbole aufweist, hat es eine tiefe spirituelle Bedeutung für die jüdische Gemeinschaft. Das hebräische Wort „Schawuot“ bedeutet “Wochen” und weist auf ein Gebot der Tora hin, das uns die Zählung der Tage und der Wochen, vom zweiten Tag des Pessachfestes an, verordnet.  Nach Ablauf von sieben Wochen, also am fünfzigsten Tag folgte dann das Schawuot-Fest.  Den Grund für das Gebot der Zählung sah man in der Tatsache, dass die Landwirte des Altertums kaum einen festen Kalender besitzen konnten.  Aufgrund der angeordneten Zählung der Tage und Wochen konnten sie weder das Fest, noch ihre Pflichten zur Abgabe von Erstlingsfrüchten für den Tempel in Jerusalem vergessen.

Schawuot ist, wie die meisten Feste unseres Volkes, ein Feiertag mit mehreren Inhalten.  In der Tora hat unser Wochenfest mehrere Namen: Chag HaSchawuot, auf Deutsch: “Wochenfest”; Chag HaKatzir: “Fest der Ernte”; Chag HaBikkurim, „Fest der Erstlingsfrüchte” und Atzeret, was so viel bedeutet, wie: “feierliche Versammlung”

Das „Wochenfest“ war von der biblischen Zeit her auch ein „Erntedankfest“.  Das Volk dankte G-tt für die Gerstenernte.  Dieses, für „das tägliche Brot“ wichtige Getreide, wird im Heiligen Land zu dieser Jahreszeit eingefahren.  Die Erstlingsfrüchte des Landes wurden zu Zeiten des Tempels durch die Pilger nach Jerusalem getragen. Am Schawuot feiern wir auch den neuerlichen Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai. Beim erstmaligen Empfang hatte Moses die Steintafeln mit den Zehn Geboten laut biblischer Überlieferung zerschmettert, weil das Volk Israel ein Goldenes Kalb anbetete. Daraufhin ging Moses wieder auf die Spitze des Berges Sinai, um die Gebote ein weiteres Mal zu erbitten. Die Zehn Gebote stehen im Mittelpunkt der Toralesung beim Synagogeng-ttesdienst. Sie werden unter Begleitung einer besonderen Melodie vorgelesen, während die ganze Gemeinde stehend diesen Abschnitt der Tora verfolgt. Traditionell werden an Schawuot milchhaltige Speisen gegessen, wie Käsekuchen, oder Pfannkuchen gefüllt mit süßem Quark.

 

Und nun hören Sie einen Abschnitt der Festliturgie „Bej Ana rachiz“.  Das Gebet in der Synagoge vor dem offenen Toraschrank, bevor die Schriftrollen aus dem Toraschrein ausgehoben und vorgelesen werden, lautet auf Deutsch: Ich stütze mich nur auf G-tt, den Herrn der Welt.  Seine Lehre ist Wahrheit, Seine Propheten sind wahrhaftig.  Er erweist immer wieder Gutes und die Wahrheit. Auf Ihn verlasse ich mich.  Seinen Namen rühme ich! -- Es singen Mordechaj und Jidel Werdyger.

(Musik.  CD. „Three Generations sing. “Interpret: Mordechaj Werdyger; Komponist: David Werdyger; 19-098451; (Take: 004 ODER) Take: 9; Zeit: 8:09; AMS: M0128471)

 

Der starken und intensiven Verbindung des Schawuot-Festes mit dem „Erntedank“ verdankt das biblische „Buch Ruth“ seine synagogale Vorlesung an diesem Festtag. // Nachdem sie nach Moab gezogen war und dort ihren Mann und ihre beiden Söhne verloren hatte, beschließt Naomi, dass es an der Zeit war, nach Jehuda heimzukehren. Es muss ihr das Herz gebrochen haben, die Rückreise ohne diejenigen zu beginnen, mit denen sie gekommen war. Aber sie hatte ja noch ihre beiden jungen Schwiegertöchter Orpa und Ruth. In jenen Tagen gehörten sie weiterhin zu ihrem Haushalt, auch wenn ihre Ehemänner nicht mehr da waren.

