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SWR Kultur Lied zum Sonntag

23JUN2024
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Halt an, wo läufst du hin – der Himmel ist in dir!
Suchst du Gott anderswo. Du fehlst ihn für und für.

Davon ist Johann Scheffler zutiefst überzeugt. Für ihn ist klar: Gott ist nicht in Büchern zu finden. Und an Gott zu glauben heißt nicht, abstrakte Wahrheiten über ihn anzuerkennen. Für Scheffler ist Glaube ein Gefühl. Eine überwältigende Erfahrung – wie die Liebe. Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich – heißt es im Kehrvers in einem seiner bekanntesten Lieder:

Musik Strophe 1

Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm. Diesem Gedanken aus dem 1. Johannesbrief der Bibel hat Scheffler, der im 17. Jahrhundert als Arzt und Theologe in Breslau gelebt hat, sein Lied gewidmet.

Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm – Schefflers Interpretation solcher Verse, seine mystische Glaubensüberzeugung, dass Gott nur in uns selbst zu finden ist, ja nur in uns existiert, war seinerzeit eine Provokation.

Ich weiß, dass ohne mich Gott nicht einen Augenblick kann leben: Solche Sätze brachten den Protestanten in Konflikt mit der evangelischen Geistlichkeit in Breslau, die sich als Hüterin lutherischer Rechtgläubigkeit verstand. Als die zugespitzten Verse aus seinem Hauptwerk, dem „Cherubinische Wandersmann“, zensiert werden sollten, konvertierte Scheffler, der später unter dem Namen Angelus Silesius bekannt geworden ist, aus Protest zum katholischen Glauben. Dort sah er eine größere Offenheit für die Mystik.

Musik Strophe 3

Gott ist die Liebe – was das bedeutet, beschreibt Scheffler in seinem Lied Strophe für Strophe. Und geht dabei – obwohl es ihm ums Gefühl geht – doch recht systematisch die ganze christliche Glaubenslehre durch: Gottes Liebe erfährt er durch Gott den Schöpfer, durch Christus und den Heiligen Geist. Und Gottes Liebe, darauf vertraut Scheffler, wird es auch sein, die ihn ganz am Ende empfängt

Liebe, die mich wird erwecken, aus dem Grab der Sterblichkeit,
Liebe, die mich wird umstecken, mit dem Laub der Herrlichkeit;
Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu blieben ewiglich.

Schefflers Ideen sind, finde ich, auch heute ihrer Radikalität provokant – und bedenkenswert. Denn sie können eine Brücke sein zum christlichen Glauben für alle, die sich mit theoretischen Glaubenswahrheiten schwertun. Nein, sagt Scheffler, Gott finde ich nicht in Dogmen, sondern in mir selbst und meinen Gefühlen. Glauben heißt: Davon überwältigt sein:
Liebe, die mich ewig liebet, heißt es in der sechsten Strophe seines Liedes. Und in dieser Vertonung zitiert die Oberstimme dazu einen Vers aus dem Kolosserbrief der Bibel – wohl ganz in Schefflers Sinne: Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.

Musik Strophe 6

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22JUN2024
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Morgen Abend laufen sie wieder auf – die Stars der deutschen Nationalelf. Wo ich das Spiel schaue, weiß ich noch nicht. Aber mitfiebern werde ich schon. Wenn ich den Profis zuschaue – vor allem den ganz jungen Spielern wie Jamal Musiala oder Florian Wirtz – dann denke ich manchmal, dass es noch gar so nicht lange her ist, dass die als kleine Knirpse mit der F-Jugend oder den Bambinis auf dem Platz standen. Oft bei lokalen Clubs in ihrem Dorf oder Stadtteil, die niemand groß kennt.

Dass die Jungs jetzt in der Nationalmannschaft kicken, ist also auch denen zu verdanken, die sie damals trainiert und ihnen die Grundlagen beigebracht haben – vor allem aber: die ihnen den Spaß am Fußball vermitteln haben.

Darum geht es – jenseits vom großen Kommerz – im normalen Vereinssport ja Gott sei Dank vor allem: um Teamgeist und Spielfreude. Manchmal muss man zu ehrgeizigen Eltern am Spielfeldrand auch beim Dorfclub daran erinnern: Es ist sind nur Kinder. Es ist nur ein Spiel. Und alle hier machen das ehrenamtlich.

Ich finde es bemerkenswert, wenn Leute Woche für Woche, Monat für Monat, Wochenende für Wochenende als ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer auf dem Platz sind, für die Jungs – und natürlich auch die Mädels –, die heute bei den Jüngsten spielen. Egal, ob die das Potenzial für eine große Karriere haben oder einfach Freude am Spiel und an der Gemeinschaft.

