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SWR2 Wort zum Tag

Ich gehe nicht weg, ich bleibe. So reden Menschen, die eine Hoffnung haben. Sie bleiben in einer schwierigen Beziehung: Es wird einen neuen Anfang geben.Sie halten es aus in einem Krisengebiet: Mein Bleiben hilft den Opfern. Sie alle hoffen, dass sich noch etwas zum Guten verändern wird. Sie alle sehen etwas Neues, das noch nicht da ist.
So hat es ein christliches Ehepaar in Papua-Neuguinea erlebt. Sie wohnten dort in einem Dorf, um eine medizinische Versorgung aufzubauen und die Bibel in die Landessprache zu übersetzen. Ein Kind wurde ihnen geboren. Wie haben sie sich gefreut. Wie haben die Einheimischen Kinder das kleine, weiße Baby bestaunt. Und dann ist das Kind an einer Infektion gestorben. Die Dorfbewohner schauten zu, wie der Vater den Sarg zimmerte. Einer fragt: Dein Sohn ist tot. Werdet ihr nun fortgehen? Nein, antwortet der Vater des Kindes, wir bleiben hier. Aber ihr werdet bei uns vielleicht auch noch krank werden und sterben! Da machen wir uns keine Sorge. Wir sind in Gottes Hand, genau wie unser Kind.
Nach längerem Schweigen sagte der Einheimische: Was seid ihr für seltsame Menschen! Ihr fürchtet den Tod nicht, und ihr könnt durch den Horizont sehen!
Ja, sagte der Arzt, wir können durch den Horizont sehen. Und als er das sagt, fällt ihm ein: in der Papua-Sprache gibt es kein Wort für Hoffnung.
Aber das ist ein gutes Wort für Hoffnung: Durch den Horizont sehen. Dorthin zu sehen, wo es keinen Tod gibt, keine Krankheit, keine Schmerzen, kein Elend.
Mir hilft dieses Bild. Ich bin ja auch eher darauf gepolt, von hoffnungslosen Fällen oder Zuständen zu reden. Ich sehe die Lage in Syrien, in Nigeria oder Israel und denke: Es ist aussichtslos. Ohne Aussicht auf Besserung, auf Frieden. Und genau diese Mauer, diesen Horizont durchbricht die Hoffnung. Sie lässt mich eine Wirklichkeit sehen, in der Menschen im Frieden leben. In der Kranke geheilt, Schwache gestärkt und Tote lebendig gemacht werden. In der alles das geschieht, was mit dem Namen Jesus verbunden ist: Gott rettet und verändert.
Hoffnung ist in gewisser Weise ein Experiment mit der Zukunft. Ich tue für einen Moment so, als ob Gott Gegenwart wäre. Das macht mir Mut, zu bleiben, weiterzumachen. Jeder Handgriff, jedes Wort, jeder noch so kleine Einsatz für das Leben macht Sinn. Denn für andere wirst du dann selber zum Zeichen der Hoffnung.

Ein gutes Wort für Hoffnung: Durch den Horizont sehen. Dorthin zu sehen, wo es keinen Tod gibt, keine Krankheit, kein Elend