Irgendwann muss Naomi überlegt haben, wie viel die beiden jungen Frauen aufgeben mussten, als sie das verließen, was wahrscheinlich das einzige Zuhause war, das sie je gekannt hatten. Sie forderte ihre Schwiegertöchter auf, umzukehren und in das Haus ihrer Mütter zurückzugehen. Zunächst wehrten sich beide Frauen, aber schließlich überzeugte Naomis Hartnäckigkeit Orpa, und sie küsste Naomi und machte sich auf den Heimweg. Aber das Buch Ruth erzählt uns, dass die andere Schwiegertochter sich nicht überzeugen ließ. Ihre Verpflichtung gegenüber ihrer Schwiegermutter war zu stark. Und so sprach Ruth zu Naomi: „Der Herr tue mir das an, und noch mehr, wenn dich und mich etwas anderes, als der Tod trennt,

Zwei Witwen hatten es in jenen Tagen nicht leicht, und wahrscheinlich erlebten sie Hunger und Armut, als sie nach Jehuda kamen. Aber sie hatten einen reichen Verwandten, einen Mann namens Boas, und Ruth ging zu seinen Feldern, wo gerade die Ernte eingebracht wurde, um die Getreidereste zu sammeln. Boas wurde dort auf sie aufmerksam, und er hatte bereits von ihrer Hingabe und Fürsorge für ihre Schwiegermutter Naomi gehört. So nahm er sie in seinen Schutz, erlaubte ihr, von den Garben zu sammeln, und gab ihr zu essen. Nach einer gewissen Zeit heirateten Boas und Ruth.

Aufgrund von Ruths Hingabe und Liebe zu Naomi und ihrer Weigerung, von dem Weg abzuweichen, von dem sie wusste, dass er der richtige war, segnete G-tt sie in hohem Maße. Und so war es ihnen vergönnt in Frieden und Ruhe zu leben. Ruth und Boas bekamen Kinder, und deren Enkel wurde  dann der legendäre König David, aus dessen Haus wir eines Tages das Kommen des Messias erleben werden. Der Glaube an diese messianische Hoffnung möge auf die ganze, viel gelittene, friedlose Welt ausgedehnt werden.//Zum Schluss unserer Sendung hören Sie Kantor Jitzchak Helfgot.  Er trägt ein Gebet vor: Ledor Wador. Die Übersetzung lautet:  Von Geschlecht zu Geschlecht wollen wir Deine Größe verkünden und in alle Ewigkeit Deinen Namen heiligen.  Die Lobpreisung soll nicht aus unserem Munde weichen. Immer und ewig. (Musik.  CD. „Avot“; MCD 220; Interpret: Jitzchak Helfgot, Komponist; M. Kuschevitzky; 12-034631; Take:  008; Zeit:  6:15; AMS M008 1983)

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SWR3 Worte

07JUN2024
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Ein Heide fragte einmal Rabbi Jehoschua ben Karcha: „Warum wählte G-tt einen Dornbusch, um mit Moses aus ihm zu reden?“ Der Rabbi antwortete: „ Hätte er einen Johannisbrotbaum oder einen Maulbeerbaum gewählt, so würdest du ja die gleiche Frage gestellt haben. Doch es ist unmöglich, dich ohne eine Antwort fortgehen zu lassen. Daher sage ich dir, dass G-tt den ärmlichen und kleinen Dornbusch gewählt hat, um dich zu belehren, dass es auf Erden keinen Platz gibt, an dem G-tt nicht anwesend ist. Noch nicht einmal einen Dornbusch.“

Aus: Midrasch Exodus Rabba 2:5

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

31MAI2024
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Unter den vielen deutschen Ausdrücken, die ihren Ursprung im Jiddischen, der Umgangssprache der Ostjuden haben, finden wir auch das Wort Schnorren. Der „Schnorrer“ war kein gewöhnlicher Bettler oder Almosenempfänger. Er war vielleicht ärmer als andere.