Wie großartig, dass überall so viele Menschen ihre Zeit, aber auch ihre Kompetenz, ihre Kraft, Nerven und Geduld einsetzen, um Kindern und Jugendlichen diese Erfahrung zu ermöglichen. Natürlich nicht nur als Trainerinnen und Trainer. Um den Spielbetrieb und einen Verein am Laufen zu halten, braucht es ja auch Leute, die sich als Schiris ausbilden lassen, die die Vereinskasse führen, die Trikots waschen und – vielleicht auch dieses Wochenende wieder – beim Vereinsfest die Bierbänke aufbauen und die Pommes braten. Ohne jede Menge ehrenamtliche Arbeit ist das alles jedenfalls nicht möglich. Und jede und jede ist mit seinen und ihren Fähigkeiten gefragt: Seid füreinander da, ruft übrigens schon der erste 1. Petrusbrief in der Bibel auf, mehr noch: Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er erhalten hat.

Ja, ob etwas geht oder nicht, liegt auch an unserem Engagement. Und falls Sport so gar nicht ihr Ding ist, Sie aber trotzdem auch nur ein bisschen Zeit erübrigen können: Der Naturschutzbund vor Ort, der Tafelladen in ihrer Stadt, der Besuchsdienstkreis ihrer Kirchengemeinde oder der Ortsverein ihrer Lieblingspartei wartet schon auf Sie!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21JUN2024
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Trinkst du schon echten Bohnenkaffee? Das hat neulich eine ältere Dame meinen jugendlichen Sohn gefragt. Bohnenkaffee! Das ist ein Wort, das ich schon lange nicht mehr gehört habe. Höchstens vielleicht gelesen, in Büchern über die Nachkriegszeit. Deshalb bin ich daran hängen geblieben.

Bohnenkaffee – aus dem Mund der alten Dame klingt das ein bisschen nach Luxus. Sie kann sich noch daran erinnern, wie es war, als man nur schwer an echten Kaffee kam.

Für mich dagegen ist Kaffee völlig alltäglich. Morgens schalte ich – wie viele von Ihnen wahrscheinlich auch – ohne nachzudenken als erstes die Kaffeemaschine ein und werde erst nach dem ersten Becher Kaffee halbwegs wach. Nachmittags kippe ich die Reste weg und setze gegen das Mittagstief einen neuen auf.

Aber der Klang des Wortes „Bohnenkaffee“ hat mich erinnert, dass es eigentlich stimmt. Kaffee ist ein kleiner Luxus. Kaffeebohnen anzubauen, zu fermentieren, zu rösten und nach Europa zu transportieren ist ein ziemlich aufwändiger Vorgang – und verbraucht viele Ressourcen. Und dass für mich Kaffeetrinken so selbstverständlich ist, liegt auch daran, dass die Leute, die den Kaffee anderswo anbauen und verarbeiten, viel weniger verdienen als ich. Wenn ich fair gehandelten Kaffee kaufe, kann ich dafür sorgen, dass auch dort zumindest einigermaßen faire Löhne gezahlt werden. Das ist wichtig. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass mein täglicher Becher Kaffee eigentlich etwas Besonderes ist – echter Bohnenkaffee eben! Nur wenige bei uns wissen heute noch, wie es war, als es keinen gab. Und wie wunderbar es sich damals angefühlt hat, wieder eine Tasse davon trinken zu können.

 „Bohnenkaffee“ - seit mir dieses Wort wieder begegnet ist, atme ich den Duft der ersten Tasse am Morgen erst einmal genüsslich ein. Dann der erste Schluck… Ein Mini-Genussmoment, bevor der Stress wieder losgeht.

Schmecket und sehet, wie freundlich Gott ist, so heißt es in einem Psalmgebet in der Bibel. Ich mag diesen Vers. Und ja: Die Kaffeepause mit dem echten Bohnenkaffee, dazu vielleicht noch ein Stückchen Schokolade – das ist für mich so ein Moment, in dem ich das schmecken und sehen kann. Und dankbar dafür bin. Ein kleiner Luxus, der mir gut tut!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20JUN2024
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Neulich habe ich eine Mutter mit ihrem Baby beobachtet. Gerade noch hat das Baby erbärmlich geschrien. Kurz darauf hört man nur noch zufriedenes Glucksen und leise Schmatzgeräusche. Mit großen Augen betrachtet das winzige Wesen seine Mutter, während es an der Brust trinkt – und wirkt dabei so tiefenentspannt, dass ich beim Beobachten auch gleich ganz ruhig werde.

Bei mir ist es nun schon Jahre her, dass ich gestillt habe – aber ich erinnere mich auch noch gut an dieses Glück, wenn das Baby aufhört zu quengeln und einfach zufrieden trinkt.  An das Gefühl von Nähe und Geborgenheit in diesem Moment… Für mich einfach ein kleines Wunder.