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SWR2 Wort zum Tag

Die ganze Welt schaut auf den Fußball. Wohin schaut Gott eigentlich?
Interessieren ihn die Spiele? Oder eher die Spieler? Spielt er gar selber eine Rolle in diesem hin und her von Erfolg und Misserfolg, Sieg und Niederlage?
Der Ball ist im Tor der Jubel kennt keine Grenzen. Unsre Jungs sind doch die Größten. Dann aber, im nächsten Moment: Ballverlust – Konter und Ausgleich. Das gegnerische Tor fällt so glücklich, so zufällig, dass man meinen könnte: Da hat wohl das Schicksal nachgeholfen. Oder Gott?
Im normalen Alltag erlebe ich das ähnlich. Auch hier das Hin und Her von Glück und Unglück, Erfolg und Misserfolg. Und immer wieder kommt mir die Frage, wer hier eigentlich kämpft. Ob Gott wirklich im Spiel ist.
Ein Mensch, für den wir lange gebetet haben, wird von schwerer Krankheit geheilt. Erleichterung und Freude sind riesig.
Ein anderer aber stirbt überraschend und hinterlässt großes Leid. Von den furchtbaren Krisen und Kriegen ganz zu schweigen. Hier scheint es, gehört Gott entweder zu den Verlierern - oder er spielt gar nicht mit.
Und doch glaube ich: Gott ist im Spiel. Gott schaut nicht einfach zu, er spielt mit, er kämpft auf der Seite des Lebens. Manchen Ball spielt er mir zu, z. B. Wenn mir ein Mensch begegnet, dem ich eine Wohnung vermitteln kann. So ein Treffer gehört zu den glücklichen Momenten. Häufiger ist das Gefühl, dem Ball vergeblich hinterherzulaufen, zu scheitern, zu verlieren. Und mancher bleibt auch erschöpft liegen, verletzt und frustriert. Der Gegner ist stark, das Spiel steht immer auf der Kippe. Aber es wird sich zum Guten wenden. Die Bibel sagt: Gottes Herrschaft wird kommen; der Friede wird siegen, die Kranken werden geheilt, der Tod muss vom Platz.
Bis dahin gibt es zu tun. Auch das Beten gehört für mich dazu.Ich kann Krieg und Unglück nicht verhindern – aber ich kann Firmen und Marken boykottieren, die in Rüstung verstrickt sind. Ich kann viele Beziehungs-Probleme nicht lösen – aber ich kann das Gespräch suchen, Missverständnisse klären, zuhören, trösten.
Ja, Gott wird das Spiel den Kampf gewinnen, auch wenn es nicht immer danach aussieht. Und ich bin sicher: Er braucht noch Leute, die mitspielen.

Oft sieht es so aus, als gehöre Gott zu den Verlierern, oder würde gar nicht mitspielen.
Und doch: Gott schaut nicht einfach zu, er spielt mit, er kämpft auf der Seite des Lebens.

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SWR2 Wort zum Tag

Es ist kein schönes Thema. Aber ich kann ihm nicht ausweichen.
Ich meine den Zorn Gottes, von dem die Bibel an manchen Stellen spricht.
Ebenso, wie Gott vor Liebe brennen kann, kann er auch außer sich vor Zorn sein.
Wenn Menschen ihm den Rücken zukehren, wenn sie gegen seine Ordnungen leben, wenn sie anderen Göttern nachlaufen.
„Ich habe mich im Augenblick des Zornes von dir abgewendet“, heißt es in einem Bibel-Text. Es ist, als wollte er sagen: Ich fühle mich zutiefst verletzt. Mitten ins Herz bin ich getroffen. All meine Zuneigung – mit Füßen getreten.
All meine Zärtlichkeit – durch den Schmutz gezogen.
Ich will dich nicht mehr sehen. Ich kehre dir den Rücken zu.
Und aus meiner Erfahrung muss ich sagen: Ja, das stimmt.
Es gibt solche dunklen, göttlichen Augen-Blicke.
Selbst wenn man sich keines Vergehens bewusst ist.
Da haben Menschen das Gefühl, von Gott nicht mehr gesehen zu werden, nicht mehr von ihm geliebt und behütet zu sein.
Da sind Menschen der Willkür eines blinden Schicksals preisgegeben, erleiden Krankheit und Unglück.
Dieser Augenblick des Zornes ist schlimm. Aber - es  ist immer nur ein Augenblick, immer nur ein schwacher Moment des starken Gottes.
Der Satz vom Zorn ist immer nur ein Halbsatz, bei dem noch etwas fehlt.
"Ich habe mich im Augenblick des Zorns von dir abgewendet, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen," so vollendet Gott diesen Satz. Es ist wieder gut. Du bist wieder in meinem Blick.
Gott überwindet seinen Zorn. Immer wieder haben Menschen das erfahren:
Und mir geht es auch so: Ich spüre. Seine Augen blicken mich wieder an.
Augen-Blicke der Geborgenheit.
In den Gottesdiensten dieser Passionszeit.
Beim Hören der Johannespassion von Bach.
Oder wenn ich das Wort höre: Dir sind deine Sünden vergeben. Gehe hin in Frieden.
Dann kann ich wieder aufatmen, wieder vertrauen, dass Gott gut ist.
Vielleicht ist ja auch der Zorn nur ein Teil seiner Güte.

