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SWR2 Lied zum Sonntag

17MRZ2024
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Wie kann man in einem leidenden Menschen Gottes Liebe erkennen? Den Dichter und Philosophen Christian Fürchtegott Gellert hat diese Frage umgetrieben. Und er hat seine Gedanken dazu Mitte des 18. Jahrhunderts in einem Lied verdichtet –einem Passionslied: Herr stärke mich, dein Leiden zu bedenken.

Gellert findet Gottes Liebe in Jesus am Kreuz. Aber er spürt: Das, was er dort erkennt, erschließt sich nicht einfach. Es ist nur zu erfassen, wenn man sich darauf einlässt, sich versenkt in das Meer von Gottes Liebe, wie er es sagt.

 

Unermesslich groß und tief wie das Meer muss Gottes Liebe sein, so empfindet es der Gellert, dass Gott in Jesus selbst leidet und stirbt – damit ich vor ihm nicht verurteilt werde für meine Schuld. Denn unsere menschliche Schuld, das Unrecht, das wir tun, ist bei Gott nicht einfach egal und vergessen. Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen, dichtet Gellert, und Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen. Das ist der Widerspruch, den er am Kreuz verbunden sieht.

Ein Gott, der Mensch wird und wie ein Verbrecher stirbt – Gellert, Philosoph der Aufklärung, weiß, dass das ein kühner Gedanke ist. Ein Gedanke weit ab von jedem philosophischen Gottesbild. Ein Gedanke, der schon von Anfang an Kopfschütteln bei den Gelehrten hervorgerufen hat. Für ihn aber ist es anders – wie er mit Rückgriff auf Worte des Apostels Paulus in der 5. Strophe betont:

Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden ein Ärgernis und eine Torheit werden, so sei’s doch mir, trotz allen frechen Spottes, die Weisheit Gottes.

Diese Weisheit aber – und darum gefällt mir Gellerts Passionslied – bleibt für ihn nicht Theorie. In der Liebe, die er in Jesu Leiden entdeckt, sieht er eine Richtschnur für sein eigenes Handeln.

 Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,

wenn man mich schilt, nicht rächend widerschelten.

Du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder, schaltst auch nicht wieder.

 

Hass nicht mit gleichem Hass vergelten – das, habe ich den Eindruck, bleibt die entscheidende Voraussetzung für Frieden. In der Politik genauso wie in meinem privaten Leben. Dafür aber brauchen wir die Kraft eines inneren Friedens. Und auch den findet Gellert bei dem Gott, der aus Liebe zu uns selbst leidet.

Ja, das glaube auch ich: Wem es gegeben ist, wirklich in Gottes Meer der Liebe einzutauchen, findet Frieden. Heute, am Ende des Lebens – und darüber hinaus.

 

Musikquellen:

  • Strophe 1-2, Martini-Kantorei Braunschweig, Archivnummer 1904904(HAN), 0:00-1:05
  • Intonation Orgel Ellwein, Archivnummer 63061990002(DIG), 0:00-0:04
  • Strophe 10, Bachchor Leverkusen, Archivnummer 6078159105.001.001(DAAS), 1:54-2:33

 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16MRZ2024
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In der Unterkunft für Geflüchtete bei uns im Ort wohnen Menschen aus den unterschiedlichsten Winkeln der Erde, aus Kamerun, der Ukraine oder Afghanistan – immer nur für kurze Zeit. Manche können ein wenig Deutsch, mit anderen kann ich mich auf Englisch oder Französisch verständigen. Aber ganz ohne gemeinsame Sprache sind die Möglichkeiten, sich auszutauschen, beschränkt. Das macht das Miteinander manchmal schwer.

In solchen Momenten kann ich nachvollziehen, was in der Bibel von den vielen verschiedenen Sprachen erzählt wird: Sie sind laut Bibel nämlich eine Strafe.