Was ich lange nicht wusste: Es gibt auch ein Gebet in der Bibel, das vom Stillen spricht – und von der wunderbaren Ruhe und Zufriedenheit, die sich dabei ausbreiten: Wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter, wie das gestillte Kind an meiner Brust, so ist meine Seele zur Ruhe gekommen. So heißt es im 131. Psalm in der Bibel.

Mir gefällt dieses Gebet gut. Einmal schon allein deshalb, weil hier offenbar eine Frau betet. Lange ist man wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass alle Psalmen Gebete von Männern sind. Erst eine neue Übersetzung hat mich drauf gebracht, dass das hier anders ist. In älteren Versionen ist nämlich vom Stillen gar nicht die Rede – vielleicht haben sich die Übersetzer davor gescheut, das zu so klar zu benennen.

Wie das gestillte Kind an meiner Brust, so ist meine Seele zur Ruhe gekommen. Das Gebet berührt vor allem, weil es so anschaulich und innig ist. Die Beterin beschreibt, wie sie im Vertrauen auf Gott loslassen kann – schwierige Fragen, die sie umtreiben, aber auch falschen Stolz und zu hohe Ansprüche an sich selbst. Ich gebe mich nicht mit Dingen ab, die zu groß sind … für mich, vertraut sie Gott im Gebet an. Vielmehr fand ich zur Gelassenheit zurück und meine Seele konnte zur Ruhe kommen wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter.

Ja, solche Momente kenne ich auch – Momente, in denen die Seele zufrieden ist wie ein satter Säugling. Für mich haben diese Momente, genau wie die Beterin es im Psalm beschreibt, mit Vertrauen zu tun. Mit Gottvertrauen, aus dem Selbstvertrauen wächst – und das Vertrauen zu anderen Menschen.

Ich weiß: Es ist nicht immer möglich, dieses Vertrauen so ungebrochen zu spüren. Aber ich glaube: Gerade weil das Leben so viele komplizierte Herausforderungen an uns stellt, tut es mir gut, immer wieder loszulassen und mich anzuvertrauen – anderen Menschen und auch Gott. Und dann zu spüren: Meine Seele ist zur Ruhe gekommen – wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19JUN2024
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Heute Abend kommen sie nach Stuttgart, die deutschen EM-Kicker – das erste Deutschlandspiel im Ländle! Vielleicht sind Sie ja sogar vor Ort dabei – in der Fan Zone in der Stuttgarter Innenstadt oder gar im Stadion? Aber egal ob Fan oder Fußballmuffel: Auf eine friedliches und faires Fußballfest auf den Straßen und auf dem Rasen hoffen wohl alle.

Auf dem Platz sorgen die Schiedsrichter dafür, dass fair gespielt wird – wenn nötig auch mit einer gelben oder gar roten Karte. Gelbe und rote Karten – die kennt jeder. Aber haben Sie beim Fußball auch schon mal von einer weißen Karte gehört? Die kennt kaum jemand – aber es gibt sie. Vom portugiesischen Fußballverband wurde sie vor einigen Jahren eingeführt – erst für die Jugend, inzwischen auch bei den Fußballfrauen.

Bei der EM werden keine weißen Karten gezeigt. Schade eigentlich – die Grundidee ist nämlich gar nicht schlecht, finde ich: Die weiße Karte ist eine "Fairplay-Karte“. Sie soll respektvollen Umgang auf dem Platz belohnen: Sich bei Fehlern zu entschuldigen, Schiedsrichterentscheidungen zu akzeptieren oder Mitspieler zu unterstützen.

Manchmal, so habe ich den Eindruck, wäre so eine weiße Karte nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch im Alltag eine gute Sache. Denn auch da verteilen wir verbal gerne mal gelbe und rote Karten – an andere Verkehrsteilnehmer, aufmüpfige Kinder oder andere Leute, die nicht tun, was wir für richtig halten. Geschimpft ist schnell – aber wie wäre es, das Repertoire auch mal um eine weiße Karte zu erweitern und zur Abwechslung anderen deutlich zu sagen: Das hast du richtig gut gemacht. Zum Beispiel: Vielen Dank, dass Sie so perfekt eingeparkt haben – jetzt passe ich auch noch daneben!  Oder: Super, dass du aufgestanden bist und deinen Platz im Bus dem älteren Herrn angeboten hast.

Als Christin kann ich die Sache mit der weißen Karte sogar noch weiterdenken. Denn bei Gott kommt die weiße Karte sogar zuerst – noch bevor mich besonders vorbildlich verhalten habe oder eine besondere Leistung gezeigt habe. Eigentlich noch bevor ich irgendetwas gemacht habe. Der Theologe Eberhard Jüngel hat es mal so gesagt: Christus hat uns angenommen … deshalb verdient ein jeder von uns einfach dafür, dass er da ist, zumindest ein wenig gelobt zu werden.