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SWR2 Wort zum Tag

Die höchste Würde des Menschen ist seine Unvollkommenheit. sagt Kierkegaard.
Ein lebendiger Beweis dafür, dass das stimmt, ist für mich Moses Mendelssohn.
Ein feiner, hochgescheiter Mensch, der einen körperlichen Makel hatte: Er war verwachsen und hatte einen Buckel, was auch bedeutete, dass er nicht sonderlich groß wurde.
Als junger Mann verliebte er sich unsterblich in ein Mädchen namens Frumtje.
Nach langem Zögern gestand er ihr seine Liebe.
Frumtje war geschockt und konnte nur mühsam ihre Abneigung verbergen.
Aber Moses: Glauben Sie, dass Ehen im Himmel geschlossen werden? Oh ja, antwortete Frumtje, die ein sehr frommes Mädchen war.
Moses fuhr fort: „Auch mir hat Gott meine zukünftige Braut gezeigt und gesagt: Deine Frau wird klug und liebenswert sein, aber leider wird sie einen Buckel haben und keine Schönheit sein.“ Da antwortete ich: Nein, nein, lieber Gott, das wäre furchtbar. Ich bitte dich: Erschaffe meine Frau wunderschön, den Buckel aber gib mir.“
Frumtje war überwältigt. Die beiden heirateten und führten eine glückliche Ehe.
Ich finde, die Geschichte zeigt, wie man mit Einschränkungen umgehen, ja ihnen sogar etwas abgewinnen kann.
Vermutlich hat fast jeder und jede – auch von Ihnen - eine Einschränkung, die ihm das Leben schwer macht. Und natürlich fragt man sich nach dem Sinn solcher Lasten.
Ich denke an den Apostel Paulus, der mit einer unheilbaren Erkrankung klarkommen musste und daraus tiefe Einsichten gewann.
Ich denke auch an Menschen in meiner Umgebung, die mit solchen Einschränkungen leben.
Der Alltag bedeutet eine große Herausforderung für sie. Aber wie sie diese annehmen und ihr Leben meistern, beeindruckt mich, ich fühle mich manchmal dadurch beschenkt.
Außerdem hilft es mir, die eigenen Belastungen zu relativieren.
Freilich: Nicht jede Last verdankt sich einem Tauschhandel, wie Moses seiner Frumtje glauben macht.
Ich bezweifle überhaupt, dass Gott direkt dafür verantwortlich ist.
Ich glaube eher: Gott möchte, dass ich ein inneres Ja finde zu solchen Belastungen.
Das ist eine Lebensaufgabe, und nicht immer werde ich so originell damit umgehen wir MM. Aber ich vertraue darauf: Gott ist da, gerade dann, wenn ich nicht mehr mit mir zurechtkomme und damit wie ich bin.
Er hilft, das Unvollkommene zu tragen.
Manchmal sogar mit etwas Humor.