Die Menschen, so erzählt es die Geschichte vom „Turmbau zu Babel“ (1. Mose 11), haben sich so stark und mächtig gefühlt, dass sie dachten, es gäbe für sie keine Grenzen. Als Beweis wollten sie einen Turm bis in den Himmel bauen. Da hat Gott ihnen für ihren Hochmut einen Dämpfer verpasst: Davor haben alle dieselbe Sprache gesprochen und alle waren alle ein einziges Volk. Dann hat sie Gottes Strafe getroffen: Sie begannen, verschiedene Sprache zu sprechen und wurden über die ganze Erde zerstreut. Die Geschichte steht am Anfang der Bibel. Die ersten Kapitel der Bibel wollen erklären, warum wir Menschen sind wie wir sind. Und warum manches so schwierig ist und schiefläuft. In diesem Fall eben die Sache mit der Verständigung.

Verschiedene Sprachen als Strafe – ja, es gibt Momente, in denen ich verstehe, was gemeint ist. Andererseits sind Sprachen auch ein großer Reichtum. Ich merke: Wenn ich selbst eine andere Sprache spreche, verändert sich unwillkürlich mein Tonfall, meine Mimik, meine Körperhaltung – und in gewisser Weise sogar mein Lebensgefühl. Es ist toll zu erleben, dass Sprache mehr ist als Worte. Und ehrlich gesagt: Es liegt ja nicht nur an fremden Sprachen, dass wir einander nicht verstehen.

Deshalb gefällt es mir, dass es eine zweite Geschichte aus der Bibel gibt, in der es um Sprachen geht. Es ist die Geschichte vom Pfingstfest (Apostelgeschichte 2). Sie erzählt, wie sich auf einmal alle Menschen verstehen – egal, welche Sprache sie sprechen. Weil der Heilige Geist, Gottes Geist der Liebe, dafür sorgt.

Leider passiert so ein Wunder wie damals nicht immer dann, wenn es gerade geschickt wäre. Wenn ich in der Flüchtlingsunterkunft bei uns am Ort nicht weiterkomme, weil mich die Mutter aus Afghanistan einfach nicht versteht und ich sie auch nicht…

Trotzdem macht mir die Geschichte vom Sprachenwunder Mut, weiter miteinander zu kommunizieren und zu versuchen, einander zu verstehen. Es braucht manchmal das Übersetzungsprogramm auf dem Handy, oft Hände und Füße und immer viel Geduld. Aber dann ist manchmal plötzlich doch alles klar. Wie durch einen Geistesblitz. Ein Mini-Sprachenwunder…

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15MRZ2024
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Vor kurzem hat jemand zu mir gesagt: Neidisch zu sein auf andere, das ist doch ganz normal. Vor allem als Kind, wenn man oft weniger hat und darf als andere. Da ist man doch traurig und möchte das auch! Die Frau, die das zu mir gesagt hat, hat es als Kind schwer gehabt. Kopfschüttelnd hat sie dann noch dazugesetzt: Dass Neid in der Kirche als Sünde gilt, finde ich gemein.

Seitdem habe ich mir über Neid Gedanken gemacht. Und es stimmt: Neid ist ein Gefühl, gegen das man sich kaum wehren kann. Es trifft einen, wenn es einem sowieso nicht gut geht. Und wenn man dann noch versucht, sich dieses Gefühl selbst zu verbieten, kann es einen erst recht ziemlich fertigmachen.

Wie sehr Neid Menschen bewegt, kann man schon in einer der allerersten Geschichten der Bibel sehen (1. Mose 4). Sie erzählt von zwei Brüdern, Kain und Abel. Der ältere, Kain, war Bauer, der jüngere, Abel, war Schäfer. Beide bringen Gott eine Opfergabe. Sie machen Gott sozusagen ein Geschenk. Aber dann heißt es in der Geschichte: Gott schaute wohlwollend auf Abel und sein Opfer. Doch Kain und sein Opfer schaute er nicht wohlwollend an.

Die Menschen in biblischen Zeiten wussten, was damit gemeint ist: Nämlich, dass Abel mit seiner Arbeit erfolgreich war. Kain dagegen nicht. Unfair – aber leider eine Erfahrung, die es bis heute gibt: Beim einen gelingt fast alles, beim anderen wenig – auch wenn sich beide richtig anstrengen. Wer sollte da nicht neidisch werden?

Und so ist es auch in der biblischen Geschichte: Kain ist neidisch. Mehr noch: Er ist außer sich vor Neid und Wut. So sehr, dass er seinen Bruder schließlich umbringt.

