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SWR Kultur Wort zum Tag

05JUN2024
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Meine Schwägerin hat MS. An Fasnacht hat sie es gewagt und ist zum ersten Mal mit dem Rollstuhl zum Feiern losgezogen. Zusammen mit ihrer Clique, die sie ermutigt und zwischendurch geschoben hat.
Viele Leute haben sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gesehen oder überhaupt erst von ihrer Krankheit erfahren. Und die Reaktionen waren der Hammer. Von vorsichtigen Nachfragen, wie jetzt so alles ist, über ermutigende Worte bis hin zu total übergriffigen Gefühlsausbrüchen. Das war für meine Schwägerin das Anstrengendste, wenn sie das Gefühl hatte, andere noch trösten zu müssen, weil sie im Rollstuhl sitzt. Oder sich anzuhören, wie traurig die anderen für sie sind und auszuhalten, dass die neben ihr fast zusammenbrechen.

Das Erstaunlichste war, dass sie ganz viel angefasst worden ist. Und zwar von Menschen, mit denen sie gar nicht viel zu tun hat, die sie kaum kennt. Viele haben ihr die Hand auf die Schulter oder den Rücken gelegt oder sogar über den Kopf gestreichelt. Das finde ich schon ungefragt bei einem Kind schräg, aber bei einer erwachsenen und lebenserfahrenen Person?

Wir haben uns nachher darüber unterhalten und festgestellt, dass behindert Sein oft heißt, dass die Augenhöhe verloren geht. Plötzlich ist die behinderte Person irgendwie nicht mehr gleichwertig. Meine Schwägerin sagt, dass viele mit ihr wie mit einem Kind sprechen, ungefragt ganz persönlich werden, oder sie eben einfach anfassen.
Mir ist das in einem anderen Zusammenhang auch aufgefallen: bei einer Preisverleihung hat eine Frau mit Down-Syndrom den Hauptpreis bekommen. Und obwohl sie Mitte 20 ist, ist sie selbstverständlich geduzt worden. Andere erwachsene Preisträgerinnen wurden gesiezt.

Mir gehen -leider auch durch die Krankheit meiner Schwägerin- immer wieder die Augen auf. Den Leuten um mich herum auf Augenhöhe zu begegnen, ist so wichtig.

Meine Schwägerin muss nämlich häufig selbst für die Augenhöhe sorgen. Sie muss sehr klar sagen, was geht und was eben nicht. Das sind manchmal richtig nervige oder komplizierte Situationen.

Sie sagt: kurz durchatmen und dann offen miteinander sprechen. Dann funktionierts auch mit der Augenhöhe.  

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SWR Kultur Wort zum Tag

04JUN2024
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Der Klassiker: ich sitze mit zwei Damen in einer Vierergruppe im Zug und natürlich bekomme ich ihr Gespräch mit. Und traue meinen Ohren nicht. Die beiden Frauen sind dunkelhäutig und sprechen darüber, wie sie jeden Tag Rassismus erleben. In Köln. Die eine Frau arbeitet in einer Arztpraxis, und es passiert ihr relativ häufig, dass Menschen sich nicht von ihr aufnehmen lassen wollen. Sie fragen dann nach der Kollegin, die da hinten sitzt. Wahrscheinlich, weil sie deutsch aussieht. Dass sie aber Türkin ist, wissen die Patienten natürlich nicht. Sie machen solche Spielchen in der Praxis aber nicht mit. Entweder die Patientinnen lassen sich von ihr aufnehmen, oder eben gar nicht.

Ich kann das alles nicht fassen und in diesem Moment im Zug kann ich das auch nicht aushalten und schalte mich ein. „Sie erleben das jeden Tag? Heute, im Jahr 2024?“ „Na klar,“ sagt die andere Dame, „Ich werde auch erstmal grundsätzlich auf Englisch angesprochen und dann wundern sich alle, wenn ich auf Kölsch antworte, dass ich in Deutschland geboren bin. Dann kommt direkt die Frage: Ja, und woher kommst Du eigentlich?
Oder letztes Jahr war ich im Krankenhaus. Niemand hat mit mir gesprochen. Bis ich sie freundlich darum gebeten habe, dass mal jemand mit mir spricht. „O Gott, die kann ja deutsch“, ist einer Pflegerin rausgerutscht. So läuft das.“

Die beiden erzählen, wie ihr Alltag aussieht, und wie sie immer wieder behandelt werden.
Ich bin jetzt Anfang 40 und ja, ich gehöre zur Generation, in der die ersten Menschen mit nicht weißer Hautfarbe im Ort aufgefallen sind. Wir haben sie mit großen Augen gemustert, bis wir sie kannten. Ich gehöre aber auch zu der Generation, in der die Kinder der sogenannten türkischen Gastarbeiter in meinem Dorf geboren sind. Wir haben immer zusammengehört, sind gemeinsam zur Schule gegangen oder haben zusammen Sport gemacht.