Zu betteln brauchte er aber nicht, weil er sich darauf verlassen konnte, dass die Betuchteren ihre Pflicht aus der Heiligen Schrift (3.BM; 25:35) kannten und dieser auch unbedingt nachkommen würden.  „Und wenn dein Bruder verarmt, und seine Hand wankt bei dir, so sollst du ihn stützen…“ Die Tora konkretisiert diese „Stütze“ (19:9-10): „Und wenn ihr das Getreide eures Landes erntet, so sollst du den Rand deines Feldes nicht vollends abmähen…“   Sondern „den Armen und dem Fremden sollst du diese überlassen…“ Das „Überlassen“ bedeutet: stehen lassen, damit auch der Besitzlose sein Einkommen durch seiner Hände Arbeit erwirbt und sich vor niemandem zu erniedrigen braucht.  Das, was er erhält, bezeichnet man als „Zedaka“, was so viel heißt, wie: Gerechtigkeit auszuüben und die Ungerechtigkeiten dieser Welt auszugleichen!  Dass die „Zedakka“ ein „Muss“, eine ethische Verpflichtung für jeden Juden bedeutet, weiß der „Schnorrer“ genau. Er weiß auch, welch wichtige, nützliche Rolle er im Kreislauf der Güter spielt.  Wenn er nicht schnorren würde, wie könnte ein anderer seinen Verpflichtungen der „Zedakka“ gegenüber gerecht werden? 

Dieser Hintergrund aus der Bibel, wie auch aus der jüdischen Geisteshaltung, erlaubt dem Schnorrer den aufrechten Gang, ohne jegliche Demut und Erniedrigung vor dem Spender.  Ganz im Gegenteil! Sehr häufig strahlt der Schnorrer auch die jüdische „Chuzpe“, die an Unverfrorenheit grenzende Überheblichkeit aus.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26APR2024
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An diesem Schabbat begehen wir den fünften Tag des achttägigen Pessachfestes. 
Die Geschichte des Auszuges der jüdischen Sklaven aus dem alten Ägypten spielt an diesem Feiertag eine wesentliche Rolle. Für uns stellen die Ereignisse um den Auszug, die Geburt des jüdischen Volkes dar, und gewinnen somit einen heilsgeschichtlichen Charakter.  Bei vielen Nichtjuden kommt die Frage auf, ob man es hier nicht etwa mit einem Mythos zu tun hat?  Wie sind die aufeinanderfolgenden zehn Plagen in Ägypten zu verstehen und zu werten?  Wie der Marsch der Israeliten trockenen Fußes durch das Schilfmeer? Des Öfteren wurde mir die Frage gestellt, ob ich mir eine zufriedenstellende Antwort, nicht etwa aufgrund ungewöhnlicher Naturereignisse vorstellen könnte?  Ich habe jedes Mal passen müssen. 

Salo Baron, englischer jüdischer Historiker, meint, dass „der Exodus aus Ägypten...offenbar (für die Unbeteiligten) ein unwichtiger Vorgang in der Geschichte jener Zeit“ war. „So geringfügig, dass das - außer den Juden selbst- am meisten beteiligte Volk, die Ägypter, sich niemals die Mühe nahm, ihn aufzuzeichnen.“  So der englische Gelehrte.  Wir sollten also zur Kenntnis nehmen, dass den Ägyptern nichts daran lag, jenen Auszug, jene Befreiung der israelitischen Sklaven, für alle Zeiten festzuhalten.  Für ihre Geschichte und Geschichtsauffassung war es kein Ereignis von Bedeutung.

Eine Bedeutung hatte und hat der Auszug vornehmlich für Juden. Sie traten damals den Weg an, ein Volk zu werden.  Sie sollten auf G-ttes Geheiß sich immer daran erinnern, dass die Geburtsstunde ihres Volkes in der Knechtschaft lag.  Sie sollten daher die Freiheit des Menschen, die eigene, wie auch die der anderen hochschätzen. Der Auszug erinnert auch daran, dass jener Weg der errungenen Freiheit durch die Wüste nach Sinai, zur g-ttlichen Offenbarung der Zehn Gebote führte.