Eine heftige Geschichte. Aber wenn man genau hinschaut, zeigt sie auch: Das eigentliche Problem ist nicht der Neid. Das Problem ist, dass Kain keine Möglichkeit findet, mit seinem Neid umzugehen – außer durch Gewalt.

Neidisch zu sein ist doch normal! Ja, das stimmt. Und mit „Sünde“ hat Neid nur deshalb zu tun, weil er gefährlich werden kann, wenn man ihn in sich hineinfrisst. Denn dann wird womöglich Hass daraus – und aus Hass Gewalt. Das zeigt die Geschichte von Kain und Abel. Dagegen hilft nur: Aufeinander achten und miteinander reden. Und nicht alles in sich hineinfressen, sondern sich beklagen über Ungerechtigkeit – bei Gott und anderen Menschen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14MRZ2024
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Wir Menschen sind ganz eng mit der Erde verbunden. Wir sind richtige „Erdlinge“. Also, nicht nur aus der Sicht von irgendwelchen Marsmännchen. Ich meine das ganz ernst. Wir Menschen sind „Erdlinge“ – weil wir mit diesem besonderen Material, mit der „Erde“ eng verbunden sind:
Erde zu Erde.... Als Pfarrerin sage ich das, wenn ich an einem offenen Grab stehe und es heißt, von einem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Dazu werfe ich Erde ins Grab: eine handfeste Geste, die mir wichtig ist. Weil so das Ende eines Lebens spürbar und begreifbar wird. Das kann Trauernden helfen auf dem schweren Weg des Abschieds.

Mir ist das mit der Erde aber auch deshalb wichtig, weil es allen zeigt: Jedes Leben ist begrenzt, auch meins und deins. Trotz allem, was wir als Menschen für andere bedeuten, trotz allem, was wir haben oder leisten – letztlich sind wir vergänglich und kehren zur Erde zurück, so wie alle anderen Geschöpfe auch.

Der allererste Mensch in der Bibel wird Adam genannt. Eine der Schöpfungsgeschichten der Bibel erzählt, wie Gott Adam aus Erde vom Acker formt (1. Mose 2,7). Und genau das bedeutet auch der Name Adam: aus Erde. Ein „Erdling“ eben – zu dem Gott in der Bibel sagt: Du bist Erde und sollst zu Erde werden (1. Mose 3,19). Das gilt nicht nur für Adam, sondern für uns alle. Erde zu Erde… sage ich deshalb auch auf dem Friedhof.

Wir Menschen sind „Erdlinge“. Wie geht es Ihnen mit diesem Gedanken? Mich stimmt es traurig, dass alles Leben so begrenzt ist. Und gleichzeitig ist der Gedanke, dass auch ich irgendwann wieder zu Erde werde, für mich auch tröstlich. Wenn ich ein „Erdling“ bin – das heißt doch auch: Ich bin verbunden mit der Erde und so mit allem, was lebt. Ich bin begrenzt, aber Teil eines großen Ganzen.

Mir ist es wichtig, das immer wieder zu bedenken: Ich und alle, die mir begegnen, sind endlich und letztlich zerbrechlich. Und: Wir alle sind Teil der Natur – und auf sie angewiesen.

Und noch etwas ist mir wichtig: Die Bibel spricht zwar sehr nüchtern davon, dass Menschen nur Erde und Staub sind. Aber sie erzählt auch davon, dass für Gott genau diese „Erdlinge“ wertvoll sind. Jedes einzelne Leben – auch über den Tod hinaus. Das hilft mir, wenn ich wieder auf dem Friedhof stehe.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

13MRZ2024
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Wenn ich abends die letzten Teller in die Spülmaschine stelle, dann bleibt mein Blick manchmal am Küchenfenster hängen. Die Fenster gehen nach Westen, und wenn an einem klaren Abend die Sonne untergeht, dann leuchtet plötzlich alles in zartem Rosarot und Violett, in strahlendem Gelb, in grellem Glutrot und orange. Staunend stehe ich dann am Fenster und bewundere das Bild, das sich da bietet – wie ein einzigartiges Gemälde aus Gottes Tuschkasten. Die Arbeit bleibt dann liegen. Die muss ich dann später machen. Aber der Sonnenuntergang ist genau jetzt – und ich muss ihn jetzt „sein lassen“. Verschieben kann ich ihn nicht. 