Ich finde jedenfalls: Für die weiße Karte gibt es viele Verwendungsmöglichkeiten. Nicht nur auf dem Rasen. Es lohnt sich, das Kartenrepertoire in unserer Hosentasche zu erweitern. Statt einer gelben oder gar roten Karte auch mal die weiße zu zücken und so zu zeigen: Finde ich gut!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18JUN2024
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Auch bei uns in der Stadt gibt es jetzt an verschiedenen Stellen sogenannten Shared Space – gemeinsam genutzten Raum. Hier teilen sich Menschen, die zu Fuß, auf dem Rad und im Auto unterwegs sind, dieselbe Straße. Alle müssen aufeinander Rücksicht nehmen. Die Hoffnung ist, dass so weniger Unfälle passieren – und tatsächlich: Meistens funktioniert es, weil alle vorsichtiger unterwegs sind.

Aber nicht allen gefällt das Konzept, denn: Teilen ist anstrengend! Klar, ich merke es auch: Hier kann ich nicht einfach flott durchradeln wie auf einem Radweg. Und als Fußgängerin muss ich besser aufpassen als auf dem Gehweg. Es ist anstrengend, ständig auf andere zu achten.

Teilen ist nicht leicht. Das gilt nicht nur für die Straße. Aber mich frustriert es manchmal, dass wir Menschen oft so schwer miteinander klarkommen, wenn wir etwas teilen sollen. Dass zum Beispiel schöne alte Häuser mitten im Ort leer stehen, weil die Erben sich nicht einigen können, was damit geschehen soll. Obwohl Familien dringend Wohnraum suchen – und es für das Klima und den Hochwasserschutz besser wäre, nicht immer neue Flächen mit Neubaugebieten zu versiegeln.

Oder, anderes Beispiel: Es irritiert mich, wenn Leute mir erzählen, dass sie immer mit dem eigenen Auto fahren, weil sie es so unangenehm finden, mit fremden Leuten im Zug zu sitzen. Auch da sollten wir es doch schaffen, so gut aufeinander zu achten, dass sich alle einigermaßen wohlfühlen – und sich dann auch einen Wagen teilen können.

Die ersten Christinnen und Christen, von denen die Apostelgeschichte in der Bibel erzählt, waren da grundsätzlich anders drauf: Alle hielten zusammen, und sie teilten allen Besitz. Immer wieder, so heißt es in der Bibel, verkauften sie Grundstücke oder sonstiges Eigentum. Den Erlös verteilten sie an die Bedürftigen – je nachdem, wie viel jemand brauchte.

Dabei gab es natürlich auch mal Ärger. Denn diese Gemeinde in Jerusalem damals war nicht nur ein winziger verschworener Zirkel von Menschen, die sich sowieso gut verstanden. Im Gegenteil, es kamen ständig neue Leute dazu – und zwar Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern, religiösen Richtungen und gesellschaftlichen Schichten.

Alles miteinander teilen? Heute sind wir von so einer Haltung oft weit entfernt. Aber gerade deshalb ist es wichtig, sich von Ursprüngen der eigenen Religion herausfordern zu lassen. Und zu überlegen, wo es möglich ist, mehr mit anderen zu teilen.

Ich glaube, wir tun gut daran. Denn unsere Erde ist zwangsläufig auch ein Shared Space. Die müssen wir gemeinsam nutzen, denn wir haben nur die eine. Deshalb bleibt nichts anderes übrig, als miteinander auszukommen. Und zu teilen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17JUN2024
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Jetzt ist alles kaputtgegangen! Manchmal kommt es einem so vor. Dieses Frühjahr ging es uns zum Beispiel so mit dem großen Walnussbaum, der vor unserem Küchenfenster steht. Nach dem langen Winter, in dem der Baum kahl dastand, waren im April gerade wieder die ersten grünen Blätter zu sehen – wie schön! Aber dann gab es noch mal einen kräftigen Nachtfrost. Am nächsten Tag haben sich die jungen Triebe schwarz verfärbt – und sind abgestorben. Ein trauriger Anblick. Kein grünes Blätterdach in diesen Sommer, dachten wir – alles hinüber.

Ich finde, solche Momente gibt’s auch sonst im Leben. Momente, in denen man den Eindruck hat: Jetzt ist alles kaputtgegangen. Wenn man ernsthaft krank wird, zum Beispiel, und plötzlich nichts mehr geht. Wenn man merkt, dass man eine falsche Entscheidung getroffen hat. Oder wenn ein Streit eskaliert und keine Versöhnung in Sicht ist.