Dieses Gespräch im Zug hat mir klar gemacht, wie krass das Leben vieler Menschen hier in Deutschland sein muss. Wie beschwerlich manchmal. Wie lange dauert es wohl noch, bis in jedem Kopf angekommen ist, dass Menschen Menschen sind? Egal, wie die Hülle ist. Der Kern ist das Menschsein.

Und jetzt muss ich einmal ganz klassisch am Ende mit der Bibel daherkommen: Im Johannesevangelium sagt Jesus: „Ich habe den Menschen die Herrlichkeit gegeben, die du, Gott, mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind.“ (Joh 17,22).

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SWR Kultur Wort zum Tag

03JUN2024
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Die Dänen bauen auf Vertrauen. Nicht nur, dass es in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen zig Selbstbedienungsläden gibt, irgendwie gehört es zur dänischen Mentalität, dass man erstmal das Gute im anderen sieht. Das wirkt sich auf die Gesellschaft aus und bringt jede Menge innovative Ideen.

Zum Beispiel die eingangs genannten Selbstbedienungsläden: da gibt es einen Blumenladen, den man mit einer SMS freischalten kann, und dann können sich die Menschen bedienen und digital bezahlen. Oder die Bäckerei, die von einer Person betrieben wird. Der Bäcker kann nicht gleichzeitig backen und an der Kasse stehen. Die Leute bedienen sich und legen das Geld in eine kleine Dose. Nur ganz selten fehlt Geld. Und wenn, dann eher Centbeträge. Ein anderes Projekt bietet kostenlos Kajaks für zwei Stunden an. Die Bedingung dafür ist, dass man auf der Tour durch Kopenhagen Müll aus dem Wasser sammelt und das Ganze nachher in den Sozialen Netzwerken teilt.
Es gibt Hotels, in denen gemeinsam an einer großen Tafel gegessen wird, und die Leute sich die Schüsseln hin- und herreichen und so ins Gespräch kommen, sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen.

Ein Pionier dieser besonderen Vertrauens-Aktionen ist Ronni Abergel. Er hat im Jahr 2000 „The Human Library“ ins Leben gerufen. Also eine Menschenbibliothek, und die funktioniert so: Bei ihm im Garten gibt es ein schönes Plätzchen mit zwei Schaukeln. Darauf kann man mit Leuten ins Gespräch kommen, die besonders sind. Die zum Beispiel mal drogenabhängig waren, Autisten sind oder geflüchtet. Es geht darum, Vorurteile loszuwerden und sich immer mehr zu vertrauen, weil man sich kennt. Ronni Abergel sagt: „Wenn Angst vor dem Fremden durch Vertrauen ersetzt wird, ist das doch ganz klar eine Verbesserung meiner Lebensqualität – ob ich jetzt aus Dänemark, Bangladesch oder aus Südafrika bin.“

Interessant ist, dass die dänische Gesellschaft schon ein paar Jahre lang zu den glücklichsten der Welt gehört.

Offen zu sein, sich zu vertrauen und vom Besten im Gegenüber auszugehen, macht glücklich. Und kreativ.

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SWR3 Worte

27APR2024
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Es beschäftigt mich total, was gerade in unserer Gesellschaft abgeht. Für mich passend dazu klare Worte aus der Bibel:

„Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Die fremde Person, die sich bei euch aufhält, soll euch wie eine Einheimische gelten und du sollst sie lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst lange Fremde in einem anderen Land gewesen.“

Aus: Die Bibel. Einheitsübersetzung 2016. Katholisches Bibelanstalt GmbH Stuttgart 2016, Levitikus 19,33-34.