Der Psychologe Carl Rogers hat gesagt: Menschen sind genauso wundervoll wie ein Sonnenuntergang. Ein passender Vergleich, finde ich. Aber nicht nur, weil Sonnenuntergänge so einzigartig sind. Carl Rogers Erkenntnis ist: Menschen sind genauso wundervoll wie ein Sonnenuntergang – wenn ich sie sein lassen kann.

Ja, vielleicht bewundern wir einen Sonnenuntergang gerade deshalb, so schreibt der Psychologe, weil wir ihn nicht kontrollieren können. Wenn ich einen Sonnenuntergang betrachte, höre ich mich nicht sagen:
'Bitte das Orange etwas gedämpfter in der rechten Ecke und etwas mehr Violett am Horizont und ein bisschen mehr Rosa in den Wolken.' Das mache ich nicht. Ich versuche nicht, einem Sonnenuntergang meinen Willen aufzuzwingen. Ich betrachte ihn mit Ehrfurcht."

Mein Gegenüber mit Ehrfurcht zu betrachten wie ein Kunstwerk Gottes: Das passt für mich ganz wunderbar zur Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Die erzählt ja davon, dass wir Menschen ein Bild Gottes sind, ja sogar sein Ebenbild. Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, heißt es im ersten Kapitel der Bibel (1. Mose 1,27). Als Ebenbild Gottes hat jeder Mensch eine einzigartige Würde und verdient Respekt.

Menschen sind genauso wundervoll wie ein Sonnenuntergang – wenn ich sie sein lassen kann, sagt Carl Rogers. Ich gebe zu: Das Seinlassenkönnen fällt mir nicht leicht. Es braucht Geduld und gute Nerven. Andere korrigieren und kontrollieren zu wollen, liegt oft näher. Aber ich bin sicher: Es lohnt sich, so oft wie möglich die Perspektive von Rogers einzunehmen: Über die Einzigartigkeit von Menschen zu staunen und sie mit Ehrfurcht zu betrachten – wie die Schönheit des Sonnenuntergangs vor meinem Küchenfenster.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

12MRZ2024
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In unserer Kirche hängt ein altes Gebet. Genauer: es hängt im Nebenraum der Kirche, in der Sakristei – da, wo ich mich als Pfarrerin für den Gottesdienst vorbereite. Und wenn ich es sehe, bin ich jedes Mal froh darüber. Das Gebet findet man übrigens in fast allen evangelischen Kirchen. Martin Luther hat es geschrieben. Es beginnt so:
Herr Gott, lieber Vater im Himmel, ich bin wohl unwürdig des Amtes und Dienstes, darin ich deine Ehre verkündigen und der Gemeinde pflegen und warten soll.

Sie merken sicher: Die Sprache ist alt, klingt für unsere Ohren ein bisschen fremd – aber eigentlich geht es um einen einfachen Gedanken. Einen Gedanken, den ich nicht nur als Pfarrerin vor dem Gottesdienst kenne: O Gott, sagt das Gebet, was mache ich bloß hier? Ich bin für diese Aufgabe doch gar nicht geeignet, gar nicht gut genug.

Ich finde ja, dieses Gebet könnte – etwas umformuliert – nicht nur in der Sakristei hängen, sondern auch anderswo.

Zum Beispiel in der Küche über der Kaffeemaschine: Gott, ich weiß nicht, ob ich das heute wieder kann: Verantwortung für die Familie übernehmen, gut für alle da sein... Oder an der Pinnwand im Lehrerzimmer: Gott, eigentlich ist diese Aufgabe zu schwer, allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden… Einen ähnlichen Stoßseufzer können wohl viele morgens in den Himmel schicken – egal ob sie als Busfahrerin arbeiten oder einen Angehörigen pflegen.

