SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die höchste Würde des Menschen ist seine Unvollkommenheit. sagt Kierkegaard.
Ein lebendiger Beweis dafür, dass das stimmt, ist für mich Moses Mendelssohn.
Ein feiner, hochgescheiter Mensch, der einen körperlichen Makel hatte: Er war verwachsen und hatte einen Buckel, was auch bedeutete, dass er nicht sonderlich groß wurde.
Als junger Mann verliebte er sich unsterblich in ein Mädchen namens Frumtje.
Nach langem Zögern gestand er ihr seine Liebe.
Frumtje war geschockt und konnte nur mühsam ihre Abneigung verbergen.
Aber Moses: Glauben Sie, dass Ehen im Himmel geschlossen werden? Oh ja, antwortete Frumtje, die ein sehr frommes Mädchen war.
Moses fuhr fort: „Auch mir hat Gott meine zukünftige Braut gezeigt und gesagt: Deine Frau wird klug und liebenswert sein, aber leider wird sie einen Buckel haben und keine Schönheit sein.“ Da antwortete ich: Nein, nein, lieber Gott, das wäre furchtbar. Ich bitte dich: Erschaffe meine Frau wunderschön, den Buckel aber gib mir.“
Frumtje war überwältigt. Die beiden heirateten und führten eine glückliche Ehe.
Ich finde, die Geschichte zeigt, wie man mit Einschränkungen umgehen, ja ihnen sogar etwas abgewinnen kann.
Vermutlich hat fast jeder und jede – auch von Ihnen - eine Einschränkung, die ihm das Leben schwer macht. Und natürlich fragt man sich nach dem Sinn solcher Lasten.
Ich denke an den Apostel Paulus, der mit einer unheilbaren Erkrankung klarkommen musste und daraus tiefe Einsichten gewann.
Ich denke auch an Menschen in meiner Umgebung, die mit solchen Einschränkungen leben.
Der Alltag bedeutet eine große Herausforderung für sie. Aber wie sie diese annehmen und ihr Leben meistern, beeindruckt mich, ich fühle mich manchmal dadurch beschenkt.
Außerdem hilft es mir, die eigenen Belastungen zu relativieren.
Freilich: Nicht jede Last verdankt sich einem Tauschhandel, wie Moses seiner Frumtje glauben macht.
Ich bezweifle überhaupt, dass Gott direkt dafür verantwortlich ist.
Ich glaube eher: Gott möchte, dass ich ein inneres Ja finde zu solchen Belastungen.
Das ist eine Lebensaufgabe, und nicht immer werde ich so originell damit umgehen wir MM. Aber ich vertraue darauf: Gott ist da, gerade dann, wenn ich nicht mehr mit mir zurechtkomme und damit wie ich bin.
Er hilft, das Unvollkommene zu tragen.
Manchmal sogar mit etwas Humor.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17359
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