SWR1 Begegnungen

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Mattäus Vogel

Matthäus Vogel ist als Leiter des Friedhofs- und Bestattungsamts  so etwas wie der Chef der Friedhöfe in Karlsruhe. Matthäus Vogel hat fast sein ganzes Berufsleben auf dem Friedhof zugebracht. Mit 15 Jahren, als junger Auszubildender in der Stadtverwaltung, verschlug es ihn eher zufällig in diesen Bereich. Doch der hat ihn schnell fasziniert und dann nicht mehr losgelassen.

Ich bin dann nach Kehl gegangen zum Studium der öffentlichen Verwaltung und anschließend hatte ich mich wieder interessiert für diesen Bereich und bin dann auf der Führungsebene tatsächlich wieder eingestiegen.

Was ihn daran bis heute besonders reizt ist die Möglichkeit, von Trauer betroffene Menschen unterstützen zu können. Und ein Friedhof, da ist sich Matthäus Vogel sicher, bietet dazu viele Möglichkeiten. Weil für ihn …

… ein Friedhof kein Selbstzweck darstellt, sondern eine Einrichtung für die Menschen und zwar für die Lebenden in erster Linie, nicht für die Toten.

Ein Friedhof vor allem als Ort für die Lebenden. Ein interessanter Gedanke.

Friedhof kann sehr viele soziale Bereiche abdecken.  … Ich stell mir jetzt vor, die Witwe, die jeden Tag auf den Friedhof geht, weil sie ihren Lebensmittelpunkt dort zu liegen hat, erlebt dann, dass sie nicht allein ist, sondern dass es viele gibt, denen es ähnlich geht.
Es gibt viele Menschen, die sich auf dem Friedhof kennengelernt haben und die als Freundinnen dann oder als Bekannte wirklich einen kleinen Lichtstrahl in ihrem Leben erleben, in dem es momentan relativ dunkel ist.

Zwei geradezu gegensätzliche Entwicklungen hat er in den vielen Jahren seiner Tätigkeit auf dem Friedhof allerdings festgestellt. Während manche Menschen fast unerkannt aus dem Leben scheiden, möchten andere die Beerdigung möglichst individuell und kreativ. Das erste empfindet auch Matthäus Vogel oft als bedrückend.

Die alten Menschen sterben oft, ohne dass sie Familie mehr um sich herumhaben, sprichwörtlich allein. Und da kommt es natürlich in diesem Erleben oder in dieser Erfahrung auch oft zu der Vorstellung: Wenn sich niemand um mich kümmert im Leben, braucht sich auch niemand um mein Grab sorgen. Also das erleben wir sehr häufig, diese Aussage.

Das geht im Extremfall bis zum anonymen Grab unter einer Rasenfläche. Rund jeder Zehnte fragt in Karlsruhe zumindest danach, will von den oft wenigen Hinterbliebenen schlichtweg gar nichts mehr. Es sind Menschen, die möglichst spurlos von der Erde verschwinden wollen. Ein eigentlich trauriger Gedanke, der auch Matthäus Vogel beschäftigt, denn …

Das Grab selber, das nimmt man denen zum Trauern, zum Besuchen, zum Erinnern und Gedenken. Und da erleben wir oft zwar, dass dann anschließend diese Entscheidungen teilweise korrigiert werden und wieder Gräber angelegt werden, aber trotzdem ist natürlich so eine Vorstellung, niemand zur Last zu fallen, keine Kosten zu verursachen und das möglichst ohne Aufhebens passieren zu lassen. 

Denn in Karlsruhe wäre eigentlich viel mehr möglich...

Teil 2

Matthäus Vogel, der Leiter des Karlsruher Friedhofsamts, ist überzeugt davon, dass ein Friedhof vor allem für die Lebenden da ist. Darum versucht er auch, trauernden Menschen so wenige Vorschriften wie möglich zu machen. Ihnen vielmehr den Raum zu gewähren, den sie brauchen in den oft schwierigsten Stunden ihres Lebens.

Das geht los beispielsweise, dass man für diesen Vorgang der feierlichen Verabschiedung und der Beerdigung, dass man dafür Zeit braucht. Die hatte man noch vor wenigen Jahren bei uns in Karlsruhe wie auch anderorts einfach nicht eingeräumt und hat Zeitfenster vorgegeben, die in meinen Augen völlig unmenschlich waren.

Darum darf es bei ihm gern auch mal eine oder zwei Stunden dauern. Eine Friedhofssatzung, die gibt es natürlich auch in Karlsruhe. Doch Matthäus Vogel versteht sie eher als einen weiten Gestaltungsrahmen, in dem trauernde Menschen sich von ihren Toten so verabschieden können, wie es gut für sie ist. Auch mal mit Jazzmusik oder einem Picknick am Grab.

Denken sie an weltliche Musik, egal welcher Art oder vielleicht irgendwelche Formen der Selbstgestaltung. … Wenn jemand den Wunsch hat, irgendeinen Gegenstand auf dem Grab abzustellen, von dem vielleicht jeder denkt: Na ja gut, das müsste jetzt auch nicht sein, dann sage ich: Doch, für den Betreffenden ist das vielleicht so eine große Hilfe, wie man es sich gar nicht vorstellen kann als Nichtbetroffener. Für mich sind das Liebesgaben, die gerade auf einen Friedhof gehören.

Doch was auch immer an Wünschen an ihn herangetragen wird. Wichtig ist ihm, dass es überhaupt eine Trauerfeier gibt. Matthäus Vogel weiß, wie bedeutsam dieses Ritual für die Trauernden sein kann.

Ich habe mal jemand zu einer Trauerfeier überredet. Die Familie wollte das nicht, weil die Witwe schon sehr, sehr gelitten hat und da wollte man ihr die Trauerfeier nicht noch mal als Belastung zumuten und ich habe dann aber darüber gesprochen mit der Familie, wie es denn 2,3,4 Wochen später aussieht. Das Bewusstsein, dass dann so viele sich beteiligt haben, sich die Zeit genommen haben, dabei waren, mitgegangen sind ist doch eine ganz andere Erfahrung, wie still und leise verschwunden, ohne dass es groß jemand merkt. Und dann wurde klar: Okay, auch dieser Vorgang muss sein und je feierlicher und persönlicher so ein Vorgang dann auch gestaltet wird und erlebt wird, je mehr hilft er dann später.

Für sich selber wünscht Matthäus Vogel sich übrigens eine klassische Erdbestattung. Ein kleiner Wunsch nur, wie er sagt. Denn wie sein Begräbnis am Ende ablaufen soll, das sollen seine Angehörigen entscheiden. Nämlich genau so, wie es für sie am besten ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25293
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