Ich jedenfalls bin froh, dass dieses Gebet seit vielen hundert Jahren Pfarrerinnen und Pfarrer in den Gottesdienst begleitet. Weil es mir zeigt, dass ich nicht die Einzige bin, die sich manchmal ungeeignet oder überfordert fühlt. Vor allem aber, weil das Gebet mit diesem Stoßseufzer nicht endet, sondern weitergeht:

Ich bin dieser Aufgabe nicht würdig, sagt Luther. Aber, fährt er fort, du, Gott, hast sie mir ja anvertraut, und die Menschen brauchen mich. Und so bittet er Gott: Sei du mein Helfer und lasse deine heiligen Engel bei mir sein.

Martin Luther war tatsächlich davon überzeugt, dass Gott uns unsere besonderen Aufgaben anvertraut hat – und dass sie alle gleich wichtig sind! Ob wir einen Bus lenken, Kinder unterrichten, im Haushalt oder in der Kirche arbeiten...

Ich finde: Im Kern ist sein Sakristeigebet deshalb ein gutes Morgengebet für alle, die täglich Verantwortung übernehmen. Vielleicht so: Das ist viel für mich, heute, Gott. Ich weiß nicht, ob ich es kann. Aber es muss ja getan werden – und du traust es mir zu. Deshalb hilf mir dabei. Amen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11MRZ2024
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Wundervoll und Glücklich – das sind zwei Jungs aus meiner dritten Klasse. Also, sie heißen so: Marvellous und Lucky – auf Deutsch: wundervoll und glücklich.

Was für schöne Namen! So wie auch Favour – Gunst oder Praise – Lob. Eltern aus afrikanischen Ländern geben ihren Kindern oft solche positiven Namen. Namen, die sofort zeigen: Ein Kind, ja genau dieses Kind, ist ein Glück, ein Geschenk. Ein Grund dankbar zu sein – und Gott zu loben.

Mir gefällt das. Bei uns, habe ich den Eindruck, neigt man dazu, eher die Probleme zu sehen, die Familien haben. Und die gibt es ja: Kinder kosten Zeit und Geld, sie stellen das Leben auf den Kopf – und es gibt in einem durchgeplanten Lebenslauf selten den wirklich guten Zeitpunkt fürs Kinderkriegen. Kinder sind nicht immer gesund, zufrieden und glücklich – und Kinder machen auch nicht unbedingt glücklich, dazu sind sie auch nicht da.

Das gilt natürlich auch für Kinder, die Joy und Grace, Freude und Gnade, heißen. Auch deren Eltern wissen das – und sie haben manchmal sogar mehr Probleme zu bewältigen als andere Familien. Vielleicht wählen sie gerade deshalb so positive Namen für ihre Kinder und drücken so aus: Wir wissen nicht, was kommt, wir können auch nicht voraussehen, was aus unserem Kind einmal werden wird. Aber jetzt freuen wir uns – und empfinden es als Gnade von Gott, dass dieses Kind zur Welt gekommen ist.

Jedes neugeborene Kind bringt die Botschaft, dass Gott sein Vertrauen in den Menschen noch nicht verloren hat. So hat es der Dichter Tagore gesagt. Und ich glaube, dass er recht hat: Mit jedem Kind wird die Hoffnung neu geboren, dass sich auf der Welt etwas zum Besseren wenden kann.

Deshalb ist es auch so wichtig, die Sorgen ernst zu nehmen und Familien zu unterstützen. Wie gut, dass viele das tun – als Opa oder Nachbarin, als ehrenamtliche Kinderturnleiterin oder als Lernpate. Entscheidend ist es aber auch, dass wir als ganze Gesellschaft dafür sorgen, dass alle Kinder gute Chancen bekommen – und die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer wirklich anerkennen.

Denn: Jedes Kind schenkt neue Hoffnung – und ist ein Glück. Das zeigen Lucky und Marvellous mit ihren Namen. Und übrigens auch Benjamin – das heißt Glückskind – oder Johanna – Gott ist gnädig. Vielleicht ja auch Sie, mit Ihrem Namen?

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Anstöße sonn- und feiertags

10MRZ2024
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Volltreffer! Auf den Gottesdienst heute freue ich mich total. Heute wird nämlich Till getauft. Er geht in die dritte Klasse, und er hat ganz allein beschlossen, dass er das gerne möchte, als im Religionsunterricht von der Taufe die Rede war.