Alles kaputt? Der Walnussbaum hat uns gezeigt, dass man sich da täuschen kann. Nach ein paar Wochen hat er nochmal ausgetrieben – inzwischen hat seine stattliche Krone wieder ein dichtes grünes Blätterkleid. Wir haben gestaunt. Aber ein Freund, der sich mit Bäumen auskennt, hat es erklärt: Der Walnussbaum hat sogenannte Seitenknospen, also Reserveknospen. Wenn die ersten Blätter kaputtgehen, dann kommen die Seitenknospen zum Einsatz und treiben aus – so dass der Baum im Sommer nicht ohne Blätter dasteht.

Ich glaube, dass wir Menschen auch so eine Art Reserveknospen haben. Und dass Gott uns Kräfte mit auf den Weg gegeben hat, von denen wir gar nicht ahnen, dass sie da sind. Aber die dann zum Vorschein kommen, wenn sonst gar nichts mehr geht. Und wenn selbst die an ihr Ende kommen, sind Gottes Möglichkeiten immer noch nicht erschöpft. Ich mag einen Satz vom Propheten Jesaja aus der Bibel, der das schön beschreibt. Er richtet sich an Menschen, die keine Kraft mehr haben, keine Heimat und keine Hoffnung. Jesaja erinnert sie daran, dass es bei Gott immer neue Möglichkeiten wachsen. Gott sagt, so steht es bei Jesaja: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?

Nicht immer gehen in Krisensituationen unsere Reserveknospen so schnell auf wie bei unserem Walnussbaum. Manchmal sieht es lange so aus, als sei wirklich alles kaputt, die Energiereserven bleiben verborgen, und es ist schwer zu erkennen, was noch kommen soll. Aber das Bild vom Baum und seinen Reserveknospen nehme ich für mich mit. Ich hoffe, dass ich mich in schwierigen Momenten daran erinnere. Und aufmerksam bleibe für das, was Gott verspricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

16JUN2024
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Die Schrift auf den Verpackungen wird auch immer kleiner, habe ich in letzter Zeit öfter gedacht – und beim Kochen in der Küche das Licht eingeschaltet und den Kopf verdreht, um die winzigen Buchstaben entziffern zu können. Meine Kinder haben mich beobachtet und nur gegrinst: Du brauchst halt eine Lesebrille!

Echt jetzt? Im Drogeriemarkt habe ich mich unauffällig an den Brillenständer herangeschlichen und mal so eine Lesebrille ausprobiert. Wow! Wie einfach man damit alles erkennen kann. Eine ganz neue Sicht auf manche Dinge.

Das Erlebnis mit der Lesebrille hat mich nachdenklich gemacht. Es gibt vermutlich auch sonst in meinem Leben einiges, dass ich nicht deutlich fokussiere, sondern nur verschwommen wahrnehme wie die kleinen Buchstaben: Manchmal sehe ich zum Bespiel nicht klar, dass mein Körper signalisiert: Mach mal eine Pause. Oder ich nehme gar nicht richtig wahr, wie es eigentlich der Nachbarin geht, die ich ab und zu im Vorbeigehen grüße. Ja, es gäbe vieles, was wichtig wäre zu sehen – und es ist wie mit der Altersweitsichtigkeit: Mir fehlt die richtige Brille dafür – aber ich habe mich daran gewöhnt und merke es gar richtig.

Die Sache mit der richtigen Brille hat übrigens auch den Reformator Johannes Calvin beschäftigt, der im 16. Jahrhundert in Genf gelebt hat. Calvin meint, die Bibel, die Heilige Schrift, ist so etwas wie eine Brille, mit der man Gott und die Welt genau erkennen kann.

Sinngemäß sagt er: Wenn jemand schlecht sieht, kann man ihm ein Buch so lange vor die Nase halten, wie man will. Er merkt zwar, dass da etwas geschrieben steht, kann aber kaum etwas erkennen. Mit einer Brille dagegen kann er mühelos alles lesen und verstehen. Und so wie eine Brille Klarheit in die Buchstaben bringt, so bringt die Heilige Schrift, schreibt Calvin, unser sonst so verworrenes Wissen um Gott in die richtige Ordnung.

Mir leuchtet das ein. Geschichten aus der Bibel helfen mir, an manchen Punkten in meinem Leben genauer hinzusehen. Wenn ich in der Bibel lese, dass ich wunderbar geschaffen bin und mein Leben ein Geschenk von Gott ist – dann verändert das meinen Blick auf mich selbst. Ich schaue mich selbst freundlicher an – und versuche, besser auf mich achtzugeben. Und wenn ich die Geschichte vom Barmherzigen Samariter höre, der als einziger einem Schwerverletzten geholfen hat, obwohl der eigentlich sein Feind war – dann überlege ich, wie ich’s damit halten würde. Und bei wem ich bereit bin zu helfen.

Ja, die Bibel kann wie eine Brille sein, die hilft, scharf zu sehen – Gott, die Welt und mich selbst.