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SWR2 Wort zum Tag

Worte können gesund machen. Auch alte Worte. Wie Medizin können sie wirken.
Sie sind kostbar, diese Worte. Wenn ich sie mir einpräge, habe ich einen Schatz, den mir keiner nehmen kann.
Nicht jeder tut sich leicht mit solchen Worten.
Überliefert heißt wörtlich: Tradiert - und mit den Traditionen ist es ja so eine Sache.
Viele verbinden negative Gedanken damit.
Sie möchten lieber die Dinge mit sich selber ausmachen.
Die eigene Erkenntnis, die eigene Erfahrung sind wichtig.
Aber doch nicht das, was man von anderen empfangen und gelernt hat.
Die Folgen dieser Einstellung kann man spüren: Traditionen verlieren ihre prägende Kraft, sie werden verdächtigt, Formen ohne Inhalt zu sein. Auch die Worte der Bibel sind davon betroffen.
Und doch: Die Kultur des Hören und Lernens ist grundlegend für den Glauben an Gott.
Am Anfang des christlichen Glaubens standen natürlich persönliche Erfahrungen, die Menschen mit Jesus gemacht hatten. Wie Jesus sich ihnen zugewendet, sie angeschaut, sie ernst genommen hat.
Wie er Kranke angerührt und gesund gemacht hat. Wie er sie aufgerichtet, ihnen ihre Würde zurückgegeben hat. Davon hat man erzählt, vor allem denen, die Jesus nicht persönlich begegnet sind. Und diese Erzählungen wurden gehört, gelernt und weitererzählt, und irgendwann begann man, sie aufzuschreiben, in Worten.
"Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken."
Diese Worte wanderten durch die Jahrhunderte, zusammen mit vielen anderen.
Und neue Worte gesellten sich hinzu, Lieder und Bekenntnisse.
Ich erlebe es oft, wie solche Worte immer noch Kraft geben, ja gesund machen. Bei einem Besuch stimme ich ein Passionslied an, und ein demenzkranker Mensch erinnert sich und summt mit.
Ich bete einen Psalm: Geformte Worte, uralt und trotzdem voller Kraft. Das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis, der Katechismus. Was ist dein Trost im Leben und im Sterben?
Das sind Worte, die ich mir nicht selber sagen kann:
Sie können ihre Kraft auch dann noch entfalten, wenn der Verstand und das Gefühl erloschen ist.
Deshalb lasse ich meine Schüler solche Worte auswendig lernen.
Und ich kenne Menschen, die sie im hohen Alter noch im Kopf haben.
Worte, die gesund machen.
Worte, die Gott gesprochen hat und heute noch spricht.

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SWR2 Wort zum Tag

Rettung gibt es dort, wo die Gefahr am größten ist.
So jedenfalls sehen es die die Fischer auf den Lofoten:
Wenn die großen Stürme kommen, geschieht es immer wieder, dass einige Fischer ihre Boote am Strand vertäuen und sich an Land begeben. Andere aber stechen eilig in See.
Die Boote sind auf hoher See sicherer als am Strand. Auch bei ganz großen Stürmen sind sie durch die Kunst der Navigation zu retten. Und selbst bei kleineren Stürmen werden sie am Strand von den Wogen zerschmettert."
Ich glaube, dass diese Weisheit auf jedes Leben übertragbar ist.
Es werden Stürme kommen, die das Leben durcheinanderwirbeln.
Aber bleib nicht an Land!
Bleib nicht auf dem Boden deiner Ängste und deiner Sicherheiten.
Hab Mut, stelle dich den Schwierigkeiten. So kannst du die Gefahr überstehen.
Ich habe Freunde, die das tun.
Sie mischen sich ein in schwierige politische Auseinandersetzungen.
Sie erleben, wie ein Sturm alte Ordnungen durcheinanderwirbelt.
Das Miteinander von Mann und Frau, traditionelle Vorstellungen von Ehe und Familie sind fraglich geworden. Was viele Menschen als segensreich erfahren, droht unterzugehen.
Wer in diesen Sturm hineingeht, muss sich warm anziehen.
Und er braucht jemanden, der mit im Boot sitzt und ihm den Rücken stärkt.
Noch mehr gilt das für die persönlichen, existentiellen Stürme.
Lebenskrisen, Krankheit, Abschied nehmen, das Sterben: Das sind Erfahrungen, die bedrohen, entwurzeln, Angst machen. Diese Erfahrungen können dazu führen, dass Menschen den Glauben an Gott verlieren. Aber sie können auch dazu führen, dass Menschen Gott begegnen.
Wie in jener Geschichte, in der Jesus mit seinen Freunden im Sturm unterwegs war.
Er saß nicht, nein, er lag und schlief im Boot, und alles schien verloren, dem Unwetter preisgegeben, der Laune des Zufalls. Und doch: Mitten in Todesangst und Gefahr ist er da, steht auf und wendet die Not.
Es ist nicht einfach, das zu glauben: Rettung gibt es dort, wo die Gefahr am größten ist.
Stürme machen Angst.
Aber ich habe es erfahren, Gott ist da, und er ist besonders denen nah,
die vom Leben gebeutelt sind.
Nicht der Sturm ist die Rettung.
Sondern Er, Jesus, ist die Rettung im Sturm.