Ein Lied für seinen Taufgottesdienst hat Till sich auch selbst ausgesucht: Ein Volltreffer Gottes bist du, singt man da im Refrain. Und jede Strophe beginnt mit der Zeile: Wunderbar bist du gemacht...

Und es stimmt: Till ist ein Volltreffer. Ja, er kann nicht so gut sehen und auch sonst fällt ihm manches schwer. In der Schule braucht er teilweise Unterstützung. Manchmal ist Till davon selbst genervt. Aber er hat eine der wichtigsten Botschaften des christlichen Glaubens gründlich verstanden. Nämlich, dass jeder einzelne Mensch wunderbar geschaffen ist – auch und gerade weil niemand von uns perfekt ist.

Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst,
das Menschenkind, dass du dich seiner annimmst?
So fragt jemand in einem Psalmgebet aus der Bibel (Psalm 8, 5-6). Und staunt:
Kaum geringer als Gott – so hast du den Menschen geschaffen.
Du schmückst ihn mit einer Krone – so schenkst du ihm Herrlichkeit und Würde.

Till hat das verstanden. Er glaubt daran, dass er wunderbar gemacht ist – ein Volltreffer eben: Obwohl er nicht perfekt ist, und obwohl er weiß, dass er auch nicht immer alles gut macht, es manchmal Streit und Ärger gibt.

Deshalb fand Till es auch ganz stimmig, als ich mit ihm darüber gesprochen habe, warum Wasser in der Taufe eine so wichtige Rolle spielt:
Weil sich das Leben manchmal leider auch so anfühlt, als ob einem das Wasser bis zum Hals steht – oder man sogar untergeht. Und weil das Wasser ein Zeichen dafür ist, dass wir immer wieder Mist bauen – und es guttut, den abzuwaschen zu können. Aber das alles ändert eben nichts an der einzigartigen Würde, mit der Gott jeden Menschen krönt.

Ich wünsche Till, dass er diese Botschaft mitnimmt aus seinem Taufgottesdienst – und sie im Herzen behält. Und vielleicht sogar weitergibt an andere: Auch du, ja genau du, bist ein Volltreffer. Und wunderbar gemacht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11NOV2023
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Heute ist Martinstag. An vielen Orten bestaunen Kinder Sankt Martin, wie er vom Pferd steigt, sein Schwert zieht, seinen schönen, roten Mantel in zwei Teile teilt und die Hälfte einem frierenden Bettler schenkt. Der „echte“ heilige Martin hat im 4. Jahrhundert nach Christus gelebt. Und über ihn gibt es noch mehr Geschichten. Martin war Soldat, aber auch Christ. Und von ihm wird berichtet, dass er als römischer Soldat den Kriegsdienst verweigert haben soll – und er hat sich dabei auf christlichen Glauben berufen. Eine ganz andere Martinsgeschichte, die zu denken gibt:

Als die Germanen in römisches Gebiet vordringen, so erzählt es sein Biograf, soll Martin unter dem Befehl von Kaiser Julian in die Schlacht ziehen. Der Kaiser versammelt seine Truppen bei Worms, um den Soldaten vor dem Kampf persönlich die übliche Geldzahlung zu überreichen.

Als Martin an der Reihe ist, lehnt er ab: Ich bin Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen. Ein kühner Schritt für einen, dem das Soldatsein quasi in die Wiege gelegt war. Schon sein Vater ist Berufsoffizier im römischen Heer. Den Namen für seinen Sohn wählt er zu Ehren des Kriegsgott Mars. Mit nur 15 Jahren beginnt auch Martin die militärische Laufbahn. Mit 18 lässt er sich taufen.

Nun also, kurz vor der Schlacht, verweigert er sich: Ich bin Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen. Der Kaiser wird wütend: Aus Angst …, nicht um der Religion willen verweigerst du den Kriegsdienst, hält er ihm vor. Doch Martin bleibt dabei: Wenn du glaubst, dass es mir nicht um meinen Glauben geht und ich nur feige bin, erklärte er dem Kaiser, werde ich mich morgen unbewaffnet vor die Schlachtreihe stellen. Der Kaiser lässt ihn daraufhin gefangen nehmen und befiehlt, ihn ohne Waffen in die Schlacht zu schicken.