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SWR Kultur Zum jüdischen Feiertag

18APR2024
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PESSACHFST DER ISRAELITEN 22.4.2024 SWR2

Von den volkstümlichen Liedern des Pessach- Festes überreiche ich Ihnen eine kleine „Kostprobe“: Ki lo nae, ki lo jae.  Auf Deutsch:  Dem Herrn gebührt Lobgesang, Ihm geziemt Preis und Dank:  Du, O Herr wirst ewig sein.  Es singt der L’chajim Chor.

(Musik. CD; L’chaim Productions; „Kulanu Messubin. Songs from the Hagodo “)

Das Pessachfest, das auch das Fest der ungesäuerten Brote genannt wird, erinnert uns an die wundersame Befreiung unserer Ahnen aus der Knechtschaft des Pharaos und der Sklaverei in Ägypten. Und daran, wie der Allmächtige uns durch die Wüste zum verheißenen Land geführt hat. Gleichzeitig bietet uns dieser Feiertag eine Gelegenheit über unsere Geschichte nachzudenken und die Werte unserer Gemeinschaft zu feiern. Aber Pessach ist nicht nur ein Fest der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft. Wir feiern nicht nur die Freiheit unseres Volkes, sondern auch unsere eigene Freiheit. Pessach markiert den Beginn der achttägigen Feier des Auszuges und ist der “Gründungsakt” des jüdischen Volkes, angeführt von Moses und unter G-ttes Schutz.

Wenn wir uns in die Geschichte des Auszuges vertiefen, werden wir in einen entscheidenden Moment in der Geschichte unseres Volkes zurückversetzt. Die Israeliten, die unter der Last der Sklaverei litten, begaben sich auf eine mutige Reise in die Freiheit. Die von Ungewissheit und g-ttlichem Eingreifen geprägte Reise ist ein Zeugnis für die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes und das Versprechen auf eine bessere Zukunft.

An Pessach verbinden uns die Wurzeln unserer gemeinsamen Geschichte mit dem reichen Mosaik dieses schönen Festes.

An den beiden ersten Abenden wird der Seder abgehalten. Seder, das heißt Ordnung, denn die Abende verlaufen nach einer gewissen Ordnung am Feiertagstisch. In der Mitte unseres Tisches sehen wir das ungesäuerte Brot, die Matza. Wenn wir die Matze brechen und teilen, erinnern wir uns an die Bedeutung der Freiheit und an die Verantwortung, die sie mit sich bringt.

Und nun erklingt ein Lied des Sederabends: Wa’amartem Sewach Pessach. Die Allgewalt Deiner Macht hast Du wunderbar bewiesen am Pessach. Darum erhobst du auch zum ersten aller Festtage das Fest Pessach. Du entdeckst dem Morgenländer die Wundertaten der Mitternacht Pessach. So sprechet es ist das Pessachopferfest. Sie hören nochmals den L’chaim Chor.

 (Musik. CD; L’chaim Productions; „Kulanu Messubin. Songs from the Hagodo “; Interpret: L’chaim Tish Chor; Komponist: Mona Rosenblum)

Der Sederteller besteht aus verschiedenen symbolischen Speisen, die auf den Auszug unserer Ahnen hinweisen.

Wenn wir die Matza, das Bitterkraut und das Charosset - zu uns nehmen, werden wir an die vielschichtigen Ebenen der Pessach-Geschichte erinnert. Die Matza, das ungesäuerte Brot, steht für Demut und die Eile, mit der unsere Vorfahren Ägypten verließen. Das Maror, das Bitterkraut,  erinnert uns an die Bitterkeit der Sklaverei. Das Charosset, eine süße Mischung aus Äpfeln, Nüssen und Wein, symbolisiert den Mörtel, mit dem unsere Ahnen die Pyramiden bauten. Während der Sederabende werden wir aufgefordert, Fragen zu stellen, uns an lebhaften Diskussionen zu beteiligen und über die Bedeutung der Geschichte des Auszugs für unser heutiges Leben nachzudenken.

Die Zahl 4 hat eine besondere Bedeutung und spielt eine wichtige Rolle beim Sederabend. Wir trinken im Laufe des Abends 4 Becher Wein. Jeder Becher repräsentiert einen Aspekt des Auszuges:

Der erste Becher: Erinnert an die Freiheit und den Beginn des Auszugs.