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SWR2 Wort zum Tag

Gutes zu tun, das ist etwas anderes als Böses zu tun.
Die Wahrheit zu sagen ist etwas anderes als zu lügen.
Menschen mit Schwierigkeiten beizustehen, das ist etwas anderes als einen Bogen um sie zu machen. Den Mund aufmachen für Menschen ohne Stimme,
das ist etwas anderes als zu schweigen.
Ein Wort aus der Bibel drückt es so aus:
„Gerechtigkeit führt zum Leben, aber dem Bösen nachjagen bringt Tod.“ (Spr. Sal)
Gerechtes Handeln wird hier klar vom Tun des Bösen unterschieden.
Maßstab dieser Unterscheidung ist nicht das Handeln selbst, sondern sein Ergebnis.
Das Gute führt zum Leben, das Böse führt zum Tod.
Sehr deutlich wurde mir das bei einem Besuch von Yad Vaschem, der Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust in Jerusalem.
Schonungslos die Bilder und die Texte, in denen Bosheit und Grausamkeit der Täter dokumentiert sind.
Klar getrennt davon sind die Steine im Garten. Auf ihnen stehen die Namen derer, die sich dem Bösen widersetzten - auch der Name eines Mannheimer Pfarrers ist dabei: Hermann Maaß. Ben Zadik - Sohn des Gerechten - so der Titel dieser Menschen, deren Tun dem Leben diente.
Das Böse ist der Feind des Guten - und umgekehrt. Was hier so klar und greifbar scheint, muss im Grau des Alltäglichen oft mühsam gelebt werden.
In unserer Stadt lebt eine Gruppe junger Tamilen. Sie gelten in ihrer Heimat als potentielle Terroristen. Sie sind geflohen, um Folter und Tod zu entgehen. Und als jüngst die ersten Abschiebungen drohten, hat sich eine Gruppe aus allen Kirchen dieser Stadt zusammengetan, um zu helfen. Diese Kirchen haben eine gemeinsame Überzeugung:
Gott will, dass seine Menschen leben.
Wir müssen denen helfen, deren Leben bedroht ist. Wir tun es, indem wir sie einladen. Sprachkurse anbieten. Mit Behörden reden.
Ich glaube, dieses Tun ist richtig und gut, auch wenn man es sicher noch besser machen könnte.
Und doch - Es gibt viel zu viel Ungerechtigkeit, die keiner sieht oder sehen will.
Ein Grund mehr, genauer hinzusehen. Und das Gute zu tun, so gut es halt geht. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17022
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SWR2 Wort zum Tag