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SWR3 Worte

26APR2024
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Muhterem Aras ist Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg und hat eine interessante Beobachtung gemacht. Sie sagt:


„Für einige bin ich offenbar die ultimative Provokation: eine emanzipierte, selbstbewusste Frau aus einer Zuwandererfamilie, Nichtchristin und dazu auch noch eine Grüne, die einem Landesparlament vorsteht. Da bricht bei manchen natürlich das völkische Weltbild zusammen. Ich muss gar nichts sagen, meine Anwesenheit allein reicht, um diese Leute zu triggern.“

Aus: Landtagspräsidentin Aras: "Lasse mich von diesen Leuten nicht zur Fremden erklären" - Politik - SZ.de (sueddeutsche.de).

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SWR3 Worte

25APR2024
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Frühmorgens ist Olha Fedoruk mit ihren Kindern vom Krach der Bomben geweckt worden und aus Kiew nach Deutschland geflohen. Das war vor zwei Jahren. Was so ein krasses Erlebnis bedeutet, beschreibt sie so:

„So wie das Umpflanzen eines ausgewachsenen Baumes mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, wussten wir auch nicht, wie lange und ob wir hier in Deutschland leben können. Aber heute kann ich mit Zuversicht sprechen. […]

Wenn ich jetzt meine Kinder sehe, die beide in ihrer Schule so glücklich sind. Und meinen Mann, der nachkommen durfte. Dann sehe ich, dass der Weg richtig war.

Unsere Liebe zu Deutschland beginnt mit unserem Respekt vor den Menschen. […]

In der Ukraine herrscht immer noch Krieg. Die Rückkehr dorthin bedeutet, dass ich meine Kinder in Gefahr bringe. Ich lebe weiterhin in Deutschland, ich bin dankbar, dass Gott mich auf diesen Weg geführt hat. Aber ich ließ einen Teil meiner Persönlichkeit in der Ukraine zurück.“

Aus: andere zeiten. Magazin zum Kirchenjahr 01/24, Andere Zeiten e.V. Hamburg, Januar 2024, S. 19.

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SWR3 Worte

24APR2024
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Die Nonne Sr. Birgit postet bei Social Media, was sie gleichzeitig erschüttert und antreibt:


„Der Rechtsextremismus. Das ist für mich erschütternd, dass das wieder so anfängt. Ich bin 81 Jahre, im Krieg geboren, ich habe all diese ganz schlimmen Sachen mitangesehen und habe miterlebt, ganz, ganz tief, als Kind, wie so vielen Menschen bitteres Unrecht geschah. Und es ist mir ein Leben lang nahe gegangen, dass auch die Christen mitgemacht haben bei all diesen Verbrechen. Also ich stehe immer auf gegen Rechtsextremismus: Das brauchen wir nun wirklich nicht.“

Aus: „Rechtsextremismus: Das brauchen wir nun wirklich nicht!" - Vatican News

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SWR3 Worte

23APR2024
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Giora Feidman ist jüdischer Klezmer-Musiker. Er ist gefragt worden, ob man Menschen irgendwie zurückholen kann, die sich radikalisiert haben. Feidman sagt:

„Das zeigt die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Mithilfe der Musik lässt sich alles überwinden. Davon bin ich überzeugt. Aus Metall kann man Waffen bauen, aber auch Musikinstrumente. Jeder von uns hat die Wahl.“

Aus: kna-Newsletter vom 15.02.2024 per Email.

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SWR3 Worte

22APR2024
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„Alleine die Menschen anzusehen und sie willkommen zu heißen, ein freundliches Wort zu haben, freundlich zu gucken und echt über Gott und die Welt zu reden. Über Fußball, über das Wetter.
Wenn wir Marmeladenbrote haben, das macht ganz viel mit den Menschen. „Ah, das ist selbstgemachte Marmelade.“ Und dann geht das schon los.

Zeit geben und für die Menschen da sein.“

Aus: Kannste Glauben - der Podcast aus dem Bistum Münster - Bistum Münster (bistum-muenster.de)

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SWR3 Worte

21APR2024
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„Es fing nicht mit Gaskammern an.

Es fing an mit einer Politik, die von WIR gegen DIE sprach.

Es fing an mit Intoleranz und Hassreden.

Es fing an mit der Aberkennung von Grundrechten.

Es fing an mit brennenden Häusern.

Es fing an mit Menschen, die einfach wegschauten.“

Aus: https://www.facebook.com/share/p/TEvzVGuVAYLiE4fJ/?

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