Der zweite Becher: Erinnert an G-ttes Versprechen, das Volk Israel aus der Sklaverei zu befreien.

Der dritte Becher: Erinnert an die Erlösung und das Ende der Plagen in Ägypten.

Der vierte Becher: Erinnert an die Annahme als G-ttes Volk und die Zukunft.

Während des Seders stellt das jüngste Kind 4 Fragen, unter anderem: “Ma nischtana ha laila hase mi kol ha leilot?” „Worin unterscheidet sich diese Nacht von allen anderen Nächten?“ Der Vater erzählt daraufhin die überlieferte Geschichte vom Auszug aus Ägypten, als hätten wir alles selbst erlebt.

Diese Frage führt zu einem Meinungsaustausch über den Auszug und die Bedeutung des Festes. In unserer Festlektüre des Abends, im „Haggada“-Büchlein, begegnen wir 4 Arten von Kindern, wie sie uns im Talmud beschrieben werden, und ihren Fragen.

Der kluge Sohn: Fragt nach den Geboten und Traditionen.

Der böse Sohn: Fragt zynisch und ablehnend.

Der einfache Sohn: Fragt einfach und unvoreingenommen.

Der unwissende Sohn: Weiß nicht einmal, was er fragen soll.

Die Zahl 4 symbolisiert also die verschiedenen Aspekte des Pessachfestes und die Vielfalt der Teilnehmer.

Während wir Pessach im Kontext unseres modernen Lebens feiern, sollten wir nicht vergessen, dass die Geschichte der Befreiung weitergeht. Es gibt immer noch Menschen unter uns, die sich nach Freiheit sehnen und verschiedenen Formen der Unterdrückung ausgesetzt sind.

Dieser Feiertag symbolisiert die Hoffnung auf Freiheit. Die Geschichte des Pessachfestes lehrt uns die Werte Mut, Beharrlichkeit und den Glauben an eine gerechtere Welt. In jeder Generation sind wir aufgerufen, uns an diese Werte zu erinnern und sie weiterzutragen.

Zum Schluss erklingt ein Pessach Lied aus der Haggada. Chassal Siddur Pessach. Die Übersetzung lautet: Wir haben nun die Zeremonie des Sederabends abgeschlossen, wie es uns verheißen wurde…Es singt der L’chajim Chor, unter der Leitung von Avraham Weiss. Solist ist Moshe Mordechai (Mona) Rosenblum.

 (Musik.  CD. „Kulanu Messubin.“  Songs from the Haggodo. L’chajim Productions.

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SWR3 Gedanken

05APR2024
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Einst fragte ein römischer Statthalter des eroberten jüdischen Landes Rabbi Akiba provozierend:  „Wessen Werke sind eigentlich schöner, die Werke eures G-ttes, oder die der Menschen?“  Rabbi Akiba antwortete:  „Die Werke der Menschen.“  Diese Antwort überraschte den Statthalter und ließ ihn erwidern:  „Kannst du vielleicht Himmel und Erde erschaffen?“ – „Du  erwähnst etwas, was außerhalb der menschlichen Macht liegt?“ -   wandte darauf der Rabbi ein.  „ Nehmen wir doch etwas alltäglicheres.“

 Akiba ließ nun goldgelbe Ähren vom Felde und knusprige Brote vom Bäcker holen.  Er zeigte auf die Ähren: „ Das ist das Werk G-ttes.“  Dann  wies er auf die Brote hin: „Und das ist das Menschenwerk.  Ist es nicht noch schöner?“    Dann stellte er die Frage:  „Ist denn das Werk des Menschen nicht schöner, als das Werk G-ttes?“

Man könnte in diesem Gespräch die Herausforderung G-ttes sehen, der jedoch gleichzeitig auch den Menschen herausfordert.  Dies verdeutlicht, daß uns G-tt, der Schöpfer das „Rohmaterial“ liefert, das wir in dieser Welt nur „verwalten“ und „verarbeiten“.  Auf welche Weise wir es tun, liegt in unserer Hand.  Darin besteht die Verantwortung aller Menschen G-tt und seiner Welt gegenüber.