Ich glaube, ich habe eine Seele. Sie verbindet mich mit meinem Schöpfer, mit Gott.
Und sie macht mich zu dem, was ich bin. Ich muss schon ein wenig achtgeben auf meine Seele. Es wäre schlimm, wenn sie verkauft würde - oder verloren ginge.
Kann man das überhaupt: die Seele eines Menschen kaufen oder verkaufen?
Angeblich aus Langeweile hat ein Student aus Seattle seine Seele bei Ebay zum Verkauf angeboten und dafür immerhin 400 Dollar erzielt. Doch dann hat Ebay den Handel gestoppt. Aus rechtlichen Gründen: Sollte es keine Seele geben, wäre die Versteigerung ungültig. Und sollte es eine Seele geben, wäre der Verkauf auch ungültig, weil Ebay den Handel mit menschlichen Organen verbietet.
Für mich ist freilich die Seele kein sichtbares Organ, sondern die Mitte meines Lebens.
Im AT sitzt die Seele im Atem, genauer: in der Kehle des Menschen. Sie wird dem Menschen von Gott eingehaucht. Alles, was den Menschen ausmacht, sein Denken, die Gefühle, seine Lieder haben hier ihren Ursprung. Die Seele besingt die Größe Gottes. Sie sieht und erkennt Gottes Wirken, sie redet mit ihm und redet mit mir.
Gott wiederum kümmert sich um jede Seele; befreit sie von Angst, schenkt ihr neuen Atem und damit neue Lebenskraft.
Hüte dich und bewahre deine Seele gut, heißt es in der Bibel.
Und noch stärker zeigt sich die göttliche Seel-Sorge bei Jesus: Was hilft es dir, wenn dir die ganze Welt gehört, aber deine Seele dadurch Schaden nimmt?
Was hilft dir die Gesundheit, dein Geld, der Erfolg, die gute Altersvorsorge, wenn das verloren geht, was dich mit Gott verbindet?
Also achte ich auf meine Seele.
Auf die Bilder, die ich ihr vorsetze, auf Worte, die sie zu hören bekommt. Arbeit ohne Pause - das tut ihr nicht gut. Gewalt im Fernsehen oder im Internet - nie kann sie es vergessen.
Ein Körper ohne frische Luft und Bewegung - sie wird traurig und krank.
Gute Worte stärken sie - ich finde sie in der Bibel.
Gute Musik macht sie fröhlich - die finde ich auch auf SWR 2.
Und wenn ich mich ausspreche, mein Unglück klage oder meine Schuld bekenne - dann atmet sie auf.
Ja, ich glaube es: Ich habe eine Seele. Sie verbindet mich mit Gott.
Deshalb achte ich auf meine Seele und spreche freundlich mit ihr.
Du, meine Seele, singe. Wohlauf und singe schön. Dem welche alle Dinge zu Dienst zu Willen stehn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17021
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SWR2 Wort zum Tag

In dem Kinderbuch Momo von Michael Ende sagt der Straßenkehrer:

"Es ist so. Manchmal hat man eine lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang.
Das kann man niemals schaffen. Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Aber jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was da vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an. Man kriegt es mit der Angst. Zum Schluss ist man ganz aus der Puste und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken. Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, den nächsten Atemzug."

Ich finde, dieser Text spiegelt eine tiefe Wahrheit. Ziele werden erreichbar, indem ich Schritte gehe. Ich erreiche sie nicht, indem ich davon träume, nicht, indem ich gebannt den Berg von Arbeit anschaue, der vor mir liegt. Ziele sind zunächst einmal Orte, die ich erreichen will. Da gibt es Ziele in meinem Beruf. Ziele, die ich mir für einen Körper stecke, auf meinem Instrument, oder für eine Beziehung. Und das alles geht nur - in kleinen Schritten.

Freilich drängt sich die Frage auf: Was ist mein Hauptziel, das ganz große Lebensziel?

Bei Momo ist es das große Ziel des Straßenkehrers, einmal die ganze Straße.
Und dieses Ziel  ist zugleich seine Bestimmung, ist das, wofür er lebt und leben will.
Und auch da steckt eine Wahrheit drin. Das Lebensziel suche ich mir nicht aus, es ist meine Bestimmung, es wird mir gesetzt. Der Apostel Paulus nennt das Lebensziel der Christen sogar eine "himmlische Berufung", also etwas, das ihnen von Gott gesetzt ist. Er meint damit: Die Ewigkeit, die neue Existenz in Gottes Gegenwart, das ist das Ziel. Es ist so groß, dass er es aus eigener Kraft gar nicht erreichen könnte. (Philipper 3).

Doch auch bei diesem riesigen Ziel gilt: Schritt für Schritt.
Jeder neue Tag, den ich erlebe, ein Schritt. Jede berufliche Anforderung - ein Schritt.
Jeder gekehrte Meter, jeder Kontakt mit einem Menschen.
Ich schau nicht auf das Ziel, ich male es mir nicht aus und anderen auch nicht.
Ich weiß, dass es da ist, und dass es näherkommt, mit jedem Schritt.

Das ist für mich ein großer Trost. Ich werde, ich kann nicht alles erreichen, was ich mir für dieses kleine Leben vorgenommen habe. Aber ich muss es auch nicht unbedingt. Auch das Unvollendete, auch das Unerreichte gehört zum Erreichen dieses großen Zieles dazu.
Das große Ziel der Ewigkeit gibt allen kleinen Zielen und allen kleinen Schritten ihren Sinn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11374
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SWR2 Wort zum Tag

Nein - ich will nicht um Hilfe bitten, sagt sie mir. Ich möchte niemandem zur Last fallen.
Ein Leben lang hat die alte Dame für sich und für die Familie gesorgt.
Unerträglich ist für sie der Gedanke, auf Hilfe angewiesen zu sein.

Sie fühlt sich in ihrer Würde beeinträchtigt, das Leben hat für sie, wie es sagt, keinen Sinn mehr, wenn sie es nicht selbst gestalten und bestimmen kann.

Ein anderes Beispiel ist einer, der frustriert meint: Den soundso, den frage ich bestimmt nicht mehr um Rat. Der antwortet mir sowieso nicht.

Zuviele Enttäuschungen hat er erlebt. Obwohl er genau weiß, dass er es allein nicht schafft, dass er allein die Lösung für sein Problem nicht finden kann. Das Bild ist fertig, dass er von sich und seiner Umwelt hat. Keine Aussicht, keine Hoffnung auf Veränderung hat nier noch Platz.

Wer bittet, weiß, dass er etwas braucht. Wer auf die Suche geht, hat etwas verloren  - auch das muss man ja erst einmal merken, dass etwas fehlt. Und wer beim Nachbarn etwas ausleihen will, gibt etwas von sich preis.

Warum tue ich mich und viele sich damit so schwer?
Weil es gar nicht einfach ist, sich das Abhängig -Sein einzugestehen.
Ich brauche, ich bin bedürftig, ich habe etwas verloren, ich kann es nicht mehr selber tun.
Dazu bin ich zu stolz. Ich möchte gerne selber machen, und andere erwarten das ja auch von mir.

Um Hilfe bitten - das ist das Letzte, zu dem man bereit ist. Besonders dann, wenn man lange versucht hat, aus eigener Kraft das Ziel zu erreichen.

„Bitte, hilf mir, ich kann es nicht allein." Es ist gut, wenn ich lerne, das zu sagen.
Und ich glaube, dass es einfacher ist, wenn man in Beziehung zu Gott lebt.
Hier merke ich nämlich, wie sehr ich als sein Geschöpf auf ihn angewiesen bin.

Wie es mir hilft, dieses auch vor ihm auszusprechen. Es macht mich nicht klein, sondern ist Teil meiner Würde, dass ich Gott um etwas bitten, ihm zur Last fallen kann.
"Bittet, so wird euch gegeben. Suchet, so werdet ihr finden. Klopfet an, so wird euch aufgetan."

Dies gilt im Hinblick auf Gott, aber auch für Beziehung zwischen Menschen.
Nicht erst, wenn es eng wird, sondern immer und grundsätzlich.

Ich kann vieles selber machen, aber ich kann mir niemals selbst genügen.
Und schon jetzt kann ich üben, wie es ist, die eigenen Kinder um Hilfe zu bitten.
Dann wird es mir später nicht mehr so unnatürlich vorkommen.

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