Fürs Lesen habe ich mir übrigens inzwischen eine Lesebrille angeschafft. Nicht immer setze ich sie auch auf. Aber sie erinnert mich daran, immer mal wieder zu prüfen, was ich gerade so wahrnehme im Leben. Ob ich scharf sehe. Und durch welche Brille ich die Welt betrachte.

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SWR Kultur Zum Feiertag

20MAI2024
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Ein Geist der Verständigung – auch das ist der Heilige Geist, dessen Kommen wir als Christinnen und Christen an Pfingsten feiern. Von einem Sprachenwunder erzählt die Pfingstgeschichte in der Bibel – Menschen unterschiedlicher Muttersprache konnten einander plötzlich verstehen. Wo ist dieser Geist der Verständigung heute zu erfahren – in Kirche und Gesellschaft?

Darüber spreche ich mit Achnasia Manganang – sie stammt aus Indonesien und ist Theologin und Kirchengemeinderätin in der Kirchengemeinde in Stuttgart-Botnang – und mit Stephan Mühlich, er ist Pfarrer in Botnang. Frau Manganang, Herr Mühlich – könnte man sagen, dass bei Ihnen in Botnang jede Woche Pfingsten ist?

 

Mühlich: Naja, jede Woche Pfingsten, das klingt etwas enthusiastisch, würde ich sagen. Wenn Pfingsten allerdings bedeutet, sich herausfordern zu lassen davon, dass jeder Mensch für jeden Menschen ein Fremder ist mit einer eigenen Muttersprache, die ich gerne lernen will besser zu verstehen, und dass wir zugleich durch Christus alle zu Geschwistern geworden sind in der einen Welt, dann kann tatsächlich jede Woche Pfingsten sein.

Rittberger-Klas: Auch in Botnang – sehen Sie es auch so, Frau Manganang?

Manganang: Ja, in Botnang auch…

Rittberger-Klas: Herr Mühlich, in ihrer Kirchengemeinde scheint es eine besondere Offenheit für internationale Kontakt zu geben – wie ist das entstanden?

Pfarrer sind ja auch Migranten in gewisser Hinsicht. Ich bin zwar in Stuttgart geboren haben eine Frau aus Brandenburg und war als junger Pfarrer zwei Jahre in Italien gewesen in der italienischsprachigen Gemeinde in der Waldenserkirche, das hat mich geprägt. Ich war dann anschließend dreizehn Jahre hier in Württemberg Gemeindepfarrer und neun Jahre im ökumenischen Zentrum auf dem Campus der Universität in Stuttgart-Vaihingen. Und da gibt es ein ökumenisches Haus, also ein gemeinsames evangelisch-katholisches Haus für Studierende, für Hochschulangehörige, und das war immer auch schon ein internationales Haus gewesen. Und Frau Manganang habe ich tatsächlich dort kennengelernt, weil sie mit ihrer indonesischen Gemeinde dort im Ökumenischen Zentrum oft schon gefeiert haben und zu Gast waren. Und dann war sie eine Einheimische, die ich in Botnang wiedergetroffen habe vor fünf Jahren. Und außerdem habe ich dann gesehen in Botnang die Mitarbeiter der Kirchengemeinde, die mir dort begegnet sind: ein iranischer Mesner und Hausmeister, eine Hausmeisterin aus Kasachstan, eine Kantorin aus Russland, eine Instrumentalkreisleiterin aus Japan, eine Organistin aus Südkorea, also ziemlich breit aufgestellt – nicht nur die Indonesier sondern auch die verschiedenen Mitarbeiter, die da einfach dabei sind. Und ich fand immer schon, das sind nicht nur Gastarbeiter für unsere deutsche Gemeinde, sondern das sind welche, die auch mit dazu gehören, und deshalb hat es mir da von Anfang an gut gefallen.

Rittberger-Klas: Eine Kirchengemeinde, in der sich Welten und verschiedene Menschen begegnen… Sie, Frau Manganang, sind in der Botnanger Kirchengemeinde, in der evangelischen Landeskirche engagiert als Kirchengemeinderätin – und treffen sich auch regelmäßig mit anderen Christinnen und Christen aus Indonesien. Sie haben also quasi eine doppelte kirchliche Heimat. Was ist daran spannend, was schätzen Sie daran?

Manganang: Diese doppelte Kirchen-Heimat, also, ja kann man so sagen… Wir bieten das Studenten, die hier studieren, oder allen Indonesiern, die schon lange hier wohnen. Wir wollen dann einfach nur ein Stück Heimat geben, dass wir einmal auf Indonesisch beten, wir singen, wir hören Gottes Wort auf Indonesisch und essen auch unser Essen. Aber am Samstag treffen wir uns, und Sonntag wir gehen dann in die Kirche, wo wir dazugehören, weil bei unseren Mitgliedern sind ja auch ganz viele Denominationen, Evangelische, auch Freikirchen, auch Katholiken. Und dann am Sonntag gehen wir eben in die eigene Kirche hier im Deutschland, wo sie wohnen, damit sie dann gut aktiv und integriert werden. Also, quasi können wir sagen, dass wir eine doppelte kirchliche Heimat hier in Stuttgart haben. Und dann habe ich mich in Botnang richtig engagiert, wo Herr Stefan Mühlich mich dann gefragt als Kirchengemeinderätin. Da bin ich noch mehr integriert.