Die Geschichte, die uns überliefert ist, geht für Martin auf wundersame Weise gut aus. Die Germanen bitten um Friedensverhandlungen. Die Schlacht fällt aus, Martin kommt frei.

Ende gut, alles gut? Für andere Kriegsdienstverweigerer vor und nach Martin ging es weit weniger glimpflich aus. Deshalb finde ich es gut, sich auch an diese Martinsgeschichte zu erinnern. Wie Christinnen und Christen zu Krieg und Militärdienst stehen – das ist ja leider auch heute eine sehr aktuelle Frage. Wann und wofür ist es aus christlicher Sicht erlaubt, mit der Waffe in der Hand zu kämpfen? Und wann muss ein Befehl verweigert werden? Einfache Antworten auf diese Fragen gibt es nicht. Aber es wichtig, sie zu stellen. Gerade heute. Die unbekannte Geschichte von Sankt Martin ruft mir das ins Gedächtnis.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10NOV2023
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„Unfug denkt man sich nicht aus, Unfug wird’s von ganz allein. Aber dass es Unfug war, weiß man erst hinterher.“ Das sagt Michel aus Lönneberga. Der Titelheld aus dem Kinderbuch von Astrid Lindgren muss es wissen. Mit Unfug kennt er sich aus. So sehr, dass die Leute in seinem Dorf irgendwann Geld sammeln, in der Hoffnung, dass seine Familie ihn nach Amerika schickt – und sie Michel und seine Streiche ein für alle Mal los sind.

Dabei, da hat Michel ganz recht, denkt er sich eigentlich gar keinen Unfug aus. Im Gegenteil: Meistens hat er mit seinen Aktionen nur Gutes im Sinn. Seine kleine Schwester Ida will eben so gerne mal richtig weit sehen – deshalb tut Michel ihr den Gefallen, sie am Fahnenmast hochzuziehen. Die Kirschen, die er im Dunghaufen vergraben soll, sind dafür doch zu schade. Viel besser kann er das Schweinchen und die Hühner damit füttern. Wie kann er wissen, dass die Kirschen vergoren sind und zu Wein werden sollen. Nun ja, am Ende sind nicht nur die Tiere, sondern auch Michel besoffen. Und sein Vater mal wieder der Verzweiflung nahe.

„Unfug denkt man sich nicht aus, Unfug wird’s von ganz allein. Aber dass es Unfug war, weiß man erst hinterher.“ Michels Weisheit, finde ich, trifft nicht nur auf einen kleinen Lausejungen zu. Ich kenne das auch. Auch ich meine es oft gut – aber nachher kommt manchmal doch Mist heraus. Das ist frustrierend.

In einem Michel-Film kann man sehen, wie er mal wieder zur Strafe für seine Streiche im Tischlerschuppen sitzen muss. Er zündet eine Kerze an und betet: „Lieber Gott, mach doch, dass ich mit meinem Unfug aufhöre. Bittet freundlich Michel Svensson – Katthult – Lönneberga.“

Es klappt nicht. Aber Michel lässt sich nicht entmutigen. Er versucht weiter, es richtig zu machen – auch, wenn manchmal Unfug dabei herauskommt. Eigentlich lebt er so, wie Martin Luther es mal vorgeschlagen hat: Hab keine Angst, Fehler zu machen, sagt Luther. Fehler wirst du immer machen. Schlimmer wäre es, nichts zu wagen vor lauter Furcht, schuldig zu werden. Lebe mutig und hab Vertrauen, dass dir vergeben wird, wenn es dir leidtut. Von anderen Menschen und von Gott.

Michel hat dieses Vertrauen – und geht seinen Weg. Davon ist am Ende sogar seine Familie überzeugt: „Dass Michel Präsident im Gemeinderat wird, das bezweifle ich“, sagt sein Vater. „Aber sicher kann noch ein einigermaßen guter Mensch aus ihm werden. Wenn er am Leben und gesund bleibt und wenn Gott will.“ Die Mutter nickt zustimmend: „Ja, ja, wenn Gott will“. „Und wenn Michel will“, sagt die kleine Ida.

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