Es ist gewiß kein Zufall, daß der altertümliche Rabbi jene menschlichen Produkte als schöner, als die Werke G-ttes bezeichnete,die die elementaren Bedürfnisse befriedigen können, wie den Hunger zu stillen und die Not der anderen zu lindern.  Ich wünsche Ihnen und mir – meine Zuhörer und Zuhörerinnen-, dass es uns in einem ähnlichen Sinne gelingen möge, das G-tteswerk zu übertreffen.  

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22MRZ2024
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An diesem Schabbat beginnen wir die Lesung des 3. Mosebuches in unseren Synagogen.  Dieses Buch von den Theologen „LEVITICUS“ genannt, weil es sich vorwiegend mit den Tempelopfergaben des alten Israels und seinen Priestern befasst.  Diese Opfer dienten dazu die Verfehlungen, die schwer auf dem Gewissen des Einzelnen, wie auch der Gemeinschaft lasteten, zu sühnen.  Seit der Zerstörung des Tempels durch die römischen Eroberer des Heiligen Landes um die Zeitenwende und nach der Vertreibung der Israeliten aus ihrem Land wurden keine Tempelopfer mehr dargebracht. An ihre Stelle traten die täglichen Gebete, - die Liturgie, die von den Rabbinern des Talmuds, der nachbiblischen Literatur, zusammengestellt und eingeführt wurden. 

Die Gebete der Zeitenwende waren nur dem Inhalt nach fixiert, aber nicht niedergeschrieben. Der Wortlaut blieb dem freien Ermessen des Vorbeters überlassen.

Die älteste Grundform der Andacht waren die Benediktionen: Das sind Segenssprüche, in denen wir G-tt rühmen und für Seine Gnade danken.  Der hebräische Ausdruck für „Segen“ heißt „Bracha“.  Das Verb, das diesem hebräischen Hauptwort zugrunde liegt bedeutete ursprünglich: „auf die Knie fallen.“  Diese klassische Gebetshaltung des demütigen Beters finden wir heute öfter in der katholischen Kirche, als in einer Synagoge... Da das jüdische Gebet nur geringfügig eine individuelle Handlung darstellt, sondern viel eher das Beten in und mit der Gemeinde ist, war es mit der Zeit notwendig geworden, dass namhafte jüdische Gelehrte Gebetssammlungen verfassten und Gebetsordnungen zusammenstellten.  Der Sinn dieser Tätigkeit war, dass sich ein jeder Anwesende am Gebet seiner Gemeinde aktiv beteiligen konnte. 

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SWR2 Zum jüdischen Feiertag

21MRZ2024
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Unser Losfest „Purim“, übermorgen Sonntag ist ein fröhlicher Feiertag. Immerhin geht es dabei um die Errettung unserer Vorfahren im alten Persien. Damals lebte die Mehrheit unseres Volkes im Herrschaftsgebiet des persischen Königs Xerxes I. Wir kennen ihn als Achaschwerosch. Sein Regierungschef Haman ist ein übler Bursche, er plant einen Komplott und die Ermordung aller Juden im Reich. Aber diese Schoah im alten Persien wird nicht stattfinden. Dank des eigenmächtigen Eingreifens und Handelns einer einzigen mutigen jüdischen Frau namens Esther und ihres Onkels Mordechai.

Den Inhalt, die Bedeutung, wie auch die Ereignisse von Purim können wir am besten aus der Lektüre dieses Festes, aus dem biblischen Esther- Buch, der Megillat Esther kennenlernen.  Die Geschichte in diesem Buch ist die einzige Erzählung der Bibel, die sich nicht im Heiligen Land abspielt.  Ihr unbekannter Verfasser lebt vor mehr als 2000 Jahren im damaligen persischen Weltreich, das aber mit dem heutigen  Iran nichts zu tun hat.  Der Geist, der dieses biblische Werk durchdringt, weicht merklich von dem der prophetischen Schriften ab.  In dieser Erzählung wird überdies der Name G-ttes kein einziges Mal erwähnt.