Mühlich: Ja, das finde ich schon, das gehört eigentlich dazu, dass auch in den Gremien die internationalen Leute vertreten sind. Deswegen hatte ich gleich versucht, das irgendwie hinzubekommen, und dann waren bald die Kirchenwahlen und ich war sehr froh, dass du zugesagt hast und auch, dass es dann bei der Wahl wirklich auch gut geklappt hat. Und das hat auch das Gremium verändert bei uns. Also das ist, finde ich, auch spannend zu sehen, wie auch die Kirchengemeinderäte einer württembergischen Gemeinde sich dadurch verändern.

Rittberger-Klas: Jetzt ist es ja so: Wenn Menschen aus unterschiedlichen Traditionen und Kulturkreisen zusammen leben, feiern und arbeiten, ist immer auch ein Lernprozess. Wo haben Sie voneinander gelernt – und wo gab es vielleicht auch mal Reibungspunkte, wo Sie erstmal gemeinsam ins Laufen kommen mussten?

Mühlich: Also ich finde, es gibt da nichts Besonderes. Ich sag: Das Übliche was es in jeder Familie und Gemeinde gibt, Themen wie Ordnung, Sauberkeit, Zeitvorstellungen… Aber das sind Geschmacksfragen, also das ist eigentlich nichts, was so typisch das Interkulturelle war, sondern das habe ich auch mit Jugendgruppen…

Manganang: Richtig Reibungen, das haben wir nicht, nur dass anders ist, dass es bei uns manchmal sehr laut ist. Und wir sind manchmal nicht richtig strukturiert, spontan. Und manchmal müssen wir dann klarkommen. Und das haben wir dann auch gewusst: Wenn wir deutsche Gäste haben oder einladen, haben wir darauf hingewiesen, dass sie bitte nicht so pünktlich kommen, zum Beispiel.

Rittberger-Klas: Und haben Sie das Gefühl, dass diese besondere geistliche Gemeinschaft, die man auch als Christen hat in der Kirchengemeinde, dass das manchmal auch hilft?

Manganang: Meiner Meinung nach also diese geistliche Verständigung wird wirken, wenn wir dann auch offen dafür sind, dann wirkt er, dieser Heilige Geist der Verständigung. Das sage ich dann immer, wenn neue Studenten zu uns kommen, die noch kein Deutsch sprechen können und die dann nicht zur Kirche gehen wollen, weil sie dann nicht verstehen und so weiter – und dann hab ich gesagt: Nee, da musst du auch hingehen, also Gott wird dann auch zu dir sprechen, mit seinem Heiligen Geist, durch die Musik, alles…

Rittberger-Klas: Durch die Atmosphäre…

Manganang:Ja, also Gott wird dann auch in dein Herzen reinkommen und dann wirst du verstehen.

Mühlich: Und ich denke auch der Heilige Geist funktioniert ja nicht so sehr wie eine Medizin in der Krise, der dann erlebbar ist, wenn wir irgendwie Stress miteinander hatten und dann wird es wieder geheilt oder so. Sondern es ist tatsächlich mehr so das Überraschungselement, dass manchmal Dinge passieren, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hat. Und wenn man das zulässt einfach erstmal eine Zeit lang auch so eine Fremdheit auszuhalten und auch was nicht zu verstehen – da gibt es dann auch immer wieder schon Dinge, wo man sagt: Ja, das war jetzt was, wo diese Gemeinschaft auch spürbar geworden ist.

Rittberger-Klas: Der Heilige Geist als Geist der Verständigung – heute am Pfingstmontag wird er in der Stuttgarter Innenstadt auf besondere Weise gefeiert, und zwar mit dem „Tag der weltweiten Kirche“, der vomInternationalen Konvent christlicher Gemeinden in Württemberg gestaltet wird, in dessen Vorstand auch Sie, Frau Manganang, sitzen. Der Tag beginnt mit einem Gottesdienst um 11 Uhr mit der Stuttgarter Stiftskirche, danach wird um die Stiftskirche herum weitergefeiert.

Manganang: Ja, das ist dann der Höhepunkt für unseren internationalen Konvent, dass wir den Pfingstmontagsgottesdienst in der Stiftskirche gestalten können jedes Jahr. Und es werden auch viele verschiedene Sprache auf einmal in diesem Gottesdienst gesprochen und auch gesungen und auch auf viele Themen werden von verschiedenen Gemeinden präsentiert.

Mühlich: Also, ich find‘s immer schön, wenn ich selber auch beim Tag der weltweiten Kirche in der Stiftskirche dabei sein kann, und tatsächlich haben wir in Botnang dieses Jahr Pfingstmontag keinen eigenen Gottesdienst, sondern laden auch dazu ein. Wir haben bisher immer ökumenisch evangelisch-katholisch Gottesdienste gemacht, was auch schön ist, aber in besonderer Weise ist der Tag der weltweiten Kirche nochmal sowas, wo gezeigt wird, wie es eigentlich werden kann, sag ich mal. Und der Konvent der internationalen Gemeinden macht es ein Stück weit vor, weil die sind schon untereinander auch sehr, sehr unterschiedlich – also untereinander sind die mindestens so unterschiedlich wie zwischen den deutschen und den internationalen Gemeinden. Und dass die sich die Mühe machen, so einen Gottesdienst zusammen zu gestalten, zusammen an einem Thema zu arbeiten, die Fremdheit auszuhalten und dann trotzdem wieder zu zeigen: wir sind miteinander christliche Gemeinde – das ist ein ziemliches Vorbild auch für die deutschen Gemeinden.

Rittberger-Klas: Frau Manganang, Herr Mühlich, ich danke Ihnen für das Gespräch – und den Hörerinnen und Hörern wünsche ich einen geistreichen Pfingstmontag. Pfarrerin Karoline Rittberger-Klas, Tübingen, Evangelische Kirche.

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SWR Kultur Lied zum Sonntag

28APR2024
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Hören Sie es auch so gerne – das vielstimmige Vogelkonzert, das in diesen Frühlingstagen erklingt?
Ich gebe zu: Oft nehme ich den Gesang der Vögel gar nicht wahr. Weil ich zu viel drinnen hocke oder anderer Lärm draußen die feinen Vogelstimmen übertönt. Oder weil ich im Alltag schlicht nicht drauf achte.
Aber immer wieder, wenn ich ein Fenster öffne oder auf dem Rad unterwegs bin, merke ich: wie schön! Die Vögel sind wieder zu hören. Es ist Frühling. Und sofort habe ich die Melodie des alten Liedes im Ohr, das ich schon als Kind gerne gesungen habe:

Strophe 1, Dresdner Kreuzchor

Welch ein Singen, Musiziern, Pfeifen, Zwitschern, Tiriliern!
Was hören Sie, woran denken Sie, wenn Sie den Vogelstimmen lauschen?
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der den Text des Volkslieds 1837 als Gedicht veröffentlicht hat, hat aus dem Gesang der Vögel viel herausgehört. Das Gezwitscher weckt für ihn nicht nur Frühlingsgefühle, sondern bringt allen, die es zu deuten wissen, auch eine besondere Botschaft:

Strophe 2, Solo Bettina Pahn

Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar wünschen dir ein frohes Jahr, lauter Heil und Segen: ein Segenswunsch aus Vogelkehlen! Mit dieser unscheinbaren Zeile bekommt das beschwingte Frühlingsliedchen eine weitere, eine geistliche Dimension. Die Vögel, heißt das doch, erzählen mit ihrem Gesang auch von Gott. Oder mehr noch: In ihrem Gesang wird Gottes Segen, also sein liebevoller Blick auf die Welt und mich selbst, hörbar und spürbar.

Melodie Geige und Klavier, Christina Busch

Gottes Segen lässt sich auf verschiedene Weise erfahren. Das ist eine Spur, auf die ich mich gerne begebe. Denn wenn die Vögel mit ihrem Gesang mir Gottes Segen bringen, dann kann ich ihn sicher auch anderswo hören. Oder riechen, schmecken, sehen und spüren – wenn ich nur meine Sinne dafür öffne: für die Bienen mit ihrem leisen Summen, den intensiven Geruch der Fliederblüten, die Frühlingsblumen und ihre leuchtenden Farben oder für die warme Sonne auf meinem Gesicht. Sie alle wünschen mir – und dir – ein frohes Jahr, lauter Heil und Segen.
Ja, es tut gut, wahrzunehmen, was die Natur im Frühling verkündet. Und es sich zu Herzen zu nehmen – so wie es in der dritten Strophe heißt:

Strophe 3, Rundfunkchor Wernigerode

Einmal am Tag bewusst dem Pfeifen der Vögel lauschen – und auf die Spuren des Segens zu achten, den sie mir wünschen: Das ist, finde ich, eine gute Idee in diesen Frühlingstagen. Vielleicht macht mir das ja auch gute Laune, wie das Lied es beschreibt. Singen, springen und scherzen – das wäre nicht schlecht. Oder zumindest mal ein bisschen mitpfeifen.

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