Im Grunde geht es an „Purim um die Überwindung des Bösen und der Dunkelheit durch das Licht des Glaubens und der Hoffnung. Unsere Purim-Geschichte ist eine Geschichte des Überlebens und des jüdischen Zusammenhalts. Im Mittelpunkt steht die Königin Esther, die mutig ihre jüdische Identität offenbart und sich für ihr Volk einsetzt.

Zu Purim gehören mehrere Bräuche und Traditionen, wie das Lesen der Megillat-Esther in der Synagoge. Wenn während der Lesung der Name des Bösewichts Haman fällt, machen die Anwesenden Krawall und Lärm. Sie rufen, sie trampeln, oder sie schwingen ihre Ratschen, die „Ra‘aschanim“. Um seinen Namen zu übertönen.

Die Purim-Geschichte will uns dazu ermutigen, dass wir unsere Stimme erheben und dass wir gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufstehen. Sie erinnert uns daran, dass jeder Einzelne die Macht hat, das Böse aufzuhalten und Veränderungen zum Guten herbeizuführen – selbst in den schwierigsten Zeiten.

Neben aller Ernsthaftigkeit gehört auch ausgelassene Freude zu Purim. Dabei vergessen wir die Bedürftigen nicht. Und so gehört zu Purim der Brauch des „Mana-Verschickens“, auf Hebräisch „Mischloach Manot“. Er unterstreicht die Bedeutung von Zusammenhalt, Solidarität und Mitgefühl in unserer jüdischen Gemeinschaft. Wir tauschen in der Familie, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft Geschenke in Form von Speisen und Getränken aus. Es ist üblich, immer mindestens zwei verschiedene Arten von Lebensmitteln zu verschenken.

 

Und nun hören Sie das populäre Purimlied:  Schoschanat Jaakow.  Es singt Kantor Chajim Herschtik.  Die Übersetzung lautet: Jakobs Rose ward fröhlich als man Mordechaj in Purpur erblickte.  Hilfe für Israel bist Du in aller Ewigkeit, O Herr, Hoffnung in jedem Geschlecht.  Kundzutun, dass nicht zuschanden werden alle, die auf Dich hoffen.

(Musik.  CD.  Galton L 5865; Schaar Hanegina;19-98009; Interpret: Chajim Herschtik; Komponist: Volksweise; Take: 004; Zeit: 5:11; AMS: M0429963)

 

Eine weitere Purim-Tradition ist das Spenden an Bedürftige. Es wird als eine gute Tat gewertet, als eine Mitzwa, mindestens zwei Bedürftigen Geschenke oder Geld zukommen zu lassen.

An Purim treffen wir uns im Familienkreis oder in der Gemeinde zu einem festlichen Mahl, zu einer Purim-Seuda. Dabei erscheinen viele verkleidet und kostümiert, vor allem die Kinder. Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Ereignisse von Purim voller versteckter Wunder waren. Und die fröhliche Stimmung und ausgelassene Atmosphäre passt wunderbar zur spielerischen Verkleidung. Kein Wunder, dass Außenstehende unser „Purim“ gerne mal mit Fasching verwechseln.

Unser Purim am kommenden Sonntag ist ein fröhlicher Feiertag, an dem wir die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes feiern und den Sieg einer bedrohten Minderheit über die schweigende Mehrheit. Ein Tag der Fröhlichkeit, der Gemeinschaft und des Teilens.

Möge uns diese Zeit der Freude, des Teilens und des Glaubens dazu anspornen, das Licht des Optimismus und der Menschlichkeit in unserem eigenen Leben zu suchen und zu finden.

(Musik Anfang:  CD. LC-Noam-CDH 623;  19-70647;  Interpret: Miami Boys Choir und Yerachmiel Begun; Komponist: Yerachmiel Begun; Take:  003;  Zeit:  3: 28; AMS: M0082330)

(Musik Abschluss:  CD. „Three Generations sing“– Kol-Star-; 19-098451; Interpret: David Werdyger und Familie; Komponist: David Werdyger; Zeit:  4: 02; Take: 006; AMS: M0128473)

